Nachfolgeprozesse in Patchwork-Familien meistern

Nachfolge ist komplex – und im Falle von Stief- und Adoptionskindern noch komplizierter. Was sind Maßnahmen, um einen fairen Prozess zu gewährleisten? Und wie kann man mit möglichen Problemen umgehen?

Nachfolgeprozesse in Patchwork-Familien meistern

Die Nachfolge gehört zweifellos zu den herausforderndsten Ereignissen in einem Familienunternehmen. Daher gibt es zu diesem Thema zahlreiche praktische Empfehlungen (z.B. hinsichtlich der zu erledigenden Aufgaben). Die meisten dieser Empfehlungen basieren jedoch auf dem klassischen, westlichen Familienideal, d.h. einer Kernfamilie mit einem oder mehreren leiblichen Kindern. Dies entspricht jedoch nicht unbedingt der Realität. Die sich rasch verändernde Familiendynamik, einschließlich Patchwork-Familien mit Stief- und Adoptivkindern, stellt die Unternehmerfamilien vor zusätzliche Herausforderungen. Die Durchführung eines fairen Nachfolgeprozesses wird in diesen Familienkonstellationen komplexer, da sie ein hohes Konfliktpotenzial mit sich bringen.

Werden diese potenziellen Konflikte nicht gelöst, kann der weitere Einfluss der Familie im Unternehmen gefährdet sein. Wir wollen unseren Leserinnen und Lesern einige praktische Ratschläge geben, wie sie die häufigsten Fallstricke im Falle einer Adoption oder Scheidung vermeiden können. Um Vorschläge und Gedankenanstöße zu erarbeiten, haben wir zunächst die vorhandene Forschung zu diesem Thema zusammengefasst und anschließend 13 Mitglieder von Unternehmerfamilien interviewt, die Erfahrungen mit Adoptionen und Scheidungen haben.

Patchwork-Familien unterscheiden sich erheblich in ihrer Fähigkeit, einen reibungslosen und erfolgreichen Nachfolgeprozess durchzuführen, der von den beteiligten Parteien als "fair" empfunden wird. Alle Mitglieder von Unternehmerfamilien und alle Berater von Familienunternehmen wissen: Jedes Mitglied der nächsten Generation ist anders. Die Mitglieder der nächsten Generation unterscheiden sich in ihrer persönlichen Motivation, dem Familienunternehmen beizutreten, aufgrund ihres Charakters und ihrer Vorlieben. In Patchwork-Familien können aber auch Faktoren im Zusammenhang mit Adoption und Scheidung das Interesse der Kinder für das Familienunternehmen beeinflussen. Während die erste Kategorie von Unterschieden kaum von außen getrieben werden kann, können und sollten die Unterschiede, die sich aus der zweiten Kategorie ergeben, beseitigt werden, um einen fairen Nachfolgeprozess zu gewährleisten. Insbesondere müssen die Mitglieder der Unternehmerfamilie auf vier wichtige Aspekte achten: Wertekonstrukte, persönliche Verbindungen, Präsenz in der Sozialisationsphase und Identifikation mit dem Familienunternehmen. Zudem sollten drei Probleme vermieden werden: Streit der Eltern, räumliche Entfernung und fehlende Sozialisation im Adoptionsfall.

Ähnliche Wertekonstrukte

Ob die Mitglieder der nächsten Generation einen Nachfolgeprozess als fair empfinden, hängt davon ab, ob sie ähnliche Werte in Bezug auf Familie und Unternehmen teilen. Viele der beobachteten Eigentümerfamilien nannten "Bodenhaftung" und "Respekt vor dem Unternehmen" als zentrale Werte. Sie berichteten auch von der Bedeutung religiöser (v.a. christlicher) Wertekonstrukte, die ihr persönliches Leben bestimmen.

Die Nachfolge wurde dann als "fair" angesehen, wenn die Familienmitglieder der nächsten Generation ähnliche Werte vertraten. Wir stellten fest, dass die Erziehung einen großen Einfluss darauf hatte, ob die Werte der nächsten Generation konvergierten oder nicht. Der Grund dafür ist der folgende: Werte werden vor allem durch das Vorbild der älteren Generation und anderer Personen in der Umgebung weitergegeben – gemäß dem Grundsatz "Worten müssen Taten folgen". In Scheidungsfällen waren die Kinder beim Aufwachsen oft zwei sehr unterschiedlichen Umgebungen und damit Werten ausgesetzt. Je nachdem, wie alt die Kinder zum Zeitpunkt der Scheidung ihrer Eltern waren, können ihre Werte sehr unterschiedlich geprägt sein. Folgende Fragen sollte sich die Elterngeneration stellen:

• Beurteilen Sie kritisch die Werte in den verschiedenen Teilen der Patchwork-Familie (einschließlich der Werte der neuen Partner geschiedener Eltern): Wo stimmen sie überein? Wo divergieren sie?

• Kommunizieren sie offen über wichtige Werte im Falle einer Scheidung

• Ein gemeinsames Sorgerecht kann auch von Vorteil sein, um Kinder mit ähnlichen Werten vertraut zu machen – und damit für den späteren Nachfolgeprozess vorzubereiten

• Denken Sie kreativ über die Vermittlung bisher fehlender Werte und Traditionen im Falle einer Adoption nach.

• Denken Sie immer daran: Kinder folgen ihren Vorbildern.

• Versuchen Sie im Falle einer Scheidung allen Kinder die Nähe des "unternehmerischen" Elternteils zu ermöglichen.

Persönliche Bindung an die Eigentümerfamilie

Darüber ist der regelmäßige Kontakt mit den Familienmitgliedern der Eigentümerfamilie wichtig. Dieser fördert das gegenseitige Verständnis sowie das Teilen von Traditionen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen solchen kontinuierlichen, persönlichen Kontakt zu gewährleisten: informelle Familientreffen sowie formellere Familienveranstaltungen. Insbesondere in Scheidungsfällen erwiesen sich formelle, im Voraus festgelegte Familientreffen als wirksame Maßnahme zur Aufrechterhaltung eines engen Kontakts. Es ergeben sich folgende Empfehlungen:

• Sorgen Sie für einen regelmäßigen und häufigen Kontakt zwischen allen Mitgliedern der Unternehmerfamilie.

• Räumliche Nähe ist vorteilhaft für die persönliche Bindung an die Inhaberfamilie – und kann bei möglichen Überlegungen zu Umzug und Internat berücksichtigt werden.

• Regelmäßige Familienfeiern helfen, die Verbindungen auch in schwierigen Zeiten aufrechtzuerhalten. Ziehen Sie sowohl formelle Treffen als auch informelle Familienfeiern in Betracht.

Sozialisierung innerhalb des Familienunternehmens

Neben der Verbindung zur Familie wirken sich Scheidung und Adoption oft darauf aus, ob und wie die nächsten Familienmitglieder mit dem Familienunternehmen "sozialisiert" werden. Durch die Teilnahme an Besprechungen, die Vertretung des Unternehmens bei Veranstaltungen mit Kunden oder einfach durch den Umgang mit den Mitarbeitern des Familienunternehmens erhalten die Mitglieder der nächsten Generation wertvolle Einblicke in das Unternehmen. Potenzielle Nachfolger machen sich mit den Arbeitsabläufen und der einzigartigen Unternehmenskultur vertraut. Dadurch erweitern sie ihr Wissen und ihre Kompetenzen, die für die Führung des Familienunternehmens relevant sind. Der Grad der Sozialisierung im Unternehmen hat also einen Einfluss darauf, wie bereit und fähig die Kinder sind, das Familienunternehmen zu übernehmen. Informationsasymmetrien zwischen Kindern in Patchworkfamilien können zu einer gefühlten Ungerechtigkeit im Nachfolgeprozess führen, was diesen noch schwieriger macht. Um solche Herausforderungen zu vermeiden, sollten die folgenden Empfehlungen befolgt werden:

• Stellen Sie den Mitgliedern der nächsten Generation ausreichend Informationen über das Familienunternehmen zur Verfügung. Stellen Sie sicher, dass alle Mitglieder der nächsten Generation den gleichen Zugang zu Informationen haben.

• Stellen Sie sicher, dass der Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten für alle Kinder fair und gleich ist, auch für diejenigen, die weiter weg wohnen. Das Gleiche gilt für Firmenveranstaltungen usw.

