„Verantwortungseigentum“ als Leitmotiv für Familienunternehmen – wie lässt sich ein gemein-wohlorientiertes und nachhaltiges Unternehmertum heute schon rechtlich umsetzen?

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vom 24. November 2021 griffen die Regierungsparteien von SPD, Grünen und FDP den Gedanken eines „Unternehmens mit gebundenem Vermögen“ unter Ausschluss von „Steuersparkonstruktionen“ auf und kündigten eine zeitnahe Einführung an. Aufgrund der sich anschließenden, regen inhaltlichen Diskussion um die gesellschafts- und steuerrechtliche Zulässigkeit der neuen Rechtsfigur einer GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV) hat sich gezeigt, dass diese aufgrund vielfältiger, insbesondere europarechtlicher Bedenken derzeit nicht ohne Weiteres umsetzbar ist. Im Folgenden sollen daher zwei im geltenden Recht bereits verankerte Instrumente zur Verknüpfung von Eigentum und am Allgemeinwohl orientiertem Unternehmertum im Bereich von familiengeführten Gesellschaften kurz dargestellt werden: die Stiftung und der Familienpool.

„Verantwortungseigentum“ als Leitmotiv für Familienunternehmen

Kerngedanke „Verantwortungseigentum“

Verantwortungseigentum bedeutet die Beherrschbarkeit zukünftiger gesellschaftlicher Herausforderungen im Umfeld disruptiver Transformation wie beispielsweise Klimaschutz und Digitalisierung durch eine Wirtschaft, die nachhaltig agiert und dabei nicht die notwendige, permanente unternehmensseitige Neuausrichtung aus dem Blick verliert. Mittelstand und Familienunternehmen treiben in Deutschland diese Entwicklung voran.

Eine von langfristigen Überlegungen getragene Unternehmensführung soll sich in diesem Kontext auf die dauerhafte Vermögensbindung bei gleichzeitiger Selbstständigkeit des Unternehmens stützen können. Die mit der Unternehmensleitung betrauten Personen sollen dem Unternehmen dabei nicht nur kurzfristig verbunden sein und sich für die Erfüllung ihrer Aufgaben auf die dauerhafte Existenz des unternehmerischen Betriebs ohne fremde Einflussnahme verlassen können.

GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV)

Die vorgeschlagene Rechtsform einer GmbH-gebV sollte für eine nachhaltige Wertschöpfung das Unternehmen in seinem Bestand als von den Interessen und der Entscheidungsfindung der Gesellschafterfamilie weitgehend unabhängiges „Subjekt“ des Verantwortungseigentums sicherstellen.

Typusmerkmal der GmbH-gebV ist zur Vermögenserhaltung im unternehmerischen Bereich eine zwingende und unabänderliche Ausschüttungssperre an aktuelle wie auch zukünftige Gesellschafter. Selbst im Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters soll dieser lediglich den Nominalwert der Einlage, nicht aber den Zeitwert seines Anteils erhalten. Gewinnabführungsverträge und Genuss-rechte sind ebenso untersagt wie die übertragende Umwandlung auf Gesellschaftsformen ohne Vermögensbindung oder Gemeinnützigkeit.

Abseits der europarechtlichen Probleme und weiterer Schwächen in Form von Governance- oder Besteuerungslücken bzw. dem Ausschluss des Einstiegs von Kapitalmarktinvestoren dürfte die wesensimmanente „Entkoppelung“ der Unternehmenssphäre von den Interessen sowie den Entscheidungen des Gesellschafterkreises die GmbH-gebV für die Mehrzahl der Familienunternehmer in Deutschland als Rechtsform uninteressant machen.

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass Unternehmen und Familie bei mittelständischen, gesellschaftergeführten Betrieben – oft auch im Rahmen eines „Lebenswerkgedankens“ untrennbar verwoben sind. Die Anteilseigner denken langfristig und sehen „ihr“ Unternehmen als Grundlage der externen (z.B. für die eigenen Mitarbeiter oder andere Stakeholder) wie internen (der eigenen Familie) Absicherung - und das über Generationen hinweg!

Wird diese Absicherungsfunktion beseitigt, wird sich der (Familien-)Unternehmer nach anderen geeigneten Lösungen umsehen, die Gemeinwohl und Eigentum ausgleichend vereinbaren können.

Erste Alternative: (unternehmensverbundene) Stiftung

Erstes Mittel der Wahl ist hier die Stiftung, bei der es sich um eine juristische Person ohne Mitglieder handelt.

