HR-Risiken bei M&A-Transaktionen: Der Mensch im Fokus

Menschen bleiben nach wie vor das wichtigste Kapital in Unternehmen. Dennoch werden mitarbeiterbezogene Risiken in nur 44 % der Deals ausreichend berücksichtigt. Wie man das ändern kann, erfahren Sie im Beitrag. 

HR-Risiken bei M&A-Transaktionen: Der Mensch im Fokus

Von allen Ressourcen, die ein Unternehmen hat, bleiben Menschen nach wie vor das wichtigste Kapital. Dies wurde in den aktuellen Zeiten mit den Folgen der Pandemie, dem anhaltenden Fachkräftemangel und dem steigenden Zinsumfeld deutlicher denn je. Um in einem solch schwierigen Umfeld zu überleben, wenden sich viele Unternehmensleiter und Investoren Deals zu. Dabei birgt ein fehlender Fokus auf den Menschen hohe Risiken bei Unternehmenskäufen/-verkäufen und dem Übergang von Mitarbeitern (Englisch: Mergers & Acquisitions oder M&A).

In einer Umfrage durchgeführt von Mercer1   geben 47 Prozent der Befragten an, dass ein unzureichender Fokus auf menschliche Belange während eines Deals der Hauptgrund für das Scheitern oder die Verzögerung solcher Prozesse ist. In der Finanzmodellierung werden bezeichnenderweise nur in 44 % der Fälle die Personalrisiken ausreichend berücksichtigt.

Schon diese Zahlen zeigen ein drastisches Bild und verdeutlichen, dass die rechtzeitige Identifizierung von HR-Risiken sowohl bei der Kaufpreisfindung (z.B. Pensionsrisiken), als auch der nachfolgenden Integration (z.B. Synergie-Gewinnung und Retention) eine zentrale Rolle spielen sollte.

Mercer‘s Untersuchungen und ihre Erfahrung bei der Unterstützung von fast 1.400 Transaktionen pro Jahr deuten alle auf eine Sache hin: den Menschen im Fokus. Traditionell werden Mitarbeiter als Kostenfaktor betrachtet, und daher wird der Wert, den sie in ein Geschäft einbringen, auch auf der Kostenseite verbucht. Was dabei übersehen wird, ist, dass die Mitarbeiter das Vehikel für den Umsatz sind. Das richtige Führungsteam, die richtigen Fähigkeiten und das richtige Verständnis der Unternehmensziele sind Faktoren, die den Wert eines Geschäfts steigern. Dennoch werden diese Aspekte in Deals häufig vernachlässigt.

Die HR-Risiken sind hoch

Die Komplexität von Deals und der Erfolgsdruck steigt, dennoch bleiben HR-Risiken oft weitestgehend unberücksichtigt. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass im Durchschnitt fast die Hälfte der Deals scheitern. Die Hauptgründe sind mit durchschnittlich 47 % in erster Linie mitarbeiterbezogene Risiken (z.B. Retention von erfolgskritischen Mitarbeitern).

Es ist viel zu häufig der Fall, dass Personalthemen wie Führung, Kultur etc. nicht priorisiert werden und auch kein Teil der Due-Diligence-Prüfung sind. Oft hat das weitreichende Konsequenzen für den Deal. Auswirkungen sind bspw. die Anpassung des ursprünglichen Integrationsplans oder die Verfehlung der Finanzziele.

Was könnten Prioritäten für die Personalstrategie bei Deals sein?

In jeder Transaktion ist die Due Diligence die ideale Phase, um Risiken für die Belegschaft zu berücksichtigen. Dessen ungeachtet geben Befragte an, dass Personalfragen erst später, während der Verhandlungen einbezogen werden. Bei sogenannten "Red-Flag"-Statements, die das Vorhandensein von ungelösten Risiken in einem Geschäft signalisieren werde personelle Risiken vergeblich gesucht.

