Der Gesellschaftsvertrag und die Unternehmensnachfolge

Die vorausschauende Gestaltung des Gesellschaftsvertrags als wichtige Voraussetzung bei Unternehmensnachfolgen. Ein Überblick von BRL Experte Dr. Daniel Mundhenke.

Der Gesellschaftsvertrag und die Unternehmensnachfolge

Vorbemerkung

Bei der Gründung oder Übernahme eines Unternehmens stehen häufig zunächst finanzielle oder betriebliche Themen im Vordergrund. Vertragsrechtliche Themen, insbesondere die vorausschauende Gestaltung des Gesellschaftsvertrags, geraten hierbei mitunter ins Hintertreffen. Im weiteren Verlauf der Unternehmertätigkeit wird ein diesbezüglicher Handlungsbedarf oftmals nicht erkannt oder eine spätere Vertragsanpassung steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Mitgesellschaftern. Die Bedeutung einer auf die Bedürfnisse des Unternehmers abgestimmten (gesellschafts-)rechtlichen Gestaltung einschließlich der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags wird häufig unterschätzt und als „Standard“ abgetan. Die (negativen) Folgen zeigen sich dann oftmals später, wenn aus tatsächlichen Gründen akuter Handlungsbedarf entsteht. Im „worst case“ ist es dann für die Gestaltung der erforderlichen Regelung zu spät.

Die Konstellationen und Gestaltungsoptionen sind sehr vielgestaltig, sodass hier lediglich anhand einiger Beispiele für die Thematik sensibilisiert werden soll. Im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge sind beispielsweise die Regelungen zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen bzw. Nachfolge in die Gesellschaftsanteile des Unternehmers von besonderer Bedeutung, z.B. Regelungen zur Übertragung auf seine Nachfolger zu Lebzeiten oder zur Nachfolge im Todesfall des Unternehmers. Besondere Relevanz kommt diesen Themen bei inhabergeführten Gesellschaften bzw. Familiengesellschaften zu.

In Bezug auf die Übertragung von Gesellschaftsanteilen stellt sich stets die (je nach Gesellschaftsform mitunter unterschiedlich zu beantwortende) Frage, ob bzw. wie die beabsichtigte Nachfolgeplanung auf Basis des bestehenden Gesellschaftsvertrages wirksam durchführbar ist und welche Konsequenzen andernfalls drohen.

Übertragung zu Lebzeiten

Die Übertragung der Gesellschaftsanteile zu Lebzeiten auf einen oder mehrere auserkorene Nachfolger stellt regelmäßig rechtlich dann kein Problem dar, wenn der übertragende Unternehmer Alleingesellschafter einer GmbH ist. Nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag ggf. bestehende Zustimmungserfordernisse der Gesellschafterversammlung oder der Mitgesellschafter oder sonstige satzungsmäßige Anforderungen oder Rechte der Gesellschafter stellen insoweit keine Hürde dar, da der übertragende Unternehmer als Alleingesellschafter die erforderlichen Zustimmungen erteilen bzw. den Gesellschaftsvertrag nach Wunsch anpassen kann.

Anders verhält es sich, wenn der übertragende Unternehmer nicht Alleingesellschafter ist und nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag auf die Zustimmung der Mitgesellschafter zur Übertragung angewiesen ist. So bedarf bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sowie bei Personengesellschaften, z.B. der offenen Handelsgesellschaft (oHG), Kommanditgesellschaft (KG) sowie GmbH & Co. KG, vorbehaltlich einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelung, die Übertragung von Gesellschaftsanteilen stets der Zustimmung sämtlicher weiterer Gesellschafter. Das GmbH-Gesetz sieht für die GmbH im Grundsatz keinen Zustimmungsvorbehalt zugunsten der weiteren Gesellschafter vor, allerdings ist ein solcher regelmäßig in der Satzung geregelt (sog. Vinkulierungsklausel). Zudem ist im Einzelfall zu prüfen, ob den Mitgesellschaftern gemäß Gesellschaftsvertrag oder einer ggf. darüber hinaus bestehenden Gesellschaftervereinbarung im Zusammenhang mit der beabsichtigten Übertragung der Gesellschaftsanteile sonstige Rechte wie z.B. ein Vorerwerbs- oder Mitveräußerungsrecht zustehen. In solchen Konstellationen kann dem übertragungswilligen Unternehmer die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf den oder die gewünschten Nachfolger erschwert, von Bedingungen abhängig gemacht oder sogar gänzlich vereitelt werden.

