Gründen vs. Nachfolge: Die unterschätzte Möglichkeit der Firmenakquise

Rund 500.000 bis 600.000 KMU planen, ihre Firmen kurz- oder mittelfristig zu verkaufen, so die KfW. Viel Potenzial also, in die Unternehmensnachfolge einzusteigen. Doch warum steht Gründen immer noch ganz weit oben auf der Wunschliste von Unternehmern?

Gründen vs. Nachfolge: Die unterschätzte Möglichkeit der Firmenakquise

Basel II und III haben die Problematik der Nachfolgefrage noch einmal stärker in den Vordergrund gerückt, doch die familieninterne Unternehmensnachfolge hat innerhalb der letzten Jahrzehnte massiv an Popularität verloren. Oftmals bringen Nachkommen nicht die nötigen Fähigkeiten mit, um das Unternehmen weiterzuführen, oder haben schlichtweg vollkommen andere Zukunftspläne. Eine Chance also für externe Firmenkäufer, die Unternehmen zu übernehmen und mit Motivation und Innovationskraft direkt voll und ganz einzusteigen.

Ein stabiles Unternehmen als Nachfolger zu übernehmen und über die Jahre strategisch auszubauen, scheint eine schlüssige und erfolgversprechende Entscheidung zu sein. Doch diese Möglichkeit wird immer noch viel zu selten genutzt, obwohl sie laut Stiftung KMU Next eine Erfolgsquote von etwa 95 Prozent bietet. Stattdessen stehen eigenständiges Gründen und bei null anfangen immer noch weit oben auf der Wunschliste von Unternehmern, insbesondere Jungunternehmern – und das, obwohl rund 80 Prozent der neugegründeten Firmen scheitern.

Gründen vs. Nachfolge: Vorteile der Neugründung

Bei null anfangen – diese Aussicht scheint weniger abschreckend zu sein, als man zunächst vermutet. Die konstant hohe Anzahl der Neugründungen spricht für sich. Aber welche Vorteile bieten sich hier Gründern und Jungunternehmern?

• Eigene Visionen umsetzen, anstatt sich bestehenden Strukturen und Plänen zu unterwerfen – das bedeutet für Gründer und Gründerinnen maximale Freiheit und Flexibilität, anstatt Altlasten oder historische Verpflichtungen berücksichtigen zu müssen

• Es gibt zahlreiche Förderprogramme, Gründungswettbewerbe und mehr, um sich eine gute finanzielle Basis zu schaffen. Des Weiteren existiert ein riesiges Beratungsangebot und auch steuerlich gesehen ergeben sich für Neugründer Vorteile

• Die Führungskraft kann gemeinsam mit dem Unternehmen wachsen – es bleibt noch viel Zeit und Raum zur Entwicklung

Gründen vs. Nachfolge: Nachteile für Gründer

Die Unternehmensgründung bietet zwar einige Vorteile, ist jedoch auch mit zahlreichen, nicht zu vernachlässigenden Risiken verbunden. Dazu zählen unter anderem die folgenden Faktoren:

• Ein Kundenstamm muss erst noch identifiziert und gewonnen, sowie letzten Endes durch passgenaue Produkte bzw. Dienstleistungen auch gehalten werden

• Auch der allgemeine Marktzugang ist eine Hürde, denn Partner und Zulieferer müssen gefunden und Netzwerke auf- sowie ausgebaut werden

• Das durch stetige Neugründungen weiter bestehende Nachfolgeproblem könnte die Wirtschaft nachhaltig schädigen oder zumindest eine Stärkung von Deutschland als Wirtschaftsstandort verhindern

• Es bedarf fähiger Mitarbeiter und eingespielter Teams, um ein Unternehmen zum Erfolg zu führen – es kann mitunter viel Zeit kosten, bis eine zufriedene, kompetente und kompatible Belegschaft entsteht

• Bei der Neugründung ist kein Cashflow garantiert – oft sind Finanzierungen, Fundraising und Co. nötig, um alle initialen und laufenden Ausgaben über einen gewissen Zeitraum abdecken zu können

• Es fallen bürokratische Gründungsaufgaben an, die Zeit, Geld und Ressourcen kosten – Genehmigungen, Patente u.Ä. zählen dazu

Das unterschätzte Potenzial der Unternehmensnachfolge

All diese Nachteile der Unternehmensneugründung sind gleichzeitig entsprechend auch Vorteile der Unternehmensnachfolge. Wer sich dazu entscheidet, anstatt zu gründen ein liquides KMU mit gesunden Strukturen und guten Bilanzen zu übernehmen, hat eine solide Basis und einen maßgeblichen Startvorteil. Auch hier können sich Unternehmer nach der Akquise intensiv einbringen – insbesondere der Bereich Digitalisierung bietet im Mittelstand viel unausgeschöpftes Potenzial.

Die wohl größte Herausforderung bei der Unternehmensnachfolge ist das Finden eines geeigneten Unternehmens. Hier müssen nicht nur die Zahlen stimmen – es kommt immer auch auf die Chemie zwischen den unterschiedlichen Parteien an. Mittlerweile gibt es allerdings viele exzellent ausgebildete und vernetzte M&A Berater sowie M&A Matching-Plattformen, die erstklassige Deals gemäß den individuellen Ansprüchen gewährleisten können.

Effekte der boomenden Neugründungen auf die Nachfolgewelle

Ein Mindshift in Jungunternehmern bezüglich der Thematik Gründen vs. Nachfolge ist aktuell dringend notwendig. Sobald die jetzige Generation von Firmenchefs in Rente geht – also über die kommenden Jahre hinweg – könnten zahlreiche Unternehmen ohne Nachfolger dastehen und es drohen dementsprechende Konsequenzen, im Worst Case auch die Insolvenz. Doch warum spricht die Nachfolgefrage noch nicht ein weitaus breiteres Publikum an, als sie es aktuell tut? Sie bietet schließlich eine attraktive und innovative Alternative zur risikobehafteten Neugründung.

Ein wichtiger Grund dafür kann nach wie vor der starke Wunsch nach Selbstverwirklichung sein, der insbesondere bei der jüngsten Generation von Gründern und Unternehmern ausschlaggebend dafür ist, etwas Eigenes auf die Beine stellen zu wollen.

Damit einher geht auch der Wunsch nach Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit, was alle unternehmerischen Ebenen – von Strukturen und Abläufen bis hin zur Produktpalette und den Mitarbeitenden – betrifft. Speziell bei Gründerinnen zeigt sich außerdem auch das Bedürfnis, durch flexibles Arbeiten Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können.

Start-ups genießen in den letzten Jahren zudem ein interessantes und cooles Image, das auf viele jüngere Gründer verlockender wirkt, als alteingesessene Traditionsunternehmen fortzuführen. Der Mittelstand hat häufig noch mit einem eher angestaubten Image zu kämpfen – oftmals völlig zu Unrecht. Die wachsende Anzahl verkaufsbereiter KMU am Markt könnte jedoch den ein oder anderen Gründer dazu bewegen, weitere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.

Obwohl es bei der Entscheidung Gründen vs. Nachfolge immens auf die individuelle Gründerpersönlichkeit und auch die Ausgangssituation ankommt, gilt es, nicht vorschnell den Weg der Neugründung zu wählen, ohne vorher alle Optionen im Detail abzuwägen. Die Unternehmensnachfolge bietet schon länger, insbesondere aber auch in der aktuellen Zeit, erfolgsversprechende Chancen.

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Gastautor

Kai Hesselmann, Co-Founder und Managing Partner von DealCircle
Kai Hesselmann
Co-Founder, Managing Partner
DealCircle

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