Wie bei steuerlichen und regulatorischen Themen wäre es jedoch am besten, menschliche Aspekte von Anfang an Priorität einzuräumen. Der Einfluss, den die Mitarbeiter auf Umsatz- und Kostensynergien haben sollten in Annahmen artikuliert werden. Die Befragten nennen die folgenden Fokusthemen als besonders relevant:

1. Ausrichtung der Führung

2. Ausrichtung der Unternehmenskultur

3. Bindung von Schlüsselmitarbeitern

4. Langfristige HR-Verbindlichkeiten

Fazit für einen erfolgreichen Deal

Deals werden durchgeführt, um Werte in Form von Umsatz- und Kostensynergien zu schaffen. Die Struktur und Form der Deals kann variieren, aber die Quintessenz ist die Wertschöpfung. Diese Wertschöpfung wird gefährdet, wenn wichtige menschliche Aspekte nicht strategisch und proaktiv von Beginn an berücksichtigt werden.

Ein häufiger Fehler, den wir bei Führungskräften beobachten, besteht darin, Mitarbeiter nur unter dem Aspekt der Kostensynergie und der Mitarbeiterzahl zu betrachten, anstatt ihre Rolle bei der Erzielung von Umsatzwachstum und Geschäftsstrategie zu berücksichtigen. Eine umfassende Change-Management-Roadmap sollte die Fähigkeiten und Talente aufzeigen, die auf dem Weg dorthin benötigt werden. Sie sollten so transparent wie möglich darlegen, dass bestimmte Stellen oder Fähigkeiten während der Transaktion benötigt werden, und den Plan für diese Mitarbeiter und Fähigkeiten mitteilen.

Es ist wichtig, mit Empathie zu führen und alle Parteien mit größtmöglicher Dankbarkeit und Respekt zu behandeln - sowohl für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz behalten werden, als auch für diejenigen, die ihn nicht behalten werden. Ein schlechter Akquisitions- und Integrationsprozess kann dazu führen, dass Mitarbeiter außerhalb der Organisation einen Neuanfang suchen.

Eine gemeinsame Vision und ein gemeinsames Wertversprechen zu haben, erfordert eine Änderung der Art und Weise, wie Sie denken, zusammenarbeiten, in Mitarbeiter investieren und die Geschichte erzählen. "Wer wir als neue Organisation sind" muss früh und oft von den obersten Führungskräften kommen und strategisch von allen Führungsebenen kaskadiert werden.

Bei den erfolgreichsten Akquisitionen behält die kombinierte Organisation die Fähigkeiten, die in den "kritischen Talenten" der beiden Organisationen stecken. Während die neue Organisation eine einzigartige Identität entwickelt, ermöglicht eine transparente Kommunikation über die Zukunft den kritischen Talenten, sich zu entfalten. Die Gewährleistung von Sicherheit für die kritischen Talente durch die Offenlegung der Herausforderungen, Risiken und der Zukunft wird das entscheidende Element für den Erfolg der neu kombinierten Organisation sein.

Fußnote

1 Befragt wurden 750 erfahrene Deal-Profis aus Fortune 1000-Unternehmen oder Private-Equity-Firmen. Siebenundsechzig Prozent der Befragten waren auf Führungsebene oder höher, mit Titeln einschließlich, aber nicht beschränkt auf, CEO, Gründer, CFO, COO, SVP und Vorstandsvorsitzende. Die Befragten hatten unterschiedliche Erfahrungen, darunter Deal Advisors, Geschäftsentwickler, Investmentbanker, Unternehmensberater, Anwälte, Strategen, Personalfachleute und Betriebsfachleute.

Gastautoren

Jennifer Will
Jennifer Will
HR M&A Value Creator
Mercer Deutschland GmbH

Jeremias Lauterbach
Jeremias Lauterbach
Leader Multinational Client Segment
and Commercial Leader
Mercer Deutschland GmbH

Thomas Bouchez
Thomas Bouchez
Partner, Europe M&A
Mercer Deutschland GmbH

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