Was tun, wenn das Geld ausgeht…
Zahlungsunfähigkeit und wie sie wieder beseitigt werden kann

Dieser Beitrag liefert einen kleinen Überblick über die Insolvenzantragspflichten der Geschäftsführung und geht der Frage nach, ob und wie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzverfahren noch vermieden werden kann.Zahlungsunfähigkeit und wie sie wieder beseitigt werden kannDie aktuellen bewegenden Zeiten haben mit der COVID-19 Pandemie und dem Krieg in der Ukraine erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Viele Unternehmen geraten durch Lieferengpässe, Beschränkungen im Import und Export sowie steigende Preise in finanzielle Probleme. Umso wichtiger ist es, dann zu wissen, wie man sich als Geschäftsführer in der Krise des Unternehmens rechtssicher zu verhalten hat.

I. Gesetzlicher Rahmen

Insolvenzantragspflichten bestehen für alle juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

Es gibt zwei Insolvenzgründe, die eine Insolvenzantragspflicht der Geschäftsführung auslösen: Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Keine Antragspflicht, aber ein Antragsrecht des Schuldners besteht bei lediglich drohender Zahlungsunfähigkeit.

Während es zu Beginn der Corona Pandemie noch durch das umständliche COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) gesetzliche Maßnahmen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie durch vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflichten (bei pandemiebedingter Insolvenzreife) gab, ist es wichtig zu wissen, dass die Aussetzungen der Insolvenzantragspflichten per 30.09.2020 bezüglich Zahlungsunfähigkeit und per 31.12.2020 bezüglich Überschuldung (für beide in Ausnahmefällen verlängert bis 30.04.2021) der Anwendungsbereich dieses Gesetzes vollständig abgelaufen ist. Seitdem gelten wieder unbeschränkt die strengen haftungs- und strafbewehrten Regelungen zur Insolvenzantragspflicht bei Insolvenzreife.

II. Überschuldung

Überschuldung besteht, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden (fälligen und noch nicht fälligen) Verbindlichkeiten nicht deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (sog. positive Fortbestehensprognose). Für den Zeitraum vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 hatte der Gesetzgeber den Prognosezeitraum von zwölf auf nur vier Monate bei pandemiebedingter Überschuldung verkürzt, um so den unsicheren Gesamtumständen Rechnung zu tragen.

Die Fortführungsprognose ist nach herrschender Ansicht im Wesentlichen eine Liquiditätsprognose, also ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die in den nächsten zwölf Monaten fälligen und fällig werdenden Verbindlichkeiten mit ausreichender Liquidität bei Fälligkeit gedeckt sind. Ist die Prognose positiv, besteht keine Überschuldung. Eine bilanzielle Überschuldung ist dann ohne insolvenzrechtliche Relevanz. Ist die Prognose negativ, muss eine bilanzielle Überschuldungsprüfung erfolgen.

Ausgangspunkt hierfür ist die Handelsbilanz des Unternehmens, jedoch sind die aktivierten Vermögenswerte auf Basis eines Liquidationsszenarios und nicht nach Fortführungswerten zu bewerten. Die Vermögenswerte werden sodann den Verbindlichkeiten und Rückstellungen gegenübergestellt. Decken die Vermögenswerte die Schulden nicht, ist das Unternehmen auch bilanziell überschuldet und damit insolvenzantragspflichtig.

Bei Überschuldung muss „ohne schuldhaftes Zögern“, spätestens sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung der Insolvenzantrag gestellt werden. Die sechs Wochen sind eine Maximalfrist und dürfen nur in Anspruch genommen werden, solange noch ein aussichtsreicher Sanierungsversuch zur Beseitigung der Überschuldung verfolgt wird, der aber binnen der Antragsfrist abgeschlossen werden muss. Besteht keine Aussicht auf Beseitigung der Überschuldung oder fällt diese weg, muss sofort Insolvenzantrag gestellt werden.

III. Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit besteht, wenn ein Schuldner keine ausreichende Liquidität mehr hat, um seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Eine Liquiditätslücke von unter 10 Prozent lässt der BGH noch als Toleranzschwelle und Abgrenzung zu insolvenzrechtlich unbedenklichen Zahlungsstockung zu. Geprüft wird eine Zahlungsunfähigkeit mit einem Liquiditätsstatus (Aufstellung der aktuell fälligen Verbindlichkeiten und der am gleichen Tage verfügbaren liquiden Mittel) zu einem bestimmten Stichtag.

Ergibt sich zu dem Stichtag eine Unterdeckung von 10 Prozent oder mehr, wird der Liquiditätsstatus durch eine Liquiditätsplanung ab dem Stichtag tageweise um die in den nächsten drei Wochen erwarteten Zahlungsein- und -ausgänge sowie die getilgten und fällig werdenden Verbindlichkeiten fortgeschrieben. Wird die Unterdeckung binnen der drei Wochen nicht auf unter 10 % zurückgeführt, ist das Unternehmen zahlungsunfähig. Der Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit muss nach den oben schon dargestellten Grundsätzen „ohne schuldhaftes Zögern“, spätestens binnen drei Wochen gestellt werden.

IV. Oftmals zu spät entdeckte Zahlungsunfähigkeit

Wird, wie oft in der Praxis zu beobachten, die Zahlungsunfähigkeit zu spät entdeckt, muss grundsätzlich sofort Insolvenzantrag gestellt werden. Die Drei-Wochen-Frist ist dann schon abgelaufen. Eine einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit kann laut BGH nur dadurch beseitigt werden, dass der Schuldner „im Allgemeinen die Zahlungen wieder aufnimmt.“ Gelingt dies, muss kein Insolvenzantrag gestellt werden. Allerdings müssen dafür sämtliche fälligen Verbindlichkeiten vollständig bezahlt werden und auch in der nächsten Zeit alle fälligen Verbindlichkeiten pünktlich und vollständig bezahlt werden. Genauere Vorgaben gibt es nicht. Um eine „nachhaltige“ Wiederaufnahme der Zahlungen belegen zu können, sollte tunlichst vermieden werden, in zeitlicher Nähe wieder in eine Liquiditätsunterdeckung zu geraten.

Üblicherweise ist eine Wiederaufnahme der Zahlungen nur möglich, wenn von Seiten eines Investors oder Gesellschafters neue Liquidität bereitgestellt oder ein wesentlicher Zahlungseingang aus einem Projekt verbucht werden kann. Eine Liquiditätsspritze eines Gesellschafters reicht jedoch nur aus, wenn damit wirklich alle fälligen Verbindlichkeiten gezahlt werden können und diese nicht nur zugesagt, sondern auch umgehend ausgezahlt wird. Der berühmte Tropfen auf den heißen Stein zusammen mit dem Versprechen weiterer Zahlungen reicht hierfür keinesfalls.

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Gastautor

Björn Schwencke
Björn Schwencke, LL.M. (Auckland)
Rechtsanwalt und Partner

BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN 

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