Mit fünf Faktoren die Aussichten auf einen erfolgreichen Prozess steigern

Distressed M&A Transaktionen erfolgreich umsetzen – Ein Praxisbeispiel

Aus der Praxis für die Praxis – Jede Transaktion weist besondere Eigenheiten auf, auf die im Rahmen des Prozesses individuell eingegangen und reagiert werden muss. Unserer Erfahrung nach sind jedoch für den Erfolg einer Transaktion fünf übergeordnete Faktoren von besonderer Bedeutung.Distressed M&A Transaktionen erfolgreich umsetzen – Ein PraxisbeispielCOVID-19 Pandemie, Unterbrechung der Lieferketten, geopolitische Verschiebungen, Digitalisierung von Geschäftsmodellen – dies sind nur einige Schlagworte, die mittlerweile zum Alltag vieler Unternehmen geworden sind. Die Bedeutung dieser zunehmenden globalen Verwerfungen und Ungewissheiten führen zu teilweise unerwarteten und existenzbedrohenden Auswirkungen auf langjährig erprobte und als solide geglaubte Geschäftsmodelle.

Die Lösung solcher Situationen bedeuten nicht selten einschneidende Maßnahmen, die bestehende Gesellschafter, Finanzierer und andere Stakeholder immer häufiger an Ihre Grenzen bringen. Der Unternehmensverkauf in der Krise ist dabei oft der letzte Ausweg.

Krisenverstärkung durch rein stationäre Positionierung

Der deutsche Marktführer für Sporternährung, SNC - Sports Nutrition Company (Name anonymisiert), geriet durch verschärften Wettbewerbsdruck, in einem bis dato hochattraktiven Marktsegment, zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Als Antwort hierauf haben die Eigentümer, mit Unterstützung der Finanzierer, eine umfassende strategische Neuausrichtung eingeleitet. Diese zeigte nach kurzer Vorbereitungszeit bereits erste messbare Erfolge, als der Corona-Lockdown am 22. März 2020 in Kraft trat. Das jedoch, in Folge drastisch verändertem Einkaufsverhalten der Konsumenten hin zum Online-Handel, führte zu sensiblen Umsatzeinbrüchen und verschärfte die finanzielle Situation des Unternehmens.

Konfrontiert mit der Einschätzung, dass die Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen auf das operative Geschäft sich nicht kurzfristig ändern werden, begrenzte die Handlungsoptionen erheblich, sodass der Verkauf des Unternehmens, als die von allen Beteiligten präferierte Lösung, eingeleitet wurde. Konterkarierende Zielsetzungen erschweren die Lösungsfindung Neben dem primären Ziel, das Fortbestehen des Unternehmens zu sichern, mussten die teilweise gegensätzlichen Bedürfnisse einer ganzen Reihe von Stakeholdern berücksichtigt werden.

Während die Finanzierer eine möglichst hohe Quote auf Ihre Kredite sicherstellen wollten, waren die Eigentümer und das Management auf eine Begrenzung der mit der Transaktion verbundenen haftungsrechtlichen Risiken bedacht. Während die Mitarbeiter auf die Sicherung Ihrer Arbeitsplätze zielten, stellten potenzielle Investoren die finanzielle Tragfähigkeit des Übernahmekonzepts in den Vordergrund. Lieferanten und deren Kreditversicherer wollten einem Ausfall vorbeugen und etwaige preisliche Zugeständnisse vermeiden, wohingegen die Kunden auf eine möglichst stabile Liefersituation, bei ebenfalls unveränderten Abgabepreisen aus waren.

Beachtung von fünf Faktoren steigern die Aussichten auf einen erfolgreichen Prozess

Es liegt in der Natur der Sache, dass jede Transaktion besondere Eigenheiten aufweist, auf die im Rahmen des Prozesses individuell eingegangen und reagiert werden muss. Unserer Erfahrung nach sind jedoch für den Erfolg einer Transaktion fünf übergeordnete Faktoren von besonderer Bedeutung.

1. Detaillierte Vorbereitung

Bei der SNC lagen zwischen der Entscheidung das Unternehmens zu verkaufen und dem Zeitpunkt, an welchem die Transaktion vollzogen sein musste, weniger als sechs Monate - ein für den Grad der Komplexität sehr anspruchsvoller Zeitplan.

Dieser war nur einzuhalten, indem von Beginn an auf die Vorbereitungsphase höchste Aufmerksamkeit gelegt wurde. Zuallererst musste deshalb eine detaillierte und mit allen Parteien abgestimmte Prozessplanung erarbeitet werden, die die Ergebnisse einer professionellen Liquiditätsplanung berücksichtigt, sodass alle Aktivitäten auf den Zeitpunkt bis zu dem die Finanzierung des Unternehmens sichergestellt ist, abgestimmt sind. Darüber hinaus ist das Erwartungsmanagement in Richtung der verschiedensten Stakeholder von hoher Bedeutung – Kaufpreiserwartung, mögliche personelle Einschnitte, Haircut, etc. sollten von Beginn an offen und transparent kommuniziert werden.

Nur so lassen sich Überraschungen im weiteren Verlauf des Prozesses vermeiden. Auch der Erstellung der Verkaufsunterlagen kommt große Bedeutung zu. Eine schlüssige Argumentation für den Verkauf eines Unternehmens in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation, die Gründe, warum sich das Unternehmen in dieser befindet, gepaart mit dem Ausblick auf zukünftige Gestaltungsmöglichkeiten, sind Kern der Überlegungen potenzieller Investoren. Nur wenn gleich zu Beginn von der Investment-Story überzeugt werden kann ist die weitere Auseinandersetzung mit dem Unternehmen wahrscheinlich und der Einsatz erheblicher Ressourcen für eine Due Diligence sinnvoll.

Ähnlich verhält es sich auch mit den im Datenraum zur Verfügung gestellten Unterlagen. Im Idealfall wird zur Vorbereitung eine umfassende Vendor Due Diligence beauftragt. Häufig jedoch fehlen, insbesondere bei distressed M&A-Transaktionen, dafür die Zeit und die finanziellen Mittel. Doch ungeachtet dessen sind neben der Vollständigkeit, Aktualität, und Wesentlichkeit, eine klare Strukturierung, Konsistenz und Nachvollziehbarkeit essenziell.

Oft jedoch wird eine strukturierte und detaillierte Abarbeitung dieser Punkte als Zeitverschwendung abgetan und der Marktangang verfrüht gestartet. Doch es ist gerade diese akribische Vorbereitung, die darüber entscheidet, wie schnell und entschieden im weiteren Verlauf des Prozesses agiert und damit die Gesamtdurchlaufzeit des Projektes deutlich verkürzt werden kann.

Die Professionalität des Prozesses ist ein weiterer entscheidender Faktor, um von potenziellen Investoren in einem von Unsicherheiten geprägten Umfeld das notwendige Vertrauen zu erhalten. Nichts verzögert einen M&A-Prozess mehr als Q&A-Runden in denen lediglich die Inhalte von Excel-Listen abgestimmt werden.

2. Fokus auf das operative Geschäft

Das Management und die Mitarbeiter der SNC sahen sich aufgrund der ad-hoc veränderten Marktsituation mit einem überdurchschnittlich hohen Arbeitsaufwand konfrontiert. In dieser herausfordernden Situation, sollte nun von den gleichen Personen zusätzlich noch ein M&A-Prozess begleitet und umgesetzt werden. Die Gefahren, dass in einem derartig angespannten Umfeld wichtigen operativen Themen zu wenig Beachtung geschenkt wird, sind groß. Häufig stehen nun die Aktivitäten rund um den M&A-Prozess im Vordergrund, während das operative Geschäft vernachlässigt wird.

Das kann eklatante Folgen für das Unterhemen haben, eine klare Fokussierung auf das operative Geschäft ist auch in einer solchen Ausnahmesituation zwingend notwendig. Immer neue Hiobsbotschaften aus dem operativen Geschäft, die den Kern des Unternehmens weiter schwächen, sind Gift für jeden distressed M&A-Prozess. Kundenverluste, gekündigte Linien bei Warenkreditversicherern, Belieferungsstopps, Vorkassen, Mitarbeiterabgänge, verzögerte Einführung von Neuprodukten und vieles mehr führen nicht nur zu einer noch angespannteren finanziellen Lage und damit weiter eingeschränktem Handlungsspielraum bis zum Abschluss der Transaktion, sondern machen die Situation für potenzielle Investoren nach der Übernahme immer herausfordernder.

Dies wiederum führt in vielen Fällen zu Kaufpreisanpassungen oder sogar dem vollständigen Verlust von Investoren. Wird jedoch im laufenden Prozess gezeigt, dass die handelnden Personen ihr Tagesgeschäft im Griff haben, an der Beseitigung wesentlicher Verlustursachen arbeiten und strategische Weichen stellen, auf denen ein zukünftiger Eigentümer aufsetzen kann, schafft das enorm viel Vertrauen.

3. Zielgerichteter Prozess

Das theoretische Käuferuniversum für SNC war groß. Neben Wettbewerbern, Lieferanten, Kunden, kleinen Markenunternehmen sowie großen Lebensmittelkonzernen, kamen auch viele finanzielle Sponsoren wie Private Equity oder Family Offices in Frage. Der Aufwand der mit der Ansprache, Vereinbarung von Vertraulichkeitsvereinbarung, Erläuterung von Teaser und Information Memorandum, Nachfragen und Nachfassen verbunden gewesen wäre, hätte den Prozess aus dem zeitlichen Rahmen laufen lassen.

Deshalb ist es entscheidend aus der Vielzahl potenzieller Interessenten vorab diejenigen herauszufiltern, bei denen zu erkennen ist, dass sie ernsthaft an dem zum Verkauf stehenden Unternehmen interessiert sind, was zugleich den Transaktionserfolg deutlich erhöht. Das Transaktionsteam sollte dafür alle zur Verfügung stehenden Informationen nutzen und für jeden potenziellen Interessenten ein klares strategisches Rational herausarbeiten.

Die Bewertungskriterien, umfassen regelmäßig etwaige Synergien im operativen Geschäft, mögliche Ergänzung bestehender Produkte und Dienstleistungen, Erschließung neuer Märkte oder Technologien, Aufbau zusätzlicher Kapazitäten, Ergänzung des Know-Hows, finanzielle Stärke, usw. Im Rahmen von distressed M&A-Transaktionen sollte zudem verstärkt Fokus auf die Erfahrung mit Sondersituationen gelegt werden, sodass insbesondere Geschwindigkeit, Flexibilität und Pragmatismus sichergestellt sind. Die Fokussierung auf wenