Warum wir Unternehmensnachfolge neu denken müssen

Unternehmensübergaben sind komplex – vor allem emotional! Erfahren Sie von der Stiftung „In guter Gesellschaft“ für zeitgemäßes Unternehmertum, wie sehr psychologische Aspekte das Gelingen von Nachfolgen beeinflussen und wie neue Lösungsansätze aussehen.

Warum wir Unternehmensnachfolge neu denken müssenBild: Dirk Moeller

Steuerliche, juristische und prozessorientierte Faktoren stehen im Vordergrund

Warum scheitern immer noch so viele Unternehmensnachfolgen in Deutschland? Obwohl die Problematik hinlänglich bekannt ist, zeichnet sich gemäß aktueller Erhebungen von DIHK und KfW keine positive Trendwende ab. Unsere Stiftung „In guter Gesellschaft“, die sich für zeitgemäßes Unternehmertum einsetzt, beleuchtet mit der gerade veröffentlichten digitalen Publikation „Miteinander statt nacheinander – wie wir Unternehmensnachfolge neu gestalten können“ das Thema Nachfolge deshalb aus einer anderen Perspektive. Während Unternehmensnachfolge in der Fachliteratur bisher vor allem in finanzieller, rechtlicher und steuerlicher Hinsicht, also eher „technisch“ angegangen wird, konzentrieren wir uns auf die Frage, wie soziopsychologische Aspekte Unternehmensübergaben scheitern lassen und wie man dem vorbeugen kann.

Emotionen beeinflussen Entscheidungen – auch bei der Unternehmensübergabe

Wir haben uns deshalb gefragt: Welche emotionalen Hürden gibt es, sowohl auf der Seite derer, die übergeben als auch auf der Seite derer, die übernehmen? Welche Handlungsmuster führen zum Erfolg? Welche konstruktiven Hypothesen und Denkansätze können wir formulieren, um Nachfolgeprozesse für alle Seiten positiv zu gestalten?

Auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche haben wir nach Antworten gesucht und zentrale Zahlen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse, wie zum Beispiel über die (wenig überraschenden) Geschlechterverhältnisse bei der Nachfolge, zusammengetragen. Modelle wie der „Rollen-Clash“ in Familienunternehmen oder das „magische Dreieck“ aus Liebe, Geld und Macht helfen, viele Kontroversen in Familienunternehmen besser zu verstehen und einzuordnen.

Wir schauen bisher zu sehr mit alten Denkmustern auf neue Probleme

Zu oft wird das Thema Unternehmensnachfolge in alten Mustern gedacht, beispielsweise mit der Fokussierung auf die unbedingte Übergabe innerhalb der Familie. Dabei macht der Nachname allein noch keinen Unternehmer, wie Expertin Prof. Dr. Birgit Felden im Interview erläutert. Die Wahrnehmung wird von Klischees dominiert: Der alte Patriarch, der nicht loslassen kann. Der Sohn als talentloser Nachfolger, der aus Trotz alles anders machen will. Oder die Tochter, die als Frau ohnehin nicht „das Zeug“ zur Vollblut-Unternehmerin hat.

Die Perspektive von Töchtern als potenzielle Nachfolgerinnen eines Familienunternehmens findet in der von uns gesichteten Literatur generell noch keine intensive Berücksichtigung. Das Bild des Patriarchen und des „starken Mannes“ an der Spitze eines Unternehmens ist nach wie vor in den Köpfen.

Welche emotionale Bedeutung das eigene Unternehmen hat, wird häufig unterschätzt. So sprechen Unternehmerinnen und Unternehmer von ihrer Firma oft als „mein Baby“. Dies ist zwar meist symbolisch gemeint, jedoch zeigt eine Studie der Aalto-Universität in Helsinki, dass die unternehmerische Liebe bei Männern der väterlichen Zuneigung auffallend ähnlich ist. Diese emotionalen Faktoren haben selbstverständlich Konsequenzen für die Übergabe von Unternehmen. Wir wissen aber noch viel zu wenig über diese Aspekte jenseits von „nicht loslassen können“ und vor allem über mögliche Lösungen.

Welche Lösungsansätze gibt es?

Veränderung kann nur dann geschehen, wenn wir mit einem offenen Mindset einen frischen Blick auf das Thema Nachfolge werfen. Zum Beispiel, in dem wir uns den Menschen, ihren Befürchtungen und Motivationen widmen, statt nur prozessoptimierend auf die Thematik zu schauen. Unternehmerinnen und Unternehmer sollten stärker als emotional denn als rein rational handelnde Akteure betrachtet werden. Diese soziopsychologische Perspektive muss auch wissenschaftlich weiter vertieft werden.

Dazu brauchen wir u.a. eine andere Sprache und andere Frames: Die Formulierung NACH-FOLGE impliziert beispielsweise, dass eine Person auf eine andere folgt. Ein Miteinander ist hier nicht vorgesehen. Die Bezeichnungen SENIOR und JUNIOR kategorisieren die Menschen in Alterssilos. Hier braucht es ein Umdenken vom alle paar Jahrzehnte stattfindenden Generationswechsel hin zu einem kontinuierlichen Wandel.

Nicht zuletzt brauchen wir außerdem verstärkte Anstrengungen, damit weibliche Nachfolge selbstverständlicher wird – von einer neuen Rollendefinition für Frauen als Unternehmerinnen, über mehr weibliche Vorbilder bis hin zu verstärktem Fokus auf die Chancen einer Nachfolge gerade für Frauen.

Wie wir vom Denken ins Handeln kommen

Unternehmensnachfolgen scheitern in den wenigsten Fällen an der Technik, sondern meistens an Emotionen, Beziehungen und Konflikten. Wie bei einem Eisberg ist nur ein kleiner Teil der Handlungsmotive sichtbar – der weitaus größere Anteil liegt „unter Wasser“, also im vor- und unbewussten Bereich.

Für nachhaltige Lösungen braucht es deshalb nicht nur fachliches Know-how, sondern auch den Blick auf persönliche Belange, Werte und Überzeugungen. Denn sowohl bei der Übergabe, als auch bei der Übernahme eines Unternehmens entscheiden Menschen maßgeblich über ihr weiteres Leben.

Es geht also darum, bei uns selbst anzufangen. Wie fast immer klingt die Umsetzung aber oft leichter, als sie es im Alltag ist. Hilfreich hierbei sind der bestenfalls offene und vertrauensvolle Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern, die Beschäftigung mit Fragen zur persönlichen Reflexion sowie Tools und Methoden aus Coaching und Persönlichkeitsentwicklung.

Weitere Praxistipps, Experten-Interviews sowie Literaturhinweise haben wir in der Publikation zusammengetragen. Als gemeinnützige Stiftung wollen wir dazu anregen, das Thema Übergabe völlig neu zu denken – weg von alten Mustern hin zu zeitgemäßen und flexibleren Modellen. Sie ist kostenlos als E-Paper abrufbar unter https://www.ingutergesellschaft.org/publikation.

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Gastautorin

Anke Rippert
Anke Rippert
Stifterin & Vorständin
Stiftung "In guter Gesellschaft"
für zeitgemäßes Unternehmertum

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