Krisenprophylaxe leicht gemacht

Die Möglichkeiten einer rechtzeitigen Standortbestimmung für mittelständische Unternehmen und KMUs

Auch wenn die bisher von den meisten Experten befürchtete Rezession im Jahr 2023 nicht eingetreten ist und die prognostizierten Werte der Inflation bisher geringer verlaufen als erwartet, so bleiben für viele mittelständische Betriebe Unsicherheit und Anspannung bestehen. Ab wann sich ein mittelständisches Unternehmen in einer Krisensituation befindet und wie die jeweiligen Phasen eines klassischen Krisenpfads aussehen, erfahren Sie von Andreas Latsch und Daniel Manegold.

Krisenprophylaxe leicht gemacht

Im zurückliegenden Jahr 2022 hat die nach wie vor alles dominierende Corona-Pandemie weiter zu erheblichen Einschränkungen im Wirtschaftsleben geführt, die trotz der teilweisen Rücknahme von Restriktionen noch erheblich nachwirkten und insbesondere in Form weltweit gestörter Lieferketten die Wachstumserwartungen mittelständischer Unternehmen deutlich eingebremst haben.

Zum 24. Februar 2022 hat sich diese Situation dann schlagartig durch den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine und dem mittlerweile mehr als 1 Jahr andauernden Krieg weiter deutlich verschärft. Der Krieg in der Ukraine bringt den Menschen unendliches Leid, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Deutschland erscheinen im Vergleich dazu sekundär. Dennoch muss man die ökonomischen Folgen des Krieges im Blick behalten, da diese vor allem in Form steigender Energiepreise und knapper werdender Rohstoffe in Verbindung mit einer insgesamt steigenden Inflation einen möglichen Aufschwung für viele mittelständische Unternehmen weiter massiv beeinträchtigt haben.

Trotz der zu Beginn des Jahres 2023 nach wie vor hohen Inflation sowie der sich weiter auf einem hohen Niveau befindlichen Energie- und Rohstoffpreise gehen führende Experten weltweiter Finanz- und Wirtschaftsinstitutionen sowie die Politik mittlerweile nicht mehr davon aus, dass sich die europäische Wirtschaft in eine Rezession hinein bewegt. So rechnet die EU-Kommission für das Jahr 2023 entgegen der bisherigen Erwartungen mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von 0,9 Prozent für die EU bzw. 0,2 Prozent für Deutschland. Auch für die Inflation werden geringere Werte als zuvor befürchtet erwartet. Damit verbessert sich die konjunkturelle Lage voraussichtlich leicht, bleibt aber weiterhin in vielen Bereichen angespannt. Doch wie erkenne ich als mittelständisches Unternehmen, ob sich mein Betrieb auf einem Krisenpfad befindet?

Krisenstadien und -kennzeichen

Das Abgleiten in eine Krise vollzieht sich in einer Rezession nicht innerhalb von 2 bis 3 Jahren, sondern innerhalb weniger Wochen und Monate. Die Dynamik der rezessiven Entwicklung verläuft dabei in der Regel nicht linear, sondern extrem sprunghaft aufgrund von disruptiven Veränderungen. Aus diesem Grund muss das Management extrem schnell reagieren, um sich überraschenden Entwicklungen rechtzeitig zu stellen und notwendige Veränderungen zu bewirken. Die Gegenwart einer Unternehmenskrise wird jedoch in der Realität vielfach dann tatsächlich empfunden, wenn die Gewinne im Unternehmen deutlich sinken oder negativ sind und/oder wenn die Liquidität eng wird. Dabei beginnt sie viel früher. Dieses verdeutlicht die unten stehende Grafik.

Der Krisenverlauf beginnt mit der ersten Phase, der Stakeholderkrise. In dieser können i. d. R. Konflikte auf der Gesellschafter- oder Geschäftsführungsebene beobachtet werden, die sich auf die künftige Ausrichtung des Unternehmens, die Gewinnverwendung, eine Unternehmensbewertung im Kontext einer Nachfolgeregelung oder andere Themen beziehen. Hieraus resultierend ergeben sich möglicherweise verzögerte Entscheidungen, welche die tägliche Arbeit behindern und letztlich überleiten zur Strategiekrise.

Übersicht der Krisenphasen

Krisenprophylaxe leicht gemacht

Quelle: in Anlehnung an Hohberger, S. und Damlachi, H., Praxishandbuch Sanierung im Mittelstand, vollständig neu bearbeitete 4. Auflage, 22. März 2019, Springer Gabler Verlag

Die Unternehmensstrategie steuert und lenkt die mittel- und langfristige Ausrichtung eines Betriebes. Vor dem Hintergrund der hohen Dynamik in den Märkten und der Veränderung der technischen Grundlagen sind heutzutage deutlich kürzere Zeitspannen vorhanden, in denen eine einmal getroffene Strategieentscheidung hält bzw. zu überdenken ist. Innovationen, wie z. B. die Themen KI und Machine Learning, verändern dramatisch die Marktbedingungen sowie -teilnehmer. Auch wenn bereits dieses Krisenstadium vorhanden ist, kann der Betrieb dennoch Gewinne erwirtschaften. Allerdings: Neue Ideen und Konzepte können im Geschäftsmodell nicht erkannt werden, sodass die nächste Krisenphase, die Produkt- und Absatzkrise, Realität wird.

In der dritten Phase erfolgt die Konzentration auf die Produktattraktivität sowie die Verkaufserfolge. Dadurch, dass das Angebot vielfach nicht mehr modern und konkurrenzfähig ist, werden weniger Produkte verkauft, Lagerbestände steigen, Kapazitäten werden deutlich geringer ausgelastet und die Ergebnisse gehen zurück. Hausbanken erkennen die Situation schnell anhand der systematischen Auswertung der Jahresabschlussdaten. Die Luft wird dünner. Was müsste getan werden? Produktinnovationen oder -variationen sind in diesem Stadium der Ansatzpunkt, um sich wieder erfolgreich am Markt zu positionieren. Denn wenn das nicht gelingt, ist die nächste Krisenphase die logische Folge: die Erfolgskrise.

Nun wird offensichtlich, dass sich das Unternehmen in einer anspruchsvollen Situation befindet, da die betriebswirtschaftlichen Zahlen ein unmissverständliches Signal geben. Die üblicherweise vorhandene Reaktion der Unternehmer liegt meistens in der Realisierung von Kostensenkungsmaßnahmen. Der Abbau von Personal ist dabei ein zentraler Faktor. Vielfach hilft dieses zunächst für eine gewisse Zeit, um die Ergebnisse zu verbessern – aber die Wurzeln der kritischen Situation sind dabei in aller Regel nicht bearbeitet worden. Daher ist vielfach ein weiterer Eigenkapitalverzehr durch eintretende Verluste zu beobachten – und die Banken werden in der Vergabe von Krediten deutlich restriktiver oder verlangen Zusatzsicherheiten für bereits ausgegebene Darlehen. Der psychische Druck auf die handelnden Personen steigt immens, da die täglichen Anforderungen extrem wachsen. Oft wird erst in dieser Phase die Hilfe von externen Beratern gesucht. Allerdings ist die Zukunftsfähigkeit immer noch zweifelhaft, da die Konzentration auf das Cost-Cutting nicht dazu führt, die Attraktivität des Unternehmens zu erhöhen. Vielmehr gehen spätestens in dieser Phase gute Mitarbeiter aufgrund der vorhandenen Situation verloren, und damit verringert sich i. d. R. auch das Innovationspotenzial – und die Kombination all dieser Faktoren führt dann zur nächsten Phase: der Liquiditätskrise.

Fehlendes Geld, um pünktlich seinen Verpflichtungen nachkommen zu können, ist in dieser Phase harte Realität. Die Kreditlinien sind ausgeschöpft, zusätzliche Mittel werden von den Banken nicht mehr bereitgestellt, Mahnungen sind an der Tagesordnung und auch Pfändungen können beobachtet werden. Zahlungsziele bei den Lieferanten werden nicht nur maximal ausgeschöpft, sondern auch überstrapaziert. Wer am lautesten schreit, erhält eine Zahlung. Damit wird die Lieferfähigkeit der Produkte gefährdet – und die Abwärtsspirale dreht sich immer schneller. Ein Ausweg fehlt. Von einem strukturierten Arbeiten ist man meilenweit entfernt und vielfach tritt nun das Schreckgespenst der Insolvenzgefahr auf den Plan.

