Gründung versus Nachfolge: Die unterschätzte Möglichkeit

Gründung versus Nachfolge besitzt viele inhaltliche Aspekte und rationale Dimensionen, die man mit ein wenig Googeln leicht herausfinden und gegenüberstellen kann. Die Vorteile des einen sind in der Regel die Nachteile des anderen. Hier beginnt die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Thema: Die Definition von Gründung, von Nachfolge und dem Zusammenspiel mit der Unternehmerpersönlichkeit – aus einer emotionalen und zeitgerechten Sicht der Dinge.

Gründung versus Nachfolge: Die unterschätzte Möglichkeit

Gründen

ist mehr als die Entscheidung für ein „Make“. Denn wer gründet, entscheidet sich in aller Regel nicht einfach, ein Unternehmenskonzept selbst auf die Beine zu stellen, anstatt bloß die Option „Buy“ auszuüben. „Make“ ist hochkomplex. Zunächst muss die eine, gute Geschäftsidee gefunden werden. Ein Konzept, das wirklich tragfähig ist. Dies bedeutet, eine Gründungsidee tausendfach auf den Prüfstand zu stellen, zu überdenken, neu zu denken, sich aus einer anderen Perspektive in das Vorhaben einzudenken. Anders zu denken als es bisher der Fall war. Fast jedes geschäftliche Vorhaben wurde spätestens seit den Wirtschaftswunder-Jahren bis heute bereits angegangen und realisiert.

Es gibt viele Analogien, die ein Gründer zum Vergleich heranziehen kann, indem er Business Cases, Produkte oder Bedarfssituationen im In- und Ausland analysiert. Es stellt sich die Frage: Was ist das Problem? Und wie sieht die Lösung dafür aus? Gründen bedeutet deshalb vor allem, die Prozesse neu zu definieren, die Produkte so zu konzipieren, dass sie einer Verknüpfung aus Realität und Virtualität gerecht werden. Die Rede ist von digitaler Transformation, die bei der Gründung bzw. der Entwicklung dahinterstehender Produkte nicht mehr wegzudenken ist. Wirkliches Gründen hat demnach auch immer etwas mit Disruption zu tun. Natürlich gibt es den Gründer, der einen Friseurladen um die Ecke aufmacht. Dem es relativ leicht fällt, die Bedarfssituation zu ermitteln und seine Entscheidung zu treffen. Sollte ihm dabei ein gerade zum Verkauf stehender Salon über den Weg laufen, so kann er abwägen, ob dessen Übernahme einen Vorteil birgt.

Gründen in der Gegenwart, gerade wenn man es mit Abwägen einer Nachfolge-Firmenübernahme bei nicht unerheblichem Kapitalaufwand vergleicht, bedeutet mehr. Zügiges Wachsen, um mit der Nachfolge eines eingefahrenen Betriebs überhaupt konkurrieren zu können. Skalieren. Marktführerschaft anzupeilen, ganz gleich ob auf der Seite des Produkts, des Umsatzes etc. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht, was gemeint ist: Das Initiieren eines rein Digitalen Automobil-Clubs ist relativ einfach machbar. Über Social Media-Plattformen lassen sich Mitglieder im Rahmen von Empfehlungsaktionen gewinnen. Entweder kauft man sich über bestehende Mobilitäts-Dienstleister Rückdeckung für die zu kalkulierenden Schadensfälle ein oder man baut sich gleich ein eigenes Netzwerk an Service-Partner auf. Einen Wettbewerbsvorteil, vor allem auf der Kosten- und Effizienzseite, gegenüber den bestehenden gelben Engeln wird man damit aber nicht realisieren. Nähert man sich dem Geschäftsmodell aber „anders“, rekrutiert man die Mitglieder als Helfer, macht eine Bestandsaufnahme, welche Tools vom Wagenheber über Starterkabel bis hin zur Abschleppmöglichkeit die Mitglieder besitzen und beherrschen, digitalisiert die Rufbereitschaft auf dem Smartphone à la Uber-App (ursprünglich private Fahrer), honoriert sie für ihren Einsatz mit Gratismitgliedschaft, so kann man einen echten Herausforderer für die Platzhirsche aus der Taufe heben. Natürlich bleibt es nicht bei diesen wenigen Schritten: Datenanalyse des Fahrzeugbestands der Mitglieder ist gefragt, „Predictive Maintenance“ für die Fahrzeugflotte „under management“ senkt die Schadensquote und Künstliche Intelligenz errechnet die Schadenswahrscheinlichkeit und -anfälligkeit nach Regionen, Fahrzeugtypen, Zulassungsalter etc.