• Streben Sie eine gleichmäßige Kompetenzentwicklung innerhalb der nächsten Generation an. Eine Eigentümerstrategie kann hilfreich sein.

Identifikation mit dem Familienunternehmen

Scheidung und Adoption können den Aufbau einer emotionalen Bindung zwischen der nächsten Generation und dem Familienunternehmen erschweren. Wenn das Thema "Adoption" beispielsweise in Gesprächen in der Familie eine (zu) wichtige Rolle spielt, kann dies dazu führen, dass sich das adoptierte Kind vom Unternehmen entfernt. Ob die Adoption ein zentrales Thema im Lebensalltag des Kindes war, zeigt sich auch am Nachnamen. Bemerkenswert ist, dass sowohl im Adoptions- als auch im Scheidungsfall der Nachname einen großen Einfluss auf die Identifikation der nächsten Generation mit dem Unternehmen hat, insbesondere wenn das Unternehmen nach der Gründerfamilie benannt ist. Wir schlagen die folgenden Empfehlungen vor:

• Beurteilen Sie kritisch, wie sehr sich die Mitglieder der nächsten Generation mit dem Unternehmen identifizieren. Versuchen Sie, eine gesunde Symmetrie zwischen ihnen zu erreichen.

• Auch wenn es ein heikles Thema ist, sollten Sie versuchen, allen Kindern denselben Nachnamen zu geben – unabhängig davon, ob sie verschiedene Eltern haben oder keine leiblichen Kinder sind. Das fördert eine ähnliche Identifikation.

• Machen Sie die Adoption nicht zu einem zentralen Thema in Familiendiskussionen.

Streit zwischen ehemaligen Ehegatten

Scheidungen enden oft mit Konflikten zwischen den ehemaligen Partnern, die sehr emotional sein können. Ein solcher Konflikt kann zur Entfremdung eines oder mehrerer Kinder vom Familienunternehmen führen. Um solche Probleme zu vermeiden, ist es wichtig zwischen der Ebene der Partner und der Ebene der Eltern zu unterscheiden. Ein geschiedenes Paar mit Kindern sollte mit seinen Kindern immer auf der Elternebene interagieren. Die von uns beobachteten Fälle unterschieden sich darin, wie erfolgreich das geschiedene Paar emotionale Streitigkeiten von seinen Kindern fernhalten konnte.

Eine konfliktgeplagte Unternehmerfamilie fand einen bemerkenswerten Weg, um eine kontinuierliche Kommunikation mit allen Kindern sicherzustellen. Da die Eltern nicht in der Lage waren, mit den Kindern über das Familienunternehmen zu sprechen, übernahmen andere Familienmitglieder diese Aufgabe. Insbesondere Tanten und Onkel können die Rolle als "neutrale", kontinuierliche Kommunikatoren übernehmen und so die geschiedenen, sich streitenden Eltern umgehen. Wir geben die folgenden Empfehlungen:

• Erstellen Sie eine Kommunikationsstrategie. Neben der Festlegung, was kommuniziert werden soll, müssen auch die verantwortlichen Personen und die Kommunikationswege definiert werden. Für den Fall, dass die Eltern nicht in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren, sollten Sie einen "Bypass" definieren, der andere vertrauenswürdige Familienmitglieder einschließt.

• Setzen Sie Eheverträge ein, die das Sorgerecht und die Kontinuität des Kontakts im Falle einer Scheidung sicherstellen.

Räumliche Entfernung zur Eigentümerfamilie und/oder zum Familienunternehmen

Die räumliche Nähe ermöglicht eine persönliche Verbindung zur Eigentümerfamilie und erleichtert den Kontakt zum Familienunternehmen. Diese Nähe ist jedoch nicht mehr gegeben, wenn z. B. die geschiedenen Eltern in weit entfernte Städte oder sogar Länder umziehen. In diesen Fällen haben nicht alle nachfolgenden Generationen die gleichen Chancen, motivierte und kompetente Entscheidungsträger im Familienunternehmen zu werden.

Kinder, die in diesen Konstellationen aufwachsen, können den Nachfolgeprozess dennoch als fair empfinden, wenn sie einen entsprechenden Anteil am Unternehmen erhalten. Dieser Schritt ist jedoch mit erheblichen Risiken verbunden – es gibt also keine Patentlösung. Insbesondere Mitglieder der nächsten Generation, die zwar Anteile besitzen, aber keine starke Bindung an das Unternehmen haben, könnten geschäftliche Entscheidungen treffen, die nicht im Einklang mit dem Rest der Familie stehen. Daher müssen die Eltern sorgfältig über identitätsstiftende Maßnahmen nachdenken, wenn sie Anteile an "entfernte" Next Gens abgeben. Auch eine Professionalisierung der Kompetenzbeurteilung oder das Erfordernis externer Berufserfahrung für familienunternehmensinterne Karrieren könnte den Nachfolgeprozess aus Sicht der Next Gens "fairer" gestalten. Wir empfehlen:

• Diskutieren Sie Ihre Anteilsverteilungsstrategie offen innerhalb der Familie und lassen Sie sie von Experten hinterfragen.

• Investieren Sie in identitätsstiftende Maßnahmen für alle Kinder

• Investieren Sie Zeit, um faire Beurteilungen für die Entscheidungsträger in der Familie zu entwickeln. Zu den Anforderungen können formale Bildung und firmenexterne Berufserfahrung gehören.

Sozialisation und Alter zum Zeitpunkt der Adoption

Viele Unternehmerfamilien haben einen konstruktiven Weg gefunden, mit der Adoption umzugehen, z. B. indem sie dieses Thema im Alltag nicht zu sehr in den Vordergrund stellen. Doch ein Aspekt erschwerte in mehreren Fällen die Nachfolge: das Alter zum Zeitpunkt der Adoption. Wenn Kinder in einem späteren Alter adoptiert wurden, verpassten sie die wichtige Sozialisierungsphase in der Firma. Wenn Kinder "spät" adoptiert werden, teilen sie möglicherweise andere Werte, kennen das Unternehmen nicht gut und identifizieren sich nicht vollständig mit ihm.

Infolgedessen schließen einige Eigentümerfamilien nicht-biologische Kinder von der Nachfolgeregelung aus. Andere Unternehmerfamilien legen klare Rollen fest. Sie unterscheiden beispielsweise zwischen verschiedenen Gründen, die zur Adoption führen, wie a) unerfüllter Wunsch nach leiblichen Kindern; b) Adoption von Stiefkindern; c) Wunsch, Einfluss auf die geplante Aktienverteilung zu nehmen. Viele Unternehmerfamilien legen auch ein Höchstalter für die Adoption fest, beispielsweise sechs Jahre. Sie argumentieren, dass Kinder, die im Vorschulalter adoptiert werden, noch die gleiche Sozialisierungsphase durchlaufen können wie ihre nicht adoptierten Geschwister. Zusammenfassend:

• Diskutieren und definieren Sie: Wer ist oder kann ein "vollwertiges" Mitglied der Eigentümerfamilie werden?

• Erstellen Sie eine Eigentümer-Strategie

• Definieren Sie eventuell Altersgrenzen für Adoptionen bzw. für die Bedingungen, unter denen adoptierte Kinder vollwertige Mitglieder der Eigentümerfamilie werden können.

• Diskutieren Sie, ob unterschiedliche Adoptionsgründe zu Unterschieden im Status der Eigentümerfamilie führen können.

• Berücksichtigen Sie unterschiedliche Adoptionskonstellationen bei der Verteilung der Anteile

Schlussfolgerung

Die Nachfolge bleibt eine der grundlegenden Herausforderungen für Familienunternehmen – besonders wenn es sich nicht um ‚klassische‘ Familienkonstellationen handelt. Wir hoffen, mit unseren Gedankenstößen und Handlungsempfehlungen zu einer konstruktiven Lösungsfindung beizutragen.

Dieser Text ist in ausführlicher Form und englischer Sprache auf der Plattform familybusiness.org originalveröffentlicht.

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Gastautor

Prof. Dr. Nadine Kammerlander

Prof. Dr. Nadine Kammerlander
Co-Institutsleiterin | WHU

Leona Rethmann

Leona Rethmann
confluentes e.V. | WHU

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