Der Markt der notleidenden Firmen boomt

Asiaten wetteifern zunehmend auch um daniederliegende Firmen aus Deutschland. Die Niedrigzinsphase erhöht den Druck im Markt.

Wenn Firmen in eine existenzielle Krise geraten, wenn gar die Insolvenz droht, dann muss das Unternehmen nicht zwangsläufig vom Markt verschwinden. Ganz im Gegenteil: Gerade um Betriebe mit einem robusten Geschäftsmodell konkurrieren Investoren immer heftiger. Dies ist eines der Ergebnisse der sogenannten „Distressed M&A-Studie 2017“, die die Unternehmensberatung Roland Berger erstellt hat. Die Untersuchung basiert auf einer Befragung von 200 Experten, die zum größten Teil aus dem Lager der Gläubiger, etwa der Unternehmensfinanzierung und der Insolvenzverwalter, stammen.

Die erhöhte Nachfrage begründen die Experten mit einem günstigen Finanzierungsumfeld und verstärktem Interesse ausländischer Investoren, vor allem aus dem asiatischen Raum. Die befragten Entscheider taxieren das Interesse von asiatischen Investoren dieses Jahr an dem Distressed-Markt mit 82 Prozent am höchsten ein. Deutlich dahinter rangieren nordamerikanische Investoren mit 32 Prozent, europäische Investoren mit 31 Prozent. Deutlich dahinter der Mittlere Osten mit geschätzten 23 Prozent.

Bei den Branchen liegen die Autoindustrie und der Konsumgütersektor ganz vorne. Dieses Jahr erwarten 61 Prozent der Befragten einen Anstieg der Transaktionen im Automotive-Bereich, 51 Prozent sehen dies im Konsumgüterbereich als gegeben an. Die Autoindustrie die bekanntermaßen umsatzstärkste Branche hierzulande. Die Konsumgüterbranche ist in Deutschland durch eine Vielzahl kleinerer und mittlerer Unternehmen gekennzeichnet, die häufig in Familienhand sind.

Während bei vielen Wirtschaftsthemen der Brexit eine große Rolle spielt, ist im Distressed-Markt davon nicht viel zu spüren. 57 Prozent der 200 Befragten gehen davon aus, dass der Ausstritt Großbritanniens aus der EU die Investitionen in deutsche Unternehmen nicht antreiben wird.

Zu welchem Zeitpunkt erwerben Investoren die notleidenden Unternehmen? 70 Prozent der Befragten greifen zu, bevor das Unternehmen Insolvenz anmeldet. In 67 Prozent der Fälle kaufen Investoren die Firmen aus der Insolvenz heraus. "Dass vorinsolvenzliche Prozesse im Vergleich zu Verkäufen aus der Insolvenz heraus bevorzugt werden, deckt sich mit unserer Erfahrung", sagt Sascha Haghani, Leiter der Restrukturierungssparte bei Roland Berger. "Die vorinsolvenzliche Sanierung hat viele Vorteile, vor allem für Unternehmen mit "gesunden" Geschäftsmodellen."

Was die Unternehmensberatung nicht in diesem Zusammenhang thematisiert: Es kommt immer wieder vor, dass Investoren insolvente Firmen übernehmen – und am Tag der Vertragsunterzeichnung eine böse Überraschung machen: Viele Mitarbeiter haben sich längst wegbeworben. Mühsam muss der neue Eigentümer erst wieder gutes Personal finden. Diese Erfahrung hat unter anderem ein großer deutscher Ingenieurdienstleister gemacht.

Die steigende Anzahl der Interessenten und der hohe Zeitdruck durch die günstigen Finanzierungsbedingungen führen zudem dazu, dass der Transaktionsprozess komplizierter wird. 90 Prozent der Befragten stimmen dieser von den Studienautoren aufgestellten These zu.

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