Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung

Restrukturierung als komplexe Herausforderung mit vielen Beteiligten - wie externe Experten in Sondersituationen helfen können

Aktuell kämpfen Unternehmen mit vielen Herausforderungen, wie Energiepreise, Lieferstabilität, Inflation, Chipmangel, Zinserhöhung, Fachkräftemangel, etc., die gerade durch das gleichzeitige Auftreten, zu Restrukturierungen führen können. Restrukturierungen stellen für Unternehmen in der Regel eine Sondersituation dar, die zudem komplex ist und nur in zwei von drei Fällen einen Nettonutzen bringt. Die Fokussierung auf die wesentlichen Faktoren in der Sondersituation „Restrukturierung“ erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit.

Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung

Aktuell sehen sich Unternehmen mit vielen Herausforderungen und Unwägbarkeiten konfrontiert. Jede Einzelne davon – aber besonders deren gleichzeitiges Auftreten – hat das Potenzial Unternehmen in eine existenzbedrohende Krise zu führen.

Demzufolge liegt es nahe, dass diese Risiken – Energiepreise, Lieferstabilität, Inflation, Chipmangel, Zinserhöhung, Fachkräftemangel – in absehbarer Zukunft verstärkt Restrukturierungen notwendig machen können.

Laut einer Analyse des Harvard Business Review*   führen nur zwei Drittel aller Restrukturierungen zum Erfolg. Dementsprechend stellt sich die Frage nach Erfolgsfaktoren, um eben diesen sicherzustellen zu können.

Im Rahmen einer aktuellen Studie haben wir zwei Schlüsselspieler in einer Restrukturierung – die Finanzierer und die Chief Restructuring Officer (CRO) - nach ihrer Sicht auf die Erfolgsfaktoren befragt und mit ihnen unsere Erfahrungen gespiegelt. Beide Zielgruppen wurden im Rahmen der Studie zweimal befragt, im Jahr vor der Pandemie und aktuell im März 2023.

Im Ergebnis waren sich beide Gruppen einig über die verschiedenen Erfolgsfaktoren. Allerdings unterscheiden sich beide Gruppen in einigen Details, was sich unter anderen mit den verschiedenen Perspektiven erklären lässt: Die Finanzierer setzen aus ihrer Außenperspektive andere Akzente als die CRO mit ihrer Innenperspektive aus dem Unternehmen heraus.

Krisenbedingte Restrukturierungen – Balance zwischen verschiedenen Interessenslagen

Für Restrukturierungspraktiker ist die vorherrschende Meinung, dass Restrukturierungen oft nur bedingt erfolgreich sind, wenig überraschend: Sie sind in der Regel komplexe Vorhaben, in denen multiple Initiativen mit erheblichen Auswirkungen und Rückkopplungen an unterschiedlichsten Stellen und Ebenen bestmöglich abgewogen, priorisiert und im besten Fall parallel erfolgreich umgesetzt werden müssen.

Zudem sind mehrere Akteure, sogenannte Stakeholder, mit zum Teil unterschiedlichen, manchmal deutlich divergierenden Interessen direkt oder indirekt beteiligt:

• Arbeitnehmer und Management sind am Fortbestand des Unternehmens interessiert, am besten mit möglichst geringen, eigenen finanziellen oder arbeitszeitlichen Beiträgen zur Restrukturierung.
• Gesellschafter sind am Erhalt ihres eingesetzten Kapitals interessiert.
• Der Fokus der Finanzierer liegt in der Sicherstellung der Rückführung der zur Verfügung gestellten Finanzmittel und dem Werterhalt der übertragenen Sicherheiten.
• Lieferanten haben Interesse am Fortbestand der Lieferbeziehungen und der (vollständigen) Begleichung offener Forderungen.
• Kunden wollen ihre Belieferung zu möglichst niedrigen Preisen sicherstellen.
• Potentielle neue Investoren/Gesellschafter suchen nach einem niedrigen Preis bei wenigen, kalkulierbaren Risiken.

Der Chief Restructuring Officer – Kapitän auf rauer See

Da Restrukturierungen ein umfassendes Skill Set an zwischenmenschlichen, fachlichen und methodischen Führungsfähigkeiten bedürfen, ist es besonders in kritischen Situationen sinnvoll, zusätzlich zum aktuellen Management einen erfahrenen Chief Restructuring Officer zu engagieren.

CRO übernehmen die unternehmensweite Leitung der Restrukturierung mit Handlungsvollmacht, zum Teil sogar in Organfunktion. Hierbei entlastet der CRO das bestehende Management, übernimmt die Verantwortung für die Restrukturierung und bringt dabei seine langjährige Erfahrung im „Handwerk” zur kurzfristigen Liquiditäts- und Kostenoptimierung bei gleichzeitig langfristiger Neuausrichtung des Unternehmens ein. CRO können aufgrund ihrer umfassenden Erfahrung und der neutralen Stellung innerhalb des Unternehmens oftmals auch die weniger populäre „Durchgreifer”-Rolle einnehmen, insbesondere wenn den aktuellen Führungskräften aufgrund der unpopulären Maßnahmen Beeinträchtigungen in der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern für die Zukunft drohen.

Der CRO befindet sich hierbei in einer Sonderstellung: Beauftragt vom Unternehmen ist er per definitionem dem Unternehmen verpflichtet; in den meisten Fällen deckungsgleich mit den Interessen der Gesellschafter. Gleichzeitig werden CRO sehr oft auf Empfehlung/Druck der Finanzierer eingesetzt, die damit eine Erwartungshaltung, ihre Interessen, an die Rolle des CRO verbinden. In der Regel wird der CRO diese Erwartungen bedienen wollen, da er auch in zukünftigen Fällen von den Finanzierern empfohlen werden will.

Aufgrund dieser Zwischenposition des CRO können in der Restrukturierungspraxis Interessenskonflikte auftreten. Dieser Konflikt wird sichtbar, falls ein oder sogar beide Stakeholder sich in den Aktionen des CRO nicht mehr wiederfinden. Im Extremfall kann eine solche Situation die Restrukturierung verzögern oder sogar gefährden. Damit verkehrt sich die Intention einen CRO als Katalysator einzusetzen ins Gegenteil.

Die Ergebnisse unserer Studie verdeutlichen zudem, dass – neben schnell greifenden Restrukturierungsmaßnahmen – vor allem auch aktives Liquiditätsmanagement, ganzheitliches Stakeholder-Management und transparente und ehrliche Kommunikation essenziell für eine erfolgreiche Restrukturierung sind. Hier sollte der CRO bei Bedarf durch weitere externe Experten unterstützt werden.

Schnell greifende Maßnahmen - Externe Fach-Expertise bringt den Erfolg

Eine Restrukturierung bedeutet immer die aktive Veränderung des Unternehmens vom Ist-Zustand hin zu einem definierten Soll-Zustand. Diese Transformation wird durch ein Bündel von Maßnahmen und Initiativen erreicht.

Eine solche Transformation ist für die allermeisten Unternehmen ungewöhnlich, womit die notwendige Erfahrung für eine solche Aufgabe fehlt. Hinzu kommt, dass in einer Restrukturierungssituation Liquidität und Zeit knapp sind und häufig „Speed over Perfection“ gilt.

Daher favorisieren auch die Finanzierer mehrheitlich für dieses Kern-Element der Restrukturierung das Hinzuziehen weiterer externer Experten neben dem CRO in erfolgskritischen Bereichen.

Es ist ratsam, funktionale Experten einzubinden, die in der Lage sind, Konzepterstellung, Detaillierung und Umsetzung kombiniert mit entsprechender Erfahrung in Sondersituationen zu treiben und zu begleiten.

Weitere Vorteile der Einbindung von Fach-Experten sind:

- zusätzliche Management-Kapazität, denn Maßnahmenentwicklung, -implementierung und -umsetzung muss neben dem Tagesgeschäft erfolgen und
- weitere Reduktion des beschriebenen Interessenkonfliktes des CRO, da mit dem oder den Fach-Experten eine weitere faktenbasierte Vermittlungsebene zur Verfügung steht.

Vor der Definition des anzustrebenden Soll-Zustandes und der Entwicklung der Maßnahmen sind umfangreiche Analysen durchzuführen; von der Analyse der Krisenursachen über das Produktportfolio bis hin zur Analyse der Mitarbeiter. Auch wenn Finanzierer aus ihrer Außenperspektive heraus ihren Fokus auf Analysen wie Strategie, Working Capital und ähnlichem haben und wenig Interesse an operativen Analysen, so sind auch diese von großer Bedeutung, um ein umfassendes Bild vom Unternehmen und der Krisensituation zu bekommen.

Aktives Liquiditätsmanagement – Cash is King

Mit mathematischer Logik ausgedrückt: Die Durchfinanzierung des Unternehmens einschließlich aller Maßnahmen bis zum Ende der Restrukturierung ist die notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Restrukturierung.

Daraus ergeben sich gewisse Anforderungen hinsichtlich der Liquiditätsplanung und dem Reporting an die Finanzierer, die vom Unternehmen zu berücksichtigen sind, aber nicht zwangsläufig von allen CRO in ausreichendem Maße automatisch geliefert werden.

Aufgrund der Bedeutung der Finanzierer für die Restrukturierung muss dem Bedürfnis der Finanzierer nach einer nachweislich verlässlichen Liquiditätsplanung, ggf. mit externer Hilfe, entsprochen werden.

Neben der Durchfinanzierung sind die Finanzierer stark auf die Analyse und Optimierung der Strategie fokussiert. Den Finanzierern muss damit zu Beginn einer Restrukturierung dargelegt werden, dass das Ziel der Restrukturierung sinnvoll, möglich und mit den geplanten Maßnahmen erreichbar ist.

Der eingangs beschriebene Interessenskonflikt des CRO tritt häufig in der Planung zu Tage, wenn Finanzierer und Management unterschiedliche Auffassung hinsichtlich der Restrukturierungsstrategie haben (z.B. Restrukturierung durch Kostensenkung vs. Restrukturierung durch Wachstum). In dieser Situation kann der Konflikt durch einen externen Experten als neutrale, faktenbasierte Instanz moderiert werden und damit auch den Interessenskonflikt des CRO lösen.

Ganzheitliches Stakeholder-Management - Alle Beteiligte müssen an Bord, nicht nur die Gläubiger

Erfahrungsgemäß könnte jeder Stakeholder eine Restrukturierung verhindern oder zumindest verzögern. Daher müssen alle Stakeholder die Restrukturierung unterstützen, egal ob Gesellschafter, Mitarbeiter, (Top-)Management, Finanzierer und ggf. die Haupt-Kunden.

Insbesondere bei Restrukturierungen im Krisenfall ist eine Einigung auf ein Restrukturierungskonzept, welches auch die Beiträge der Stakeholder definiert, oft nur nach vielen intensiven Verhandlungsrunden der Stakeholder zu erreichen. Verhandlungsparteien sind in der Regel das Unternehmen und die Mitarbeiter bzw. der Betriebsrat sowie das Unternehmen mit den Gesellschaftern und die Finanzierer. Vielfach kommen auch noch potenzielle neue Gesellschafter und/oder Finanzierer ins Spiel. In bestimmten Branchen, wie z.B. der Automobilzulieferindustrie, kommen weiterhin noch die Haupt-Kunden als Verhandlungspartei hinzu. Die Kunden sind dann oftmals nicht nur Verhandlungspartner des Unternehmens, sondern auch der Finanzierer und potenzieller neuer Investoren.

Der CRO oder ein externer Restrukturierungsexperte hat in diesen Verhandlungen die Aufgabe, die Interessen der Stakeholder zu moderieren und die Verhandlungen zu einem Erfolg zu führen.

Neben der frühzeitigen Einbindung der Stakeholder ist es essentiell, dass kein Stakeholder vergessen wird. So gehören zu den Finanzierern in der Regel nicht nur die Hausbanken, sondern auch Warenkreditversicherer, Leasinggesellschaften, Bürgschaftsbanken, etc.

Transparente und ehrliche Kommunikation – Regelmäßiges und adressatengerechtes Reporting als Mittel der Wahl zur Stakeholder-Einbindung

Das primäre Mittel, die Stakeholder einzubinden ist ein Kommunikationskonzept, dass die regelmäßige Kommunikation mit beinahe allen Stakeholdern gewährleistet. Dabei ist es unerlässlich, dass die Kommunikation transparent und ehrlich ist – hierbei sind der CRO und das Top-Management in der Pflicht.

Die initiale Kommunikation muss das „Was“ und „Warum“ als auch das „Wie“ der Veränderung enthalten. In der Praxis hat es sich bewährt, die Restrukturierung mit ein paar schnellen, sichtbaren Erfolgen zu beginnen, um in der Kommunikation mit den ersten Fortschrittsberichten Veränderungen sofort transparent zu machen und ein positives Momentum zu erzeugen.

In den speziellen Situationen, in denen eine Kommunikation mit der Öffentlichkeit erforderlich ist, sollte zudem ein spezialisierter Berater hinzugezogen werden.

Für die Kommunikation mit den Finanzierern gilt es, ein regelmäßiges, speziell zugeschnittenes Reporting aufzusetzen. Hierbei sind neben dem Thema Liquiditätsplanung / -tracking auch die Inhalte und Intervalle des Reportings frühzeitig zu klären.

Erfolgswahrscheinlichkeit wirksam steigern

Aktive Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Finanzierer und gezielte Unterstützung durch externe Experten

Für eine erfolgreiche Restrukturierung müssen alle Erfolgsfaktoren – Liquidität, Maßnahmen, Stakeholder, Kommunikation – gleichzeitig und mit höchster Priorität berücksichtigt werden. Die verschiedenen Aspekte dieser Faktoren sind ausnahmslos bedeutend bis erfolgskritisch.

Durch die Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Finanzierer in einer Restrukturierung können Unternehmen mögliche Konflikte im Verlauf der Restrukturierung vermeiden und somit die Erfolgswahrscheinlichkeit und die Restrukturierungsgeschwindigkeit erhöhen, da nicht „nachgebessert“ werden muss.

Für den CRO und das Unternehmen ergibt sich die Möglichkeit, durch die frühzeitige Einbindung von externer und „neutraler“ fachlicher Hilfe zu verschiedenen Themen ihre Position zu verbessern und der Gefahr eines Interessenkonfliktes zu begegnen:

Für den CRO und das Unternehmen ergibt sich die Möglichkeit, durch die frühzeitige Einbindung von externer und neutraler fachlicher Hilfe zu verschiedenen Themen ihre Position zu verbessern:

Durch die Bedienung der Erwartungshaltung der Finanzierer hinsichtlich externer Hilfe, zum Beispiel bei der Liquiditätsplanung und Maßnahmenentwicklung/-umsetzung, werden potenzielle inhaltliche und fachliche Konflikte vermieden. Zusätzlich kann ein externer unabhängiger Experte auftretende Interessenskonflikte zwischen den Stakeholdern neutral und auf Faktenbasis moderieren.

Die komplette Studie „Erfolgsfaktoren in der Restrukturierung – Finanzierer vs. Chief Restructuring Officers“ steht auf unserer Homepage als Download ab Mitte April 2023 zur Verfügung.

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Fußnoten

*Datenbank Harvard Business Review zu krisenbedingten Reorganisationen: 8% erreichen alle Ziele innerhalb der geplanten Zeit, 19% schaden dem Unternehmen, 67% bringen einen Nettonutzen.

Gastautoren

Dr. Philipp Kinzler

Dr. Philipp Kinzler
Partner | Financial Advisory Turnaround & Restructuring
Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

 

Stephan Schulz

Stephan Schulz
Director | Dipl. Wirt.-Ing. | Turnaround & Restructuring
Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

 

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