USA spielen Monopoly

USA spielen Monopoly

Gabor Steingart beschreibt, warum der amerikanische Monopol-Kapitalismus ein Angriff auf unsere Soziale Marktwirtschaft ist.

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Guten Morgen,

es war der arbeitslos gewordene Heizungsverkäufer Charles Darrow aus Philadelphia, der Mitte der dreißiger Jahre die glorreiche Idee hatte, aus der Düsternis seiner Zeit ein Brettspiel zu entwickeln. Es geht darum, erst Straßen und dann ganze Straßenzüge aufzukaufen, auf denen dann eigene Häuser und Hotels zu errichten sind. Ziel ist es, die Mitspieler in den Ruin zu treiben.

Das Spiel hieß in diesen Tagen der Great Depression erst Finanzen, dann Inflation – und schließlich Monopoly. Es ist bis heute mit geschätzten 300 Millionen verkauften Exemplaren das beliebteste Gesellschaftsspiel der westlichen Welt. Es wird am Küchentisch gespielt – und auch im wahren Wirtschaftsleben mit großer Leidenschaft.

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Die Monopole des Silicon Valley und die Oligopole der Wall Street definieren sich – anders noch als Rockefellers Öl-Imperium – nicht als Alleinanbieter, sondern als Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung. Sie sind der freundliche Hegemon, dem 40 bis 80 Prozent Marktanteil genügen, um Preise festsetzen und technische Standards diktieren zu können. Man will den XXL-Gewinn, ohne gleich die staatliche Regulierung auf den Plan zu rufen.

Wir haben es hier mit einer aggressiven, man kann auch sagen wölfischen Spielart des Kapitalismus zu tun, der sich in wichtigen Charaktermerkmalen von der domestizierten Spezies, die wir Soziale Marktwirtschaft nennen, unterscheidet:

● Die Marktwirtschaft ist ein Spiel, das auf Wettbewerb setzt. Der Staat wird als Schiedsrichter, als Hüter der Wettbewerbsordnung dringend gebraucht. Die unsichtbare Hand des Marktes und die eiserne Hand des Staates gehören hier zum selben Körper.

● Der Kapitalismus braucht den Staat nur als Diener, der sein Privateigentum schützt und die Gewerkschaft klein hält. Er strebt nach Monopolen und betrachtet die Wirtschaft im Prinzip als staatsfreie Zone.

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Womit wir bei Google, Apple, Amazon und Co. gelandet wären, die ihre jeweiligen Märkte dominieren und über eine Finanzkraft verfügen, die es so auf der Welt noch nicht gegeben hat. Hans-Jürgen Jakobs, der ehemalige Handelsblatt-Chefredakteur und Autor des Standardwerkes „Das Monopol im 21. Jahrhundert“, kommt zu folgendem Befund:

Auf einmal stellen wir fest, dass dieses System, das wir als Marktwirtschaft würdigen, dabei ist, sein zentrales Mittel, den Wettbewerb, auf der Sonderdeponie eines neuen Kapitalfeudalismus zu ‚entsorgen‘.

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Hier die Fakten:

● Google dominiert 90 Prozent des Marktes für Suchanfragen und die Google Mutter Alphabet erwirtschaftete mit diesem Monopol in den ersten neun Monaten des Jahres einen Umsatz in Höhe von 206,8 Milliarden und einen Gewinn von gut 46 Milliarden. Damit entspricht allein der Gewinn von Alphabet dem dreifachen Umsatz von Bertelsmann – einst Europas größtes Medienunternehmen.

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● Bei Amazon das gleiche Bild einer finanziellen Feuerkraft, die für Mitbewerber keine Chance mehr lässt. Allein im bisherigen Jahresverlauf wurde ein Umsatz von knapp 365 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Der US-Versandriese dominiert, trotz der vielen Konkurrenz, das Geschäft im Internet – 38 Prozent aller E-Commerce-Verkäufe laufen über Amazon.

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● Apple ist derzeit mehr als 2,2 Billionen Dollar wert und damit mehr als die Wertschöpfung des gesamten afrikanischen Kontinents unterhalb der Sahara. In der Tat verstehen sich diese Unternehmen durchaus als Staaten, auch wenn sie sich selbst mit Rücksicht auf unsere europäische Gemütsverfassung als „Ökosysteme“ bezeichnen. Wer es wagt, in dieses Territorium einzudringen, wird über die eigenen, nicht mit Wettbewerbern kompatiblen Schnittstellen oder einen Preiskrieg zum Rückzug gezwungen.

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● Auch im Finanzsektor expandieren die amerikanischen Großbanken, womit die europäischen Banken zunehmend in eine prekäre Situation gebracht werden. Denn die Größe begünstigt höhere Renditen, womit der Starke stärker und der Schwache schwächer wird. Die Gewinnmargen von Bank of America (29 Prozent), JP Morgan (30,2 Prozent) und Goldman Sachs (34,5 Prozent) sind ungefähr doppelt so groß wie die der Deutschen Bank (14,1 Prozent).

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● Investoren wie Warren Buffet haben für sich die Vorzüge des internationalen Monopoly entdeckt und setzen vor allem auf Werte wie Coca-Cola, McDonald’s und Apple, die ihren Wettbewerbern uneinholbar entrückt scheinen. Die wichtigste Eigenschaft bei der Bewertung eines Unternehmens, sagt er, sei nicht die Innovationskraft, sondern die Macht zur Preisfestsetzung. Jakobs meint das gleiche, wenn er von einer Deformierung unserer Wirtschaftsordnung spricht.

● „Pricing Power“ ist damit das Codewort für ein modernes Monopol. Und Berkshire Hathaway ist der Fonds, der Monopole und Quasi-Monopole unter seinem Dach versammelt.

Die aktuelle Situation mit Inflation, Energiepreisexplosion und geostrategischen Risiken in Europa und in Asien wird die Kluft zwischen dem amerikanischen Monopol-Kapitalismus und den deutschen Unternehmen und hier insbesondere den Familienunternehmen weiter vergrößern.

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Denn diese Monopolgewinne sind die Schatzkiste, aus der sich in Krisenzeiten leben lässt. Die Fingerfertigkeit dieser Großkonzerne, ihre Lieferketten rund um den Globus neu zu verlegen, ist groß und wird durch die Preisfestsetzungsmacht erleichtert. Der Aufsichtsratschef eines DAX-Konzerns kommt zu dem Schluss:

Die sich beschleunigende geopolitisch-ökonomische Entwicklung ist ein Frontalangriff auf den deutschen Mittelstand und damit den sozialen Frieden in unserem Land.

Fazit: Es lohnt bei allen Gefährdungspotenzialen aus Russland und China, die reale Machtverschiebung innerhalb der westlichen Marktwirtschaften nicht aus dem Auge zu verlieren.

Naivität ist nicht strafbar, aber lebensgefährlich. Nicht, dass es später im Geschichtsbuch heißt:

Die Deutschen glaubten fest an die segensreichen Wirkungen der Sozialen Marktwirtschaft. Und die Amerikaner spielten Monopoly.

Über Gabor Steingart

Gabor Steingart ist Journalist und Gründer sowie Herausgeber von The Pioneer. Bis Februar 2018 war er Herausgeber und Vorsitzender der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group. Sein unabhängiges “Pioneer Briefing” erreicht als Podcast und Newsletter täglich über 400.000 Menschen. Den Newsletter können Sie kostenlos hier abonnieren.

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Gastautor

Gabor Steingart
Gabor Steingart
Journalist, Gründer & Herausgeber
The Pioneer

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