Insolvenz – Auswege aus der Krise oder Krise als Ausweg?

Kann ein Unternehmen über 10% seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht zahlen oder weist die Liquiditätsplanung eine entsprechende Unterdeckung in den nächsten 12 Monaten aus, wird der Insolvenzrechtler hellhörig. Es könnte der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung eingetreten sein – Gründe für einen Insolvenzantrag.
Krisenursachen
Hinter einer Krise stehen oft mehrere Ursachen, z.B. rückläufige Umsätze, externe Schocks, Gesellschafterstreitigkeiten oder Fehlentscheidungen. Die Liste ist lang und so bunt wie das Leben selbst.
Selbst die Insolvenz einer „Tochtergesellschaft“ kann andere Gruppengesellschaften „infizieren“. Denn der Insolvenzverwalter stellt möglicherweise zwischenbetriebliche Forderungen fällig, er zieht die Bürgschaften oder er erbringt Leistungen nur noch gegen Vorkasse. Derartige Veränderungen führen zu erheblichem Liquiditätsbedarf in der Gruppe.
Schlüssiges Sanierungskonzept
Eine reine Symptombekämpfung hilft hier nicht (mehr) weiter. Bereits vor einer akuten Bestandsgefährdung bedarf es eines schlüssigen und erfolgsversprechenden Sanierungskonzepts. Einigung besteht dahingehend, dass eine Sanierung regelmäßig nur gelingen kann, wenn man die „wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des Unternehmens in seinem Umfeld“ identifiziert, die Krisenursachen gezielt angeht und die zur Verfügung stehenden Mittel ressourcenschonend einsetzt.
Gelingt das nicht, zehrt die Krise nicht nur das Gesellschaftsvermögen, sondern unter Umständen auch das Vermögen des Gesellschafters auf. Ganz zu schweigen von einer möglichen Insolvenzverschleppungshaftung der Geschäftsleitung.
Gezielte Restrukturierungsmaßnahmen
Es stehen zahlreiche Bausteine zur Bewältigung einer Krise zur Verfügung, die – aufeinander abgestimmt – die Ertragsfähigkeit wiederherstellen können. Man unterscheidet:
Operative Maßnahmen: Optimierung von Prozessen, Kostenreduktionen.
Finanzielle Restrukturierung: Umschuldungen, Verhandlungen mit Gläubigern und externe Finanzierungsmaßnahmen.
Strategische Neuausrichtung
Nach der Identifikation geeigneter Maßnahmen müssen deren Auswirkungen errechnet und in der integrierten Sanierungsplanung berücksichtigt werden. Denn neben sofort wirksamen Optionen (wie etwa: Stundungen oder qualifizierten Rangrücktritte) geht es auch um mittelfristig umsetzbare Maßnahmen (z.B. Factoring, Sale-and-Lease-Back) sowie komplexere Prozesse (beispielsweise übertragende Sanierung oder ein Debt-Equity-Swap).
Instrumente zur Implementierung
Mit einer guten Planung lassen sich die Stakeholder (insb. Banken und Lieferanten) oftmals von der Notwendigkeit entsprechender Sanierungsbeiträge überzeugen. Gelingt das nicht, kann über (teil-)kollektive und/oder (teil-)gerichtliche Verfahren nachgedacht werden, mit denen das Konzept auch gegen den Willen einzelner Gläubiger(-gruppen) durchgesetzt werden kann, z.B.:
Regelinsolvenzverfahren: Sanierung oder Abwicklung unter der Aufsicht eines Insolvenzverwalters.
Eigenverwaltung: Das Unternehmen bleibt innerhalb des Insolvenzverfahrens unter der Kontrolle der Geschäftsführung, die durch Experten unterstützt und von einem sog. Sachwalter überwacht wird.
Schutzschirmverfahren: Eine besondere „Spielart“ der Eigenverwaltung, in der die Vorbereitung der Sanierung über einen Insolvenzplan erleichtert wird.
Insolvenzplanverfahren: Eine Abwandlung, in der in der Regel der Fortbestand des Betriebs über bestimmte Planregelungen gewährleistet werden soll.
StaRUG: Ein teilkollektives Verfahren, das grundsätzlich nur zum Zeitpunkt einer nur drohenden Zahlungsunfähigkeit möglich ist.
Distressed Disposal: Mehrheitsentscheidung nach Maßgabe der Regelungen eines bestehenden Intercreditor-Agreements.
Ausländische Sanierungsverfahren, wie das Scheme of Arrangement (UK), das WHOA (NL) oder ein Chapter 11-Verfahren (US).
Jedes dieser Instrumente hat dabei seine Vor- und Nachteile. Sie müssen unter Berücksichtigung der Unternehmenslage und Krisenursachen gegeneinander abgewogen werden.
Selbstbestimmt Handeln statt Abwarten
Mit diesem Werkzeugkasten sind Unternehmenskrisen herausfordernd, aber nicht unlösbar. Ein frühzeitiges Erkennen der Probleme und die Wahl der richtigen Maßnahmen können über die Zukunft und den Fortbestand des Betriebs entscheiden. Die Insolvenz ist deshalb nicht immer das Ende. Nicht selten ist sie das Instrument für einen Neustart.