Bei einer Mehrpersonen-Gesellschaft sollte daher stets in einem frühzeitigen Stadium dafür Sorge getragen werden, dass der Gesellschaftsvertrag (ggf. neben einer zugleich bestehenden Gesellschaftervereinbarung) zukünftige Nachfolgeregelungen ermöglicht, ohne dass diese durch Mitgesellschafter erschwert oder gar verhindert werden können. Die Mitgesellschafter werden regelmäßig gleiches Recht für sich beanspruchen wollen, so dass sorgfältig abzuwägen ist, ob und wie weitgehend die Gesellschafter einander die freie Übertragbarkeit ermöglichen wollen.

Übertragung im Todesfall

Noch diffiziler wird der Prüf- und Regelungsbedarf regelmäßig, wenn es um die Nachfolge in die Gesellschaftsbeteiligung von Todes wegen geht, also die Frage, wer in die Gesellschafterstellung des verstorbenen Gesellschafters folgt.

Zunächst bestehen auch hier im Rahmen der gesetzlichen Regelungen Unterschiede zwischen den Rechtsformen (z.B. GbR, oHG, KG, GmbH). Soweit nichts Anderweitiges durch Gesellschaftsvertrag geregelt ist,

• führt der Tod eines Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach noch gültiger Rechtslage zu deren Auflösung (Modifikationen erfolgen durch das MoPeG ab dem 1. Januar 2024 und werden hier nicht näher dargestellt),

• scheidet der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (oHG) mit seinem Tod aus der Gesellschaft aus; die Erben erhalten statt der Gesellschaftsbeteiligung grundsätzlich – soweit nicht gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen - eine Abfindung,

• scheidet der persönlich haftende Gesellschafter (Komplementär) einer Kommanditgesellschaft (KG) mit seinem Tod aus der Gesellschaft aus; sofern nicht ein weiterer Komplementär der Gesellschaft existiert oder bestellt wird, wird die Gesellschaft aufgelöst. Demgegenüber geht der Kommanditanteil eines verstorbenen Kommanditisten (anteilig) auf seine Erben über,

• geht der GmbH-Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters auf seine Erben (in Erbengemeinschaft) über.

Von den vorstehend skizzierten gesetzlichen Regelungen kann in weitgehendem Umfang durch den Gesellschaftsvertrag abgewichen werden, sodass sich der bzw. die Gesellschafter sorgfältig überlegen sollten, ob eine Nachfolge (unter Fortführung der Gesellschaft) überhaupt möglich sein soll (soweit nicht ohnehin bereits gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich vorgesehen) und wer im Falle des Todes eines Gesellschafters in die Gesellschafterstellung nachfolgen können soll. Die gemäß Gesellschaftsvertrag nachfolgeberechtigten Personen können durch den Gesellschaftsvertrag geregelt werden. Denkbar ist beispielsweise eine Regelung, wonach die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters (soweit nicht von Gesetzes wegen ohnehin der Fall) fortgeführt wird. Weiter kann u.a. geregelt werden, dass nur die Erben (bzw. Vermächtnisnehmer) des verstorbenen Gesellschafters, die bestimmte, gesellschaftsvertraglich näher geregelte Voraussetzungen erfüllen (z.B. nur „leibliche Abkömmlinge“), nachfolgeberechtigt sind.