Damit soll verdeutlich werden: Gründen erfordert ein elaboriertes Konzept, mit dem am Ende eventuell auch noch Investoren gewonnen werden müssen. Wer nicht gerade auf eigenes Kapital zurückgreifen kann, hat die nächste erheblich Hürde vor sich. Das Gewinnen von Venture Capital-Gebern – gegen Shares – ist zeitaufwendig und nicht gerade vielversprechend. Dasselbe gilt für Banker, die erst mal überzeugt werden müssen, meist nur durch Unterlegen persönlicher Haftung. Auch die Bürgschaftsbanken tun sich bei dem Thema Start-up nicht gerade leicht. Ganz abgesehen von der Notwendigkeit der brillanten Idee und der Schwierigkeit der Kapitalbeschaffung erfordert das Prozedere des „Make“ eine echte Gründerpersönlichkeit. Einen Visionär mit pragmatischen Fähigkeiten. Eine Person mit Risikobereitschaft. Jemand, der die Ärmel hochkrempelt und sich auch für die Bestellung des Toilettenpapiers nicht zu schade ist. Gründen bedeutet, alles, wirklich alles, im Unternehmen ggfs. auch selbst zu machen. Jede Position mal selbst auszufüllen. Die Prozesse müssen aufgebaut werden. Das ist nicht einfach: Was auf dem Reisbrett recht simpel aussieht, entwickelt sich zu einem Kampf mit unendlich vielen Variablen resp. Implikationen. Am Ende bedarf es eines ganzen Teams - und auch hier müssen wieder Anteile abgegeben werden. Die Kapitalgeber investieren nämlich gerade in dieses. Das Team ist ausschlaggebend, nicht nur die Idee. Diese aber muss das Potential haben, ein starkes Team anzuziehen, der kritischen Auseinandersetzung aller Player standzuhalten und skalierbar zu sein. Nur so rechnet sich das Abgeben von Gesellschaftsanteilen für den eigentlichen Gründer. Nur so kann er überhaupt den „Wettkampf“ mit dem Nachfolgen als Alternative gewinnen.

Nachfolgen

ist mehr als die Entscheidung für ein „Buy“. Denn wer ein bestehendes Unternehmen übernimmt, sucht sich in der Regel nicht einfach ein Unternehmen aus einem Versandhauskatalog aus, sondern hat entweder eine familiäre Bindung, tritt im Rahmen eines MBIs in die Position des Gesellschafters ein oder beschäftigte sich im Rahmen einer ausgiebigen Recherche inklusive des dazugehörigen M&A-Prozesses intensiv mit dem Kaufobjekt. Während die beiden ersten Varianten noch relativ überschaubar sind, die trotz der guten Einblicke in das zu übernehmende Unternehmen natürlich auch ihre Tücken besitzen, ist die Variante des Einstiegs in ein unbekanntes Unternehmen von etlichen Hürden geprägt. Diese gilt es zu überwinden.

Der zentrale Dreh- und Angelpunkt lautet: Woher kommt die Kenntnis über die Produkte, Produktion und Prozesse des Unternehmens? Beziehungsweise lässt sich diese Kenntnis auf den Nachfolger übertragen? Zumindest in einer Art und Weise, dass er wirklich auch den Driver Seat in seiner Firma übernehmen kann?

