Fremdfinanzierung in Zeiten globaler Turbulenzen

Das geänderte Finanzierungsumfeld stellt Unternehmen vor große Herausforderungen bei der Beschaffung von Fremdkapital. Eine angepasste Strategie ist nötig, um die Finanzierungssicherheit nachhaltig zu gewährleisten.

Fremdfinanzierung in Zeiten globaler TurbulenzenBild: Deloitte

Das Finanzierungsumfeld wandelt sich rapide

Viele Unternehmer und Manager sind derzeit mit multiplen Krisen konfrontiert: Ukraine-Krieg, Verschiebung der globalen Lieferketten, mögliche Eskalation im Nahen Osten, Energiewende…! Die Folge sind u.a. hohe Energiekosten, Inflation, wirtschaftliche Unsicherheit und Konsumzurückhaltung. Zusammen mit notwendigen Investitionen für eine Transformation hat dies bei vielen Unternehmen zu einer angespannten Liquiditätssituation geführt. Nachdem das Thema Finanzierung lange Zeit nicht unbedingt als kritisches Thema auf der Agenda stand, hat sich dies nun geändert. Ein wesentliches Element spielt hierbei auch die Schwäche mancher Banken. Erste Anzeichen waren der Zusammenschluss der Credit Suisse und der UBS sowie die Insolvenz der Silicon Valley Bank. Die Immobilien-Krise verschärft die Lage weiter und viele Banken mussten die Risikovorsorge deutlich erhöhen – die Insolvenzen im Umfeld der Signa-Gruppe sind nur die Spitze des Eisbergs. Viele fragen sich nun: „Sind Banken noch verlässliche Finanzierungspartner für mein Unternehmen?“

Auch das Finanzierungsumfeld für Unternehmen hat sich mit Beginn der Zinswende Anfang 2022 gänzlich verändert – mit derzeit 4,75% befindet sich der EZB-Leitzins auf dem höchsten Niveau seit 2009. Viele Unternehmen, die von den günstigen Konditionen profitiert haben, sind nun mit schmerzhaft hohen Finanzierungskosten konfrontiert.

Dies belastet sowohl die Profitabilität als auch die Liquidität, da gestiegene Zinskosten, wenn überhaupt, oft nur mit Zeitverzögerung an Kunden weitergegeben werden können. Eine leichte Entspannung durch eine Zinssenkung ist wohl frühestens nach der EZB-Sitzung im Juni zu erwarten, sollte sich der Inflationsausblick bis dahin bestätigen. Nur wer die gestiegenen Kosten direkt an seine Kunden weitergeben kann, profitiert dadurch, dass die Inflation die Verschuldung schrumpfen lässt.

Welche Finanzierungspartner sind noch zugänglich?

Eine zusätzliche Herausforderung besteht darin, dass klassische Banken bei der Kreditvergabe deutlich restriktiver und risikoaverser geworden sind. Sie legen den Fokus auf Tier-1 Kunden mit hochwertigen Assets und starker Bonität. Nicht nur Neugeschäft, sondern auch Prolongationen werden kritischer betrachtet als in der Vergangenheit. Neben höheren Zinsen bedeutet dies oft mehr Sicherheiten und kürzere Laufzeiten.
Manche Branchen mit eigenen, spezifischen Problemen sind hiervon besonders betroffen, z.B. Automotive, Immobilienwirtschaft oder Einzelhandel.

Viele Unternehmen treibt daher die Frage um, wie sie sich bestmöglich refinanzieren oder neue liquide Mittel für notwendige Investitionen oder eine Transformation einsammeln können.

Liquidität und Finanzierungssicherheit sollten oberste Ziele sein

Grundsätzlich sollte jede Finanzierungsentscheidung zu den langfristigen strategischen Zielen des Unternehmens passen sowie zur Optimierung der Kapitalstruktur und der finanziellen Belastbarkeit beitragen.

Im derzeitigen Marktumfeld sollte die Sicherung der Liquidität die oberste Maxime sein, um stets auf unerwartete Ereignisse flexibel reagieren zu können. Wichtige Bestandteile hierbei sind sowohl die Diversifizierung der Finanzierungsquellen als auch der Laufzeiten und Zinsen: Ein Mix aus verschiedenen Finanzierungsinstrumenten, kurz- und langfristigen Krediten sowie festen und variablen Zinsen verringert das Refinanzierungsrisiko und die Volatilität der Finanzierungskosten.

Zudem sollte die Finanzierungsstruktur individuell auf die Cashflow-Planung abgestimmt werden, indem tilgende und endfällige Darlehen sowie möglicherweise PIK-Komponenten (Payment-in-kind) optimal kombiniert werden.

Neben klassischen Krediten sollten Unternehmen auch vermögensbasierte Lösungen in Betracht ziehen. Hierbei spielt das Leasing / Sale-and-Lease-Back von Anlagevermögen ebenso eine Rolle wie die Finanzierung des Warenlagers und der Forderungsverkauf. Eine damit einhergehende Verkürzung der Bilanz hat oft auch eine positive Auswirkung auf das Kreditrating und erleichtert damit eine klassische Bankenfinanzierung.

Debt Funds als Alternative zu klassischen Kreditgebern

In der vergangenen Niedrigzinsphase ist sehr viel Kapital in private Debt Funds geflossen. Mit der Bereitstellung von flexiblen Finanzierungsstrukturen sind diese über die letzten Jahre ein wichtiger Finanzierungspartner für Unternehmen geworden.

Sie bieten Unternehmen eine höhere Flexibilität bei der maximalen Verschuldung, den Covenants, dem Tilgungsprofil oder erlaubten Dividenden. Ein weiteres Kriterium sind die erhöhte Ausführungsgeschwindigkeit und kurze Entscheidungsprozesse. Zudem sind neben einer klassischen Senior-/Unitranche Finanzierung weitere Strukturen denkbar (Holding-Finanzierung, Mezzanine, Quasi-Eigenkapital etc.), welche sich gerade im Umfeld einer Transformation oder Restrukturierung anbieten.

Die Bedeutung der Debt Story im Finanzierungsprozess

Ein strukturierter Finanzierungsprozess mit einer individuellen und gut ausgearbeiteten „Debt Story“ ist unabdingbar für eine erfolgreichen Finanzierung geworden. Diese muss die wichtigsten Themen zur Bewertung des Kreditrisikos adressieren:

‒ Hat das Unternehmen ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell?
‒ Wie ist die Kunden- und Lieferantenstruktur?
‒ Wie stark wird die Profitabilität von Energiekosten und Rohstoffpreisen beeinflusst?
‒ Wie sind die Branchenaussichten und die Positionierung im Wettbewerb?
‒ Wie haben sich die Finanzzahlen historisch entwickelt?
‒ Ist der Businessplan plausibel und belastbar?
‒ Welcher Investitionsbedarf besteht in den nächsten Jahren?
‒ Sind die Cashflows stabil und ausreichend zur Bedienung von Zins und Tilgung?
‒ Gibt es Umwelt-, Sozial- und Governance-Bedenken (ESG)?

All diese Themen werden vor der Kreditentscheidung genau beleuchtet. Hierfür sollte ausreichend Zeit und Liquiditätspuffer eingeplant werden, da diese Prozesse aufgrund personeller Kapazitätsengpässe und intensiveren Prüfungen derzeit länger dauern als in der Vergangenheit und zudem gewohnte Partner eventuell nicht mehr zur Verfügung stehen.

Der Vorteil einer Finanzierungsberatung

Internationale und börsennotierte Konzerne haben es vergleichsweise leicht, an Kredite zu kommen, da ihr Geschäftsmodell und ihre Produkte den Banken bekannt sind und eine Fülle an Informationen und Research über das Unternehmen verfügbar ist. Zudem haben sie in der Krise besseren Zugang zu Eigenkapital oder im schlimmsten Fall zu staatlicher Hilfe aufgrund der nationalen Bedeutung.

Für große Mittelständler und kleinere Unternehmen ist der Aufwand für eine Finanzierung größer. Ein guter Finanzierungsberater stiftet hierbei einen signifikanten Mehrwert im Finanzierungsprozess und kann oftmals der ausschlaggebende Faktor für eine erfolgreiche Transaktion sein.

Zum einen unterstützt er das Management vorab als unabhängiger und objektiver Dritter sowohl bei der Entwicklung der maßgeschneiderten Debt Story und der Finanzierungsstrategie, welche der Zielsetzung des Unternehmens optimal gerecht wird. Zum anderen managt er die Erstellung des Informationspaket für die Finanzierer und ist erster Ansprechpartner während des Due Diligence Prozesses. Das Management ist dadurch deutlich entlastet und kann sich auf die Unternehmensführung konzentrieren. Abgesehen davon besitzt der Finanzierungsberater ein breites Know-how aus den verschiedensten Transaktionen und ein großes Netzwerk mit direktem Zugang zu Entscheidungsträgern bei Kreditgebern. Dadurch kann er das Vorhaben des Unternehmens optimal positionieren und möglicherweise kritische Themen proaktiv ausräumen.

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Gastautoren

Jens von Loos

Jens von Loos
Managing Director
Head of Debt & Capital Advisory
Deloitte GmbH

Mathias Übler

Mathias Übler
Assistant Director
Debt & Capital Advisory
Deloitte GmbH

 

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