Im Vordergrund steht die Umsetzung des Stifterwillens, der sich vorrangig in der freien Festlegung des (erlaubten) Stiftungszwecks per Satzung manifestiert. Das Prinzip der Kapitalerhaltung (u.a. im Bereich des Grundstockvermögens) ermöglicht eine langfristige Betriebsfortführung gerade bei unternehmensverbundenen Stiftungen und garantiert zugleich eine generationenübergreifende finanzielle Absicherung des Stifters und seiner Familie, sofern diese Personen zu den begünstigten Destinatären der Stiftung gehören.

Die freie Entscheidungsbefugnis des Stifters z.B. im Hinblick auf Zuwendungen und den Empfänger-kreis sowie die Besetzung der Stiftungsorgane (wie Vorstand) lässt eine individuelle Ausgestaltung und Anpassung der Stiftung an die Lebenssituation der Stifterfamilie ohne Weiteres zu.

Regulatorische Maßnahmen der Stiftungsaufsichtsbehörde beschränken sich bei der privatnützigen Familienstiftung, die im Interesse des Stifters und seiner Angehörigen errichtet wird, im Wesentlichen auf die Prüfung der Einhaltung des Stiftungszwecks. Unternehmerische Entscheidungen können hingegen nicht beeinflusst werden.

Erhebliche steuerliche Vorteile sowohl bei Ertrag- als auch Erbschaftsteuern lassen sich durch Einschaltung einer gemeinnützigen Stiftung erzielen, die förderungswürdige (z.B. mildtätige) Zwecke verfolgt. Diese Stiftungsform ist nahezu vollständig steuerbefreit, wohingegen die Familienstiftung bei der Übertragung von Betriebsvermögen nur die erbschaftsteuerlichen Privilegien nach dem geltenden Recht beanspruchen kann und alle 30 Jahre der Erbersatzsteuer unterliegt.

In der Praxis wird bei Übertragung von Betriebsvermögen auf Stiftungen oftmals ein „Doppelstiftungs“-Modell gewählt. Dieses erlaubt die weitgehend steuerschonende Schenkung des Unternehmens auf eine gemeinnützige Stiftung und die Aufrechterhaltung des Familieneinflusses im Betrieb über eine Stimmrechtsmehrheit der Familienstiftung als weiterer Gesellschafterin.

Zweite Alternative: Familienpool

Der Familienpool bietet alternativ die Möglichkeit, Vermögen dauerhaft zu erhalten und verhindert eine Zersplitterung im Erbfall bei Übergang auf mehrere Erben.

Der Familienpool entsteht durch Bündelung des Vermögens in einer Gesellschaft, deren Rechtsform frei wählbar ist (Personen- oder Kapitalgesellschaft) und im Hinblick auf die individuelle Vermögens- sowie Gesellschaftersituation entsprechend den Vorstellungen der errichtenden Poolmitglieder ausgestaltet werden kann. Die abweichende Regelung von Stimm-, Vermögens- und Ertrags-rechten auch zugunsten einzelner Familienmitglieder (oder auch „verdienter“ Mitarbeiter) ist zu-lässig und erlaubt eine schrittweise Vermögensübertragung an die nächste Generation.

Da die Vermögenszuordnung weiterhin bei den Poolmitgliedern bleibt, droht hier – anders als bei der Stiftung als eigenständiger Vermögensinhaberin - kein Eigentumsverlust. Aus Gründen der Asset Protection kann im Gesellschaftsvertrag zudem vorgesehen sein, dass nur eigene Familienangehörige und nicht z.B. der überlebende Ehegatte im Erbfall in die Gesellschafterstellung nachrückt.

Steuerlich können bei sukzessiver Vermögenseinbringung in den Pool beispielsweise persönliche Freibeträge der Erbschaftsteuer genutzt werden. Im Bereich der Ertragsteuern bleiben Begünstigungen wie das Grundstücksprivileg bei Verkauf von länger als 10 Jahren gehaltenen Bestandsimmobilien erhalten, wenn der Familienpool als vermögensverwaltende Personengesellschaft aufgesetzt wird.

Die finanzielle Absicherung der Poolmitglieder erfolgt dann über die Erträge des im Pool gehaltenen Vermögens. Gemeinwohlzwecke können ebenso über Spenden oder Zustiftungen an gemeinnützige Organisation beliebig unterstützt werden.

Fazit:

Stiftung wie auch Familienpool erlauben dem (Familien-)Unternehmer, flexibel über Unternehmensvermögen zu verfügen und dieses gewinnbringend sowohl für die Allgemeinheit als auch die Absicherung der eigenen Person sowie seiner Angehörigen im Sinn eines richtig verstandenen „Verantwortungseigentums“ einzusetzen.

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Gastautor

Christian Reiter
Christian Reiter
Steuerberater, Rechtsanwalt, Partner
BDO AG Wirtschaftspüfungsgesellschaft

Martin Engel

Martin Engel
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner
BDO AG Wirtschaftspüfungsgesellschaft

 

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