Was gehen mich als Unternehmer Nachhaltigkeit und ESG an?

Manchmal braucht es einen Knall oder eindringlichen Weckruf. Für manche mittelständische Unternehmer könnte dies sehr bald die Ablehnung ihres Kreditantrages für Betriebsmittel oder für eine Investition sein. Anderen Inhabern könnte ein massiver Preisabschlag beim Verkauf und der Unternehmensnachfolge ihres Betriebs treffen. Der Grund in beiden Fällen: Fehlende Vorbereitung auf die Nachhaltigkeitskriterien und ein mangelhaftes ESG-Management.

Worum geht es: Die Nachhaltigkeitskriterien, auch als ESG (Umwelt, Soziales und Governance) bezeichnet, sind ein umfassendes Regelwerk zur Bewertung der nachhaltigen und ethischen Praxis von Unternehmen. Sie hat sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Führung auch von kleinen und mittleren Unternehmen entwickelt. Zum einen gibt es klare Erwartungen von Kunden, Lieferanten, Investoren und Mitarbeitern. Zum anderen verlangt eine Reihe von Gesetzen und Vorschriften die Auskunfts- und Berichtsfähigkeit nach den ESG-Kriterien.

ESG kann damit auch erhebliche Auswirkungen auf die Betriebsmittelfinanzierung haben. Yvonne Hummel, Filialleiterin der Oberbank AG in Leipzig, erklärt: "Unternehmen mit einer starken ESG-Performance sind für Banken und Finanzinstitute attraktiver. Sie erhalten oft bessere Kreditkonditionen und können aus einer breiteren Palette von Finanzierungsoptionen wählen."

Aufgrund der Umsetzung aus dem EU-Aktionsplan (2019) wird das Thema „Nachhaltigkeit“ künftig eine noch wichtigere Entscheidungsgröße für die zukünftige Bonität des Unternehmens und deren Finanzierbarkeit durch Finanzinstitute sein.

 

Die Bedeutung von ESG im Unternehmensverkauf - ESG-Risiken und Chancen identifizieren und bewerten

Auch bei der Vorbereitung einer Unternehmensnachfolge oder eines Unternehmensverkaufs ist die Integration von ESG-Faktoren mittlerweile von entscheidender Bedeutung. Alexander Reichel, geschäftsführender Gesellschafter von Oakstreet München betont: Investoren wie klassische Einzelnachfolger achten immer stärker darauf, wie gut die Unternehmen ESG-Risiken managen und ESG-Chancen nutzen. Das gilt für große mittelständische Unternehmen ganz genauso für kleinere Betriebe aus den Bereichen Handwerk und Handel. Ohne nachweisbare ESG-Strategie führt das zu deutlichem Druck auf den Kaufpreis oder letztlich zur Unverkäuflichkeit eines Unternehmens. Kein Käufer oder Nachfolger möchte am Ende auf einem Unternehmen sitzen bleiben, das ein so gewichtiges Thema verschlafen hat.

 

Die Rolle von ESG in der Betriebsmittelfinanzierung - ESG-Performance und Finanzierungsmöglichkeiten

Finanzinstitute sind nicht zuletzt auch wegen ihrem eigenen Nachhaltigkeitsbericht bestrebt Unternehmen zu finanzieren, die ebenfalls einen hohen Stellenwert auf das Thema ESG legen.

Dies spiegelt bereits die Ermittlung eines Kundenratings wider, in welchem nunmehr auch oftmals folgende oder ähnliche Fragen eine Rolle spielen:

• Welche Veränderungen des Klimas und der gesetzlichen Regelungen im Sinne ESG (z.B. CO²-Steuer, Verbote) könnten Auswirkungen auf Ihr Geschäftsmodell / in Ihrer Branche haben?

• Haben Sie bereits Maßnahmen zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes gesetzt bzw. haben Sie dazu Pläne?

• Welche Konzepte für die Entsorgung/Verwertung und das optimale Recycling Ihrer Produkte nach deren Benutzung haben Sie?

• Mit welchen klimaneutralen Alternativen bei Maschinen- und Fuhrpark, Beschaffung, Energieversor¬gung setzen Sie sich bereits auseinander?

• Wie werden Arbeitnehmerschutz/-rechte in Ihrem Unternehmen gewährleistet bzw. welche Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung/-entwicklung setzen Sie?

Unternehmen, die hierauf bereits Antworten und eine klare Strategie formuliert haben, erhalten eine bessere Ratingnote und somit auch eine höhere Kreditwürdigkeit. Außerdem können Investitionen in die Nachhaltigkeit durch Fördermittel oder auch Zinszuschüsse günstiger finanziert werden.

 

Best Practices zur Integration von ESG

Es empfiehlt sich also, dass jedes Unternehmen entsprechende permanente Fachkompetenzen aufbaut, sich Unterstützung von spezialisierten Beratern sucht und fördernde Maßnahmen in den operativen Geschäftsbetrieb integriert. Auch die gesamte Belegschaft sollte hierfür sensibilisiert werden.

Um von den Vorteilen einer starken ESG-Performance zu profitieren, sollten Unternehmen folgende Best Practices berücksichtigen:

1. Integrieren Sie ESG unbedingt in die Unternehmensstrategie: ESG sollte nicht nur als separate Compliance-Aufgabe betrachtet werden, sondern als Teil der Kernstrategie des Unternehmens.

2. Risikomanagement verbessern: Identifizieren Sie ESG-Risiken und entwickeln Sie konkrete Strategien zur Risikominimierung.

3. Investorenanforderungen erfüllen: Berücksichtigen Sie die steigende Nachfrage nach ESG-konformen Unternehmen und passen Sie Ihre Unternehmensstrategie entsprechend an. Eine Veröffentlichung Ihrer ESG-Strategie auf der Firmenwebseite ist ebenfalls von großem Nutzen.

 

Ausblick und Trends - Die Zukunft von ESG in der Unternehmensnachfolge und Finanzierung

ESG wird auch weiter an Bedeutung gewinnen, da sich Investoren und Regulierungsbehörden stärker auf nachhaltige Praktiken auch bei kleinen und mittleren Unternehmen konzentrieren. Unternehmen, die ESG in ihre Strategien integrieren, werden in Zukunft besser positioniert sein, um den Unternehmensverkauf zu optimieren und günstige Finanzierungsmöglichkeiten zu erschließen. Weitere, erhebliche Vorteile:

Kostenreduktion: Die Ausrichtung auf nachhaltige Geschäftsprozesse kann dazu beitragen, diese deutlich wirtschaftlicher zu betreiben, vor allem beim Energie- und Ressourcenverbrauch. Mittel und langfristig lässt sich dadurch die Ertragslage verbessern und der Unternehmenswert steigern.

Höhere Attraktivität für Fach- und Führungskräfte: Nachhaltige Unternehmen sind nicht zuletzt für die bestehenden und auch für neue Mitarbeiter attraktiver. Die Identifikation mit dem Unternehmen und seiner Wirtschaftsweise steigt. Das Vertrauen in eine zukunftsfähige Unternehmensführung lassen sich leichter an konkreten uns sichtbaren Maßnahmen zur Nachhaltigkeit festmachen.

Risikovermeidung: Gerade eine nachhaltige Geschäftsführung reduziert potenzielle Risiken durch Umweltschädigungen oder Verletzung von Sozialstandards. Eine negative Außenwirkung und schädliche Marktwahrnehmung lassen sich gerade durch nachhaltige Praktiken und Transparenz vermeiden.

Wettbewerbsvorteile: Nachhaltige Unternehmen haben in der Regel einen leichteren Zugang zu Kunden und Investoren und ermöglichen oft zusätzlich die Erschließung neuer Geschäftsfelder.

Gesetze und Vorschriften: Selbst wenn eine Reihe der heutigen ESG-Regelungen noch auf kapitalmarktorientierte oder größere Unternehmen abzielen, lässt sich doch ein klarer Trend in der Regulatorik auch für den Mittelstand ablesen (siehe Lieferkettengesetz), der die Unternehmen dazu verpflichten, über ihre Nachhaltigkeitsleistung zu berichten oder bestimmte Nachhaltigkeitsstandards einzuhalten. Nur so lassen sich langfristig Sanktionen und Strafen vermeiden oder auch ganz bewusst Fördermaßnahmen und Lenkungshilfen nützen.

 

Die Konsequenz - ESG ernst nehmen!

ESG ist nicht nur ein Schlagwort, sondern ein entscheidender Faktor für den Erfolg im Unternehmensverkauf und bei der Betriebsmittelfinanzierung. Eine nachhaltige Geschäftspraxis wird nicht nur dazu beitragen, Umwelt- und Sozialprobleme zu lösen, sondern auch das Unternehmen wirtschaftlich zu stärken und langfristig erfolgreicher zu machen.

Der beste Zeitpunkt, um damit zu beginnen ist: Jetzt!

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Gastautorin


Yvonne Hummel
Leiterin Oberbank AG, Leipzig

 

Gastautor


Alexander Reichel
Geschäftsführender Gesellschafter
Oakstreet München

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