Eingetretene oder drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung sind die insolvenzrechtlichen Kriterien, die letztlich dann zu einem Insolvenzantrag führen.

Möglichkeiten einer Standortbestimmung

Ein genaues Kochrezept zur Standortbestimmung im Rahmen einer Krisensituation gibt es nicht. Vielmehr hängt das Vorgehen maßgeblich von der jeweiligen Unternehmensstruktur ab. Je nach Unternehmenstyp und -größe kann sich etwa der alleinige Geschäftsführer (selbst-)kritisch mit einer Checkliste zurückziehen und im Rahmen einer SWOT-Analyse die einzelnen Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken seines Unternehmens versuchen zu beurteilen.

In einem großen Unternehmen mit dezentraler Verantwortungsverteilung ist es dagegen notwendig, einen Projektleiter zu benennen, der zusammen mit den verschiedenen Verantwortungsträgern im Unternehmen die SWOT-Analyse übernimmt und versucht, den Standort des eigenen Betriebes zu bestimmen. In beiden Fällen bleibt es jedoch wichtig, dass die Unternehmensleitung den Prozess eng begleitet und steuert. Die Herausforderung besteht dann vor allem in der Interpretation der Analyse und der Ableitung von notwendigen Gegenmaßnahmen.

Dies gilt auch, wenn eine Unternehmensberatung mit der Durchführung einer SWOT-Analyse zur Feststellung einer Krisensituation beauftragt wird. Gerade bei der Ursachenanalyse kann dies von Vorteil sein, weil externe Berater unvoreingenommener in einen Betrieb schauen und in der Regel damit eine recht treffsichere und kritische Analyse von Krisenursachen vornehmen. Insbesondere jedoch im Hinblick auf die Sicherung der Zahlungsfähigkeit und die Entwicklung eines tragfähigen Restrukturierungs- und Sanierungskonzeptes anhand der Vorgaben des IDW S 6 ist die Hinzuziehung von restrukturierungs- und sanierungserfahrenen Beratern unumgänglich. Nur so gelingt es in der Regel, die notwendigen Weichen richtig zu stellen, um das Unternehmen mittel- und langfristig wieder auf den Weg zum dauerhaften Erfolg zu führen.

Einen weiteren, innovativen Weg zur Beurteilung einer möglichen Krisensituation stellen onlinebasierte Krisen-Checks dar, welche den Unternehmern und Führungskräften ein schnelles und kurzfristig einsetzbares Analysetool bieten. Als Beispiel sei in diesem Kontext der „Stabilitätscheck“ genannt. Mit der Fokussierung auf die verschiedenen betriebswirtschaftlichen Teilbereiche eines Unternehmens sowie den Einbezug der Ertrags-, Liquiditäts- und Bilanzsituation, wird eine Analyse des möglichen Krisenstatus vorgenommen und die Ergebnisse in textlicher Form aufbereitet. Anhand der persönlich getätigten Eingaben erfolgt eine erste Entwicklung von Maßnahmen sowie Hilfestellungen, um hierüber erkannte Verbesserungspotentiale aktiv zu nutzen.

Fazit

Bereits in den siebziger Jahren stellte der damalige US-Außenminister Henry Kissinger fest, dass „ein ignoriertes Problem die Einladung für eine Krise ist“. Auch wenn diese These sicherlich primär auf die politische Arbeit abzielte, so ist es doch eine zentrale Aussage, welche auch unmittelbar im Zusammenhang mit Unternehmenskrisen zu sehen ist. Im Umkehrschluss bedeutet eine zu spät erkannte Krise, dass die Auflösung derselbigen mit immensen Kosten und Herausforderungen verbunden und häufig aufgrund des bereits fortgeschrittenen Krisenstadiums für den Unternehmer nicht mehr zu lösen ist.

Es gilt das Motto: Je früher eine Krise erkannt wird, desto besser für das Unternehmen, seine Inhaber und Mitarbeiter, denn dann ist der mit der Krisenbewältigung anfallende Kosten- und Zeitaufwand noch überschaubar!

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Gastautoren

 

Andreas Latsch

Andreas Latsch
Geschäftsführender Gesellschafter
IMB Institut für Mittelstandsberatung GmbH

 

Daniel Manegold

Daniel Manegold
Geschäftsführender Gesellschafter
IMB Institut für Mittelstandsberatung GmbH

 

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