All das beginnt mit guten – ja, es kommt auf die Atmosphäre an – Gesprächen, ausführlichen Interviews des Firmeninhabers, der daran denkt, sein Unternehmen abzugeben. Auch er hat ein erhebliches Risiko, nämlich durch das Loslassen seines Unternehmens dessen Schieflage zu riskieren und höchst wahrscheinlich auch einen Teil seines zum Teil zukunftsbezogenen Kaufpreises (Vendor Loan, Earn-out). Es kann ihm also nur wichtig sein, sich hier einzubringen. Wenn es dann allerdings an das Eingemachte geht, die Preisfindung, die Zahlungsbedingungen (hoher Fixpreis und niedrige variable, hintenraus folgende Komponente) und die wirkliche Due Diligence (Ankaufsprüfung aller relevanten Assets des Unternehmens) laufen die Interessen oft weit auseinander. Das Kunststück des Unternehmenserwerbs liegt darin, die Due Diligence mit ihren vielfältigen Aspekten so tief wie nötig und gleichzeitig so harmonisch wie möglich hinzubekommen: Verbindlichkeit und Sicherheit über alles, was ein Unternehmen mit Vorgängerhistorie ausmacht, zu erhalten. Hier werden keine Prozesse, Vertriebsmodelle, Produkte etc. entwickelt, sondern es gilt aus den vergangenheitsbezogenen Elementen des Unternehmens eine Ableitung für die Zukunft zu treffen. Ähnlich dem Kauf eines Autos gilt es sicherzustellen, dass Karosserie, Fahrgestell und Motor noch intakt und wirklich miteinander verbunden sind. Dass jeder Part für sich, vor allem aber auch das Zusammenspiel miteinander funktioniert. Hat man sich davon überzeugt, folgt die Verhandlung des Kaufvertrags, möglichst gleichzeitig oder auch nachdem man die Finanzierung des Unternehmenskaufs gesichert hat. Anders als beim Gründen ist es bei der Nachfolge relativ einfach, Mittel aufzutreiben. Der Kauf eines Unternehmens lässt sich in aller Regel mit der Unterstützung der Bank sowie der KfW auf die Beine stellen. Sind die Preiskomponenten geschickt verhandelt, bezahlt sich der Unternehmenskauf sukzessive aus sich selbst heraus. Die Amortisation, wie viel Jahre der Nachfolger benötigt, um den Kaufpreis über den laufenden Geschäftsbetrieb bzw. das Betriebsergebnis einzufahren, ist eher ein mathematisches als ein unternehmerisches Thema – außer, ein Nachfolger entscheidet sich bewusst, ein Unternehmen in Schieflage zu erwerben. Gerade der Aspekt der gut darstellbaren Kaufpreisfinanzierung macht aber eine Nachfolge so attraktiv, verglichen mit der hohen Komplexität des Gründens und der Unsicherheit, ob das gegründete Unternehmen überhaupt erfolgreich wird. Das hat bereits eine neue Gruppe von Investoren auf den Plan gerufen. Und zwar solche, die nicht bei den risikobehafteten Start-ups mitziehen, sondern bei den sehr sicheren Nachfolgemodellen. Sie geben den Käufern finanzielle Mittel, um einen Unternehmenskauf zu ermöglichen. Dafür erwarten sie eine Minderheitsbeteiligung am Unternehmen, die sie nach einigen Jahren entweder an Private Equity getriebene Finanzinvestoren weiterreichen oder den Nachfolgern verkaufen. Natürlich mit einem Mezzanin-Kapital-typischen Aufschlag, der sich rechnet. Da dieses alternative Finanzierungsmodell noch eher jung ist, wird sich zeigen, was daraus erwächst: Ob es Serial Entrepreneurs geben wird, die mit demselben Geldgeber im Rücken immer weitere Nachfolge-Unternehmen erwerben? Von den Gründern im Bereich Start-ups kennt man diese beachtliche Entwicklung ja bereits. Klar ist auch: Der Typus Mensch, der sich als Nachfolger positioniert, ist ein anderer als der des Gründers. Der Nachfolger ist wahrscheinlich pragmatischer. Ein Manager, dessen Stärke weniger in der Vision und mehr in der Administration liegt. Der weniger auf Disruption, dafür mehr auf Bewahren und sanftes Weiterentwickeln setzt. Zumindest ist er damit zunächst gut beraten. Er tut gut daran, sachte vorzugehen und ein eingefahrenes, gut laufendes Unternehmen nur sanft zu verändern. Definitiv ist Empathie gefragt, sich auf die „neue“ Umgebung einzustellen. Von Anfang an - beim initialen Austausch mit dem Unternehmensverkäufer, bei der Bekanntgabe der Nachfolge und im Operativen gegenüber den bestehenden Mitarbeitern und abermals beim Unternehmensverkäufer, der zumindest für eine Übergangsfrist von ein bis zwei Jahren dem Nachfolger mit Rat und Tat zur Seite stehen sollte.

Fazit

Unter dem Strich gibt es kein Falsch oder Richtig. Aber es gibt eine mehr als attraktive Alternative zum vielgepriesenen Gründen am Markt, die bis dato wenige nutzen – mangels Bekanntheit. Die deutschen Hochschulen hatten bis vor einigen Jahren das Thema Gründen nicht auf dem Radar. Mittlerweile sind überall universitär initiierte Gründerzentren entstanden. Dasselbe bahnt sich hoffentlich auch für die Nachfolge an. Angesichts einer Vielzahl nachfolgereifer Unternehmen (festgemacht am Alter der Firmeninhaber) und des deutlich reduzierten Risikos ist dies mehr als sinnvoll auch für junge Entrepreneure. Wenn am Ende auch das Handwerk reagiert und über die Kammern, die IHK etc. Nachfolgen im Sinne eines zu lehrenden Inhalts vermittelt wird, kann Deutschland nur gewinnen. Die dort ansässigen, exzellenten Unternehmen sind es wert. Und diejenigen, die Ambition besitzen, ein Unternehmen zu führen, die Herzblut genug für eine solche Aufgabe besitzen, können sich durch die Nachfolge hervorragend verwirklichen, ohne das große Risiko des Scheiterns auf sich zu nehmen.

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Gastautor

Michael Hoh
Michael Hoh
Partner M&A
ascon Mergers & Acquisitions

 

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