Familienunternehmen: Fragile Stabilität im Spannungsfeld der Generationen

Familienunternehmen genießen eine prominente Stellung im Wirtschaftsgefüge, geraten jedoch häufig durch interne Konflikte in den Fokus der Öffentlichkeit. Diese Vorfälle werfen ein verzerrtes Bild auf diese wesentlichen Säulen unserer Wirtschaft. Trotz dieser Herausforderungen leisten Unternehmerfamilien täglich einen unverzichtbaren Beitrag zur Wertschöpfung, Innovation und zum allgemeinen Wohlstand. Um die komplexe Dynamik in familiären Firmenstrukturen zu begreifen, ist ein tiefgreifendes Verständnis erforderlich.

Familienunternehmen: Fragile Stabilität im Spannungsfeld der GenerationenBild: KERN-Standort München

Ein prägnantes Beispiel dafür bot sich im September 2017: Herbert Meyer, Inhaber einer mittelständischen GmbH in Bremen, geriet mit seinem Sohn Ferdinand in einen heftigen Streit. Auslöser war eine scheinbar banale Aufforderung: Das Aufräumen des Lagers im Vorfeld eines wichtigen Kundenbesuchs. Die daraus resultierende familiäre Spannung veranlasste Herbert Meyer, einen Mediator hinzuzuziehen. Dieser Fall ist symptomatisch für die Herausforderungen, mit denen sich Unternehmerfamilien konfrontiert sehen.

Seit über 40 Jahren eröffnet das Drei-Kreise-Modell von Renato Tagiuri und John Davis von der Harvard Business School Unternehmerfamilien neue Perspektiven. Dieses Modell, das die Subsysteme Familie, Eigentum und Unternehmen in einem Familienunternehmen aufzeigt, ist einfach, aber effektiv. Es identifiziert sieben verschiedene Interessengruppen, die sich aus der Überlappung dieser drei Bereiche ergeben, und beleuchtet so potenzielle Rollenkonflikte.

Im Falle der Meyers lag der Konflikt in einer Rollenverwechslung: Ferdinand verstand den Auftrag, das Lager zu räumen, als persönlichen, nicht als geschäftlichen. Dies führte zu einer Reaktivierung alter familiärer Spannungen, wenn es darum ging, das eigene Zimmer aufzuräumen.

Trotz ihrer scheinbaren Anfälligkeit bieten Familienunternehmen jedoch eine stabile und resiliente Grundlage für die Wirtschaft und die Gesellschaft als Ganzes. Starke familiäre Werte wie Vertrauen, Integrität und soziale Verantwortung spiegeln sich oft in der Unternehmenskultur wider und können weitreichende positive Auswirkungen auf Mitarbeiter, deren Familien und die lokale Gemeinschaft haben.

Bild: KERN-Standort München

Ein besonders kritisches Thema in Familienunternehmen ist der Generationenwechsel. Die Homöostase, das Bestreben eines Systems, seinen aktuellen Zustand beizubehalten, wird insbesondere bei der Übergabe der Firma an die nächste Generation deutlich. Nehmen die Nachfolger Ihre neun Rollen als Gesellschafter, als Mitglied der Geschäftsleitung usw. nun war, bedeutet das für den aktuellen Unternehmenslenker sich aus der alle Kreise überschneidenden Position in der Mitte zu entfernen. Anlass für das System ins Wanken zu geraten mit all seinen Versuchen, den gewohnten Ursprungszustand wieder herstellen zu wollen. Denn Werte, Bedürfnisse und die Identifikation mit neuen Rollen werden oft anders interpretiert als vom Vorgänger.

Um einen sanften Übergang zu gewährleisten, ist die frühzeitige Beschäftigung mit dieser Thematik, die Einbindung aller Stakeholder und die Entwicklung einer langfristigen Inhaberstrategie unerlässlich. Eine moralisch bindende Familienverfassung und ein rechtlich bindender Gesellschaftervertrag können hierbei ein wertvolles Ergebnis sein.

Das Modell der Kreise zeigt auch, dass sich die Bedürfnisse und Sichtweisen der Akteure ständig weiterentwickeln. Familienunternehmen müssen sich daher nicht nur mit aktuellen Herausforderungen auseinandersetzen, sondern auch proaktiv für zukünftige Entwicklungen planen.

Bei gut jeder zweiten Unternehmerfamilie steht allerdings die Juniorgeneration für ein Engagement im eigenen Familienbetrieb nicht zur Verfügung. Zu sehr differieren die Vorstellungen von einem erfüllten Leben mit der gelebten Praxis des Unternehmerdaseins. Eine Tendenz, der man durchaus auch was Positives abgewinnen kann, ist doch Freiwilligkeit bei der Übernahme von Verantwortung und Risiko ein wichtiges Gut, um langfristig motiviert zu bleiben.

Dem Senior bleibt dann nur noch die Trennung von Familie und Unternehmen, in dem die Führung und das Eigentum an Dritte übertragen wird, oder es wird nach einer Mischform gesucht, bei der entweder das Kapital oder das Management in der Familie bleibt.

In jedem Fall führt das Auftreten neuer Akteure zu Stress im gewohnten Familienunternehmersystem. Die Neutralität des Kreismodells kann dabei helfen, Spannungen zu entschärfen, indem es die Bedeutung der Rollen hervorhebt, statt Unterschiede auf Persönlichkeitsdifferenzen zurückzuführen. Spannungen werden verständlicher, wenn die Beteiligten erkennen, wo ihre Konfliktpartner im Modell stehen. Ein wohltuender Ansatz, damit auch künftig Familienunternehmen die deutsche Unternehmerlandschaft positiv prägen.

Gastautoren

Roland Greppmair
Roland Greppmair
Partner, Standort München
KERN-System GmbH

 

Holger Habermann
Holger Habermann
Partner, Standort Oberbayern
KERN-System GmbH

DUB-Themennewsletter ✉

Mit dem Themennewsletter der Deutschen Unternehmerbörse erhalten Sie alle wichtigen Informationen aus der Welt der Unternehmensnachfolge regelmäßig per E-Mail. Einmal pro Monat senden wir Ihnen Fachbeiträge, Informationen zu aktuellen Veranstaltungen sowie ausgewählte Verkaufs- und Franchiseangebote.

Jetzt abonnieren!