Neue Methoden, neuer Mehrwert: IP-Analysen in M&A-Prozessen

Patentportfolien enthalten wertvolle Informationen über Unternehmen und das Marktumfeld. Diese bleiben aber meist ungenutzt. Wie neue Analyse-Möglichkeiten Deal Sourcing und Tech-DD schneller, günstiger und besser machen.

Futuristisches Interface, neuronales Netz

Nvidia, Microsoft, Apple, Alphabet, Amazon, Meta, Broadcom, SaudiAramCo, Tesla, TSMC – neun von zehn der wertvollsten Unternehmen der Welt sind Tech-Konzerne. Diese Liste verdeutlicht: Innovation ist der entscheidende Werttreiber für Unternehmen im 21sten Jahrhundert. Und dies gilt nicht nur für die Großkonzerne aus den USA oder Asien, sondern auch für kleine und mittlere Unternehmen in der DACH-Region.

Doch wie lässt sich Innovationskraft überhaupt messen und vergleichen? Patente haben hier gegenüber anderen Indikatoren klare Vorteile:

  • Patentinformationen werden von unabhängigen Dritten (Patentprüfern und -ämtern) erstellt und in öffentlichen Datenbanken gepflegt
  • Patentinformationen sind unabhängig von Veröffentlichungspflichten und Unternehmensgröße auch für private Unternehmen verfügbar
  • Anders als F&E-Ausgaben stellen Patentanmeldungen nicht das Input, sondern das vorläufige Output eines Innovationsprozesses dar – näher an Produkten und Umsätzen und mit einem Qualitätsfilter durch das Unternehmen, welches die Kosten der Patentanmeldung auf sich nimmt
  • Neben der reinen Quantität von Anmeldungen oder Erteilungen bieten Patentdatenbanken Einblick in die technologische Richtung, die ein Unternehmen oder eine Branche einschlägt
  • Transparente Qualitätsindikatoren sind mittlerweile verfügbar

Patentdokumente sind reich an Informationen. Auf Unternehmensebene wird ersichtlich, wie viel und wie dynamisch eine Firma in welche bestehenden oder neuen Technologien investiert. Aggregierte Statistiken geben Einblick, welche Branchen- und Technologietrends sich regional oder weltweit abzeichnen. 

Lange stand diese Art der Innovationsanalysen nur IP-Profis offen, welche die Recherche in Patentdatenbanken und die rechtlich-technische Sprache der Patentdokumente beherrschten. Neue statistische Methoden und KI-Anwendungen machen Patentdatenbanken nun auch für andere Berufsgruppen wie M&A-Berater nutzbar.

Anwendung Deal Sourcing

Innovation sind auch für mittelgroße und kleine Unternehmen entscheidend. Familienunternehmen und Mittelständler versuchen, mit Technologie getriebenen Zukäufe den Anschluss an die weltweite Konkurrenz zu halten oder auszubauen. 

Für technologie-orientierte Mandate ist es oft nötig, Spezialisten heranzuziehen. Spezielles Branchen- und Technologiewissen ist aber teuer und oft nicht ad hoc verfügbar. Innovations-Research auf Patent-Basis bietet hier eine gute Alternative. Moderne Tools übersetzen die Beschreibung der gesuchten Technologie mit Hilfe von KI in formale Suchbegriffe für Patentdatenbanken. So lassen sich einfach Listen von Unternehmen erstellen, die im relevanten Technologiebereich mit Patentanmeldungen aktiv sind. Die Vorteile gegenüber klassischen Unternehmensdatenbanken mit Branchenklassifizierungen sind offensichtlich:

  1. Die Suche wird zielgenauer – je spezieller die Technologie, desto besser das Ergebnis gegenüber klassischer Brancheneinteilung.
  2. Die Suche findet Firmen mit relevanter Technologie, selbst wenn sie in Branchen aktiv sind, die man bei klassischer Suche gar nicht abgefragt hätte. Das Suchfeld erweitert sich abseits ausgetretener Pfade von Lieferanten und Wettbewerbern.
  3. Neben üblichen Filtern für Region und Unternehmensgröße ist mit Hilfe von wenigen Indikatoren bereits ein erster Check der Innovationsstärke möglich.

Anwendung Tech DD

Nicht jedes Patent ist gleich. Während viele Erfindungen sich im Laufe der Zeit als nicht bedeutend entpuppen, tragen einige wenige maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bei. Tatsächlich ist die Einschätzung der Bedeutung einer patentierten Erfindung für ein Produkt, künftige Produkte oder die Wertschöpfung des gesamten Unternehmens oft langwierig, teuer und häufig Anlass für Diskurs zwischen Käufer und Verkäufer. 

Mit neuen Methoden der Datenanalyse kann aber der langwierige manuelle Prozess, der meist von IP-Spezialisten durchgeführt wird, deutlich effizienter gestaltet und um neue Einblicke erweitert werden. Die Güte von patentierten Erfindungen lässt sich mit Hilfe von Indikatoren einschätzen. Sie helfen, besonders wichtige und besonders schwache Patente im Portfolio zu erkennen. Algorithmen erstellen relevante Peer Groups für das Benchmarking. Das Ergebnis: 

  • Zeitersparnis durch Konzentration auf relevante Teile des Patentportfolios
  • Risiko-Hinweise bei besonders schwachen Portfolien
  • Risiko-Hinweis bei sich verschlechterter Wettbewerbssituation über die Zeit

Welche konkreten Erkenntnisse selbst IP-Laien damit erarbeiten können, zeigen folgende Beispiele:

Beispiel 1: ParTec AG

Die im Börsensegment Scale notierte ParTec AG machte Anfang 2024 auf sich aufmerksam. Das Unternehmen aus dem Bereich Quantum Computing brachte seine Patente in eine Tochtergesellschaft ein und ließ sie bewerten. Das Ergebnis: Die rund 150 Patente seien 767 Millionen Euro wert. In den folgenden Wochen stieg der Börsenwert von 360 Millionen auf knapp 1,2 Milliarden Euro. 

Die harten Zahlen hinter der von ParTec bezahlten Bewertung: Die 150 Patente verteilten sich auf lediglich 11 Erfindungen, wovon nur 4 in den vorangegangenen 10 Jahren getätigt wurden. Diese relevanten Erfindungen wiederum erzielten im Schnitt lediglich einen Quant IP Quality Score von 50/100 Punkten*. Mitte September liegt der Börsenwert der ParTec AG unter 300 Millionen Euro und damit rund 80 Prozent unter dem Hoch im Nachgang der Patentbewertung. 

Das Patentportfolio der ParTec AG (Stand Januar 2024)

Beispiel 2: Softbank Group

Die japanische Tech-Holding des Milliardärs Masayoshi Son ist für offensive Investments in Startups bekannt – mit teils spektakulären Erfolgen und teils Abschreibungen von mehreren Milliarden pro Investment. Doch im Frühjahr dieses Jahres machte das Unternehmen mit einer anderen Zahl aufmerksam: Son ließ Ideen von Mitarbeitern mit Hilfe von KI in Patentanmeldungen übersetzen. Softbank veröffentlichte in einem Monat auf einen Schlag 10.000 neue geschützte Erfindungen und vervielfachte damit die Größe seines Patentportfolios. 

Allerdings darf die Strategie, tausende KI-relevante Patente von einer KI schreiben zu lassen, hinterfragt werden. Denn spiegelbildlich zur Steigerung der Quantität ging es mit der Qualität des Patentportfolios nach unten:

Zuletzt hat Softbank verkündet, 20% der Mitarbeiter durch KI zu ersetzen. Son scheint sich sicher zu sein, das Qualitätsproblem des Outputs von AI-Agenten behoben zu haben.

Fazit: Patente sind gute Indikatoren für Innovation, den maßgeblichen Werttreiber von Unternehmen. Mit neuen statistischen Methoden und KI-Tools können M&A-Professionals Informationen aus Patentdatenbanken nutzen, um Prozesse schneller und besser zu machen. Ob relevante und neue Targets beim Deal Sourcing oder Risiko-Hinweise bei der Tech-DD: IP-Analysen können vom Kostenblock zum Wettbewerbsvorteil werden.

*Der Quant IP Quality Score quantifiziert die Qualität von patentierten Erfindungen in 3 Dimensionen: Juristische Stärke, technische Qualität und Produktrelevanz. Die proprietäre Methodik von Quant IP zur Qualitätsmessung ist technologieagnostisch. 

Gastautor

  • Lucas von Reuss