Potenzial von Frauen gerade für Gründung nutzen

Freie Berufe bleiben weiter auf Expansionskurs, sie wachsen im Zentrum der Dienstleistungsgesellschaft und werden weiblicher, denn mehr als die Hälfte der in einem Freien Beruf Gründenden sind Frauen. RA Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe e. V. (BFB), zu Dynamik und Wachstumspotenzialen.
2022 steht die Gründung – verbunden mit Nachfolge und dem Bild von Selbstständigen – als Jahresschwerpunkt ganz oben auf der BFB-Agenda. Dafür ernten wir Zustimmung, insbesondere auch von unseren neuen und alten Dialogpartnern in der Politik, denen die Relevanz, ja auch Dringlichkeit ebenso bewusst ist wie uns als einzigem Dachverband der freiberuflichen Kammern und Verbände.

Als die Stimme der knapp 1,46 Millionen selbstständigen Freiberuflerinnen und Freiberufler, die zusammen mit ihren rund 4,2 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit mehr als jeden zehnten Euro erwirtschaften, bringen wir uns zum Trio Gründung/Nachfolge/Selbstständigkeit in diesem Jahr intensiver ein denn je.

Das steht uns zu: Bislang tragen wir Freie Berufe überdurchschnittlich zur Gründungsdynamik bei. Der Aufwärtstrend ist ungebrochen. Aktuell gibt es laut unserer vom Institut für Freie Berufe (IFB) erstellten Statistik knapp 1,46 Millionen selbstständige Freiberuflerinnen und Freiberufler, vor zwanzig Jahren waren es mit 739.000 halb so viele. Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung IfM Bonn untermauern diese Dynamik und differenzieren sie aus. Das IfM Bonn nimmt jährlich explizit die Gründerinnen und Gründer in den Blick und berechnet seit 2012 auch die Zahl der freiberuflichen Existenzgründungen.

Die kann sich sehen lassen: Zwischen 2012 und 2020 nahmen die Gründungen in Summe über alle Wirtschaftsbereiche hinweg um 22,6 Prozent ab, in der gewerblichen Wirtschaft um 32,3 Prozent. Entgegen dem Trend erreichen wir Freie Berufe ein sattes Plus von 15,6 Prozent. Doch damit nicht genug; Gründungen in unseren Feldern, so der bisherige Kenntnisstand, sind zudem besonders bestandsfest und überdurchschnittlich stabil, also auf Dauer angelegt: Mithin sind wir Freiberuflerinnen und Freiberufler auch in der neuen politischen Dimension der Nachhaltigkeit außerordentlich.

In vielen Freien Berufen ist die Selbstständigkeit beispielsweise durch die unabhängige Berufsausübung vorprogrammiert, weil viele Berufsbilder per se auf eine selbstständige Ausübung angelegt sind. In der gesamten Wirtschaft sind unter den Gründenden etwa knapp zwei Drittel Männer und gut ein Drittel Frauen. Der Frauenanteil an den Gründungen in Freien Berufen liegt laut Zahlen des IfM Bonn bei 52,8 Prozent. Dies dürfte so bleiben: Erstens weil die Zahl der gut gebildeten Frauen, speziell der Akademikerinnen, in der Bevölkerung tendenziell steigt. Hiervon profitieren die Freien Berufe ganz besonders, da 80 Prozent der Freien Berufe selbst ein Hochschulstudium absolviert haben. Zweitens weil Vorbilder die Berufswahl prägen. Wo schon viele Frauen sind, gibt es eben auch viele Vorbilder, für deren Berufsbilder sich wiederum andere Frauen entscheiden.

Ein vitales Gründungsklima aber ist kein Selbstläufer, wie auch unsere letzte große Konjunkturumfrage zeigt: Gründergeist und Selbstständigkeit haben durch die Krise gelitten. Insofern begrüßen wir das im Koalitionsvertrag formulierte Unterfangen, „neues Zutrauen in Gründergeist, Innovation und Unternehmertum“ zu schaffen und den angekündigten Maßnahmenkatalog.

Wir müssen das Gründungspotenzial von Frauen mehr nutzen, insbesondere auch der Freiberuflerinnen. Wir sehen eine hohe Gründungsbereitschaft gerade bei Freiberuflerinnen, ein Schwung, den wir nutzen und unterstützen müssen. Nach einer aktuellen Umfrage des IFB (Sonderauswertung aus der letzten BFB-Konjunkturumfrage zu freiberuflichen Gründerinnen) gründeten Freiberuflerinnen mit 84,3 Prozent häufiger neu als Männer (66,8 Prozent).

Das Potenzial der Frauen resultiert aus dem guten Gespür der freiberuflichen Gründerinnen für innovative Geschäftskonzepte, auch bedingt durch neue Berufsbilder im Zuge der Tertiärisierung. Auch der Einsatz von neuer Technik ist nicht nur Start-ups vorbehalten, sondern kennzeichnet auch die freiberuflichen Gründungen. Überdies dürfte auch der Reiz der Selbstständigkeit wegen flexiblerer Zeiteinteilung eine Rolle spielen.

Mit Gründungen durch Frauen verbinden sich nicht selten auch andere Herangehensweisen an Dienstleistungen, Mitarbeiterführung, Kooperationen, die in der Transformation der Wirtschaft zu Nachhaltigkeit wichtig sind. Allein schon aus dem Grund, die Transformationsziele zu erreichen, sollte die Politik das Angebot nutzen und das Gründungspotenzial von Freiberuflerinnen mit zielgerichteten Impulsen unterstützen. Dazu gehört, Fördermöglichkeiten für Gründerinnen besser zu bewerben und offensiver publik zu machen. Für sie wie für Gründer gilt es, für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Kinderbetreuung weiter auszubauen und qualitativ gut aufzustellen. Überdies sollte die gesellschaftliche Wertschätzung von Unternehmertum und Selbstständigkeit besser gefördert werden. Deutschland braucht mehr Gründergeist und Lust auf Selbstständigkeit.

Als erste Zielgruppe adressiert der BFB gemeinsam mit der Zeitschrift EMOTION junge Frauen mit zwei Veranstaltungen, den „Web Conventions – Frauensache: Unternehmen gründen“, die die vielseitigen Aspekte der Gründung durch Frauen aufnehmen. Schirmherrin ist Bärbel Bas, Präsidentin des Deutschen Bundestages. Zum ersten Teil unter dem Titel „Ziele definieren, Ängste überwinden und Herausforderungen meistern“ am 17. Februar 2022 schalteten sich knapp 200 Interessierte dazu.

Der zweite Teil des BFB-Gründerinnenkongresses „Frauensache: Unternehmen gründen“, vorgesehen für den 17. März 2022, beschäftigt sich vertieft mit der Vernetzung und Finanzierung bei einem möglichen Gründungsvorhaben. Beteiligt sind Influencerinnen und Gründerinnen, aber auch Vertreter zahlreicher Institutionen. Eingeflochten ist zudem eine Diskussion mit vier Bundestagsabgeordneten.

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Gastautor


Peter Klotzki
Hauptgeschäftsführer
Bundesverband der Freien Berufe e. V. (BFB)

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