Erfüllt bei einer Personengesellschaft kein Erbe die Voraussetzungen der gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeberechtigung, scheidet der Gesellschafter mit seinem Tod regelmäßig aus der Gesellschaft aus, wohingegen seine Erben üblicherweise eine Abfindung erhalten. Erfüllt nur einer oder einzelne der Erben die Voraussetzungen der Nachfolgeberechtigung, findet häufig eine gesellschaftsvertragliche Regelung Anwendung, wonach diese dem verstorbenen Gesellschafter in einem solchen Fall (anteilig) unmittelbar zum Todeszeitpunkt nachfolgen, während die übrigen Erben keine Beteiligung an der Gesellschaft erhalten (und üblicherweise dann auch keine Abfindung). Die Details sind abhängig von der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung im Einzelfall.

Demgegenüber treten bei einer GmbH alle Erben zunächst (ungeteilt in Erbengemeinschaft) in die Gesellschafterstellung ein. Erfüllen sie oder einer von ihnen die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen der Nachfolgeberechtigung nicht, kann die Satzung der GmbH z.B. den übrigen Gesellschaftern das Recht gewähren, die betroffenen Geschäftsanteile des verstorbenen Gesellschafters binnen einer Übergangszeit nach Kenntnis vom Tod des Gesellschafters – und ggf. vorbehaltlich sonstiger geregelter Voraussetzungen (z.B. nicht fristgemäße Weiterübertragung der betreffenden Geschäftsanteile durch die Erben auf den oder die „nachfolgeberechtigten“ Erben - durch Gesellschafterbeschluss einzuziehen. Die auf den durch Gesellschafterbeschluss ausgeschlossenen Gesellschafter entfallende Unternehmensbeteiligung geht in diesem Fall üblicherweise wirtschaftlich auf die verbleibenden Gesellschafter über. Details hängen auch hier von den gesellschaftsvertraglichen Regelungen im Einzelfall ab. Die ausscheidenden Gesellschafter erhalten regelmäßig eine Abfindung nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages, sofern eine solche nicht durch Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen ist.

Folgen einzelne Erben dem verstorbenen Gesellschafter nach (da sie die Voraussetzungen der Nachfolgeberechtigung erfüllen), andere Erben hingegen nicht (regelmäßig ohne Erhalt einer Abfindung), hat dies mitunter zugleich Auswirkungen auf die Erbauseinandersetzung und kann zu etwaigen Ausgleichsansprüchen der Erben untereinander führen. Des Weiteren sind bei der Gestaltung zudem etwaige gesetzliche Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht (hinreichend) bedachter gesetzlicher Erben in die Überlegungen einzubeziehen. Insbesondere in Konstellationen, in denen das Unternehmen den Großteil des Vermögens des Erblassers darstellt, kann sich in hohem Maße die Frage stellen, wie der finanzielle Ausgleich unter den Erben bzw. Pflichtteilsberechtigten erfolgen kann, ohne die Substanz des Unternehmens anzugreifen. Die Fallgestaltungen und Gestaltungsoptionen sind vielfältig und bedürfen stets einer eingehenden Prüfung und Würdigung im Einzelfall.

Der Unternehmer sollte daher für den Fall seines (insbesondere unvorhersehbaren frühen) Ablebens bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages ein besonderes Augenmerk auf die Nachfolgeregelungen legen, die im Falle seines Versterbens Anwendung finden. Die Beratung zu diesen komplexen und vielschichtigen Fragestellungen, die neben gesellschaftsrechtlichen insbesondere auch erbrechtliche Aspekte und Gestaltungsoptionen (neben der Erbeinsetzung z.B. die Einräumung von Vermächtnissen, Regelung einer Teilungsanordnung, etc.) zu berücksichtigen hat, ist dringend anzuraten. Hierbei sollten immer die erbrechtlichen Gestaltungen auf die gesellschaftsrechtlichen Regelungen abgestimmt werden, so dass eine funktionierende ganzheitliche Lösung ermöglicht wird und die gewünschte Erbfolge nicht (unwissentlich) beeinträchtigt wird. Zu vermeiden ist etwa ein Testament, in dem der Unternehmer Erben in der Erwartung der gleichberechtigten Beteiligung an dem Unternehmen einsetzt, diese aber ggf. nicht oder nicht allesamt die gesellschaftsvertraglichen Anforderungen an im Todesfall nachfolgeberechtigte Personen erfüllen und daher im Ergebnis nicht in die Gesellschafterstellung des Erblassers (entsprechend ihrer Erbquote) einrücken bzw. bei einer GmbH die Geschäftsanteile des verstorbenen Gesellschafters von den übrigen Gesellschaftern insgesamt eingezogen werden können. Sieht der Gesellschaftsvertrag z.B. nur leibliche Abkömmlinge als Nachfolger von Todes wegen vor, würden der Ehegatte oder z.B. Adoptivkinder bei einer Personengesellschaft nicht in die Gesellschafterstellung einrücken oder könnten bei einer GmbH die Geschäftsanteile des verstorbenen Gesellschafters durch die übrigen Gesellschafter je nach konkreter gesellschaftsvertraglicher Regelung ggf. durch Gesellschafterbeschluss eingezogen werden, selbst wenn alle Erben auf Basis der einschlägigen erbrechtlichen Regelungen (Gesetz, Testament oder Erbvertrag) nach Wunsch des verstorbenen Gesellschafters (gleichberechtigt) in seine Gesellschafterstellung hätten einrücken sollen. Eine frühzeitige Abstimmung der gesellschaftsvertraglichen mit den erbrechtlichen Regelungen sollte die Voraussetzungen schaffen, die später die Umsetzung der gewünschten Nachfolgeregelung ermöglicht.

Handlungsempfehlung

Bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages (sowie ggf. darüber hinaus gehender Gesellschaftervereinbarungen) sind frühzeitig die später möglichen Nachfolgekonstellationen zu Lebzeiten sowie für den Todesfall zu bedenken und so zu regeln, dass die beabsichtigte Nachfolge ohne weiteres umgesetzt werden kann. So lassen sich später langwierige und eventuell erfolglose Verhandlungen über die Aufnahme oder Änderung solcher Regelungen mit dem Mitgesellschafter ersparen und zudem für den Fall des (jederzeit möglichen) Versterbens des Gesellschafters die gewünschten Weichen stellen. Hierbei sind die erbrechtlichen Regelungen stets zu beachten und in die Überlegungen einzubeziehen.

Bei der Gestaltung letztwilliger Verfügungen (Testament oder Erbvertrag) ist die bei Widerspruch gegenüber den erbrechtlichen Regelungen vorrangige gesellschaftsrechtliche Regelung stets zu berücksichtigen, um einen Einklang und Zusammenspiel der gesellschaftsvertraglichen und erbrechtlichen Regelungen zu bewirken und so im Todesfall die gewünschte Nachfolgekonstellation zu erreichen.

Bei alledem sind nicht zuletzt stets auch steuerrechtliche Aspekte zu berücksichtigen, so dass eine frühzeitige umfassende Beratung zu diesem Themenkomplex anzuraten ist.

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Disclaimer
Die in diesem Beitrag enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und nicht auf die spezielle Situation einer Einzelperson oder juristischen Person ausgerichtet. Sie dienen lediglich der allgemeinen Information und begründen keine Beratung oder andere Form der rechtsverbindlichen Auskunft. BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN übernimmt keine Gewährleistung sowie Haftung für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Inhalte dieses Beitrags sowie für ein Handeln oder Unterlassen, das auf Informationen aus diesem Beitrag gestützt wird. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an: info@BRL.de.

Autor

Daniel Mundhenke

Dr. Daniel Mundhenke, LL.M.
Rechtsanwalt, Mediator, Partner
BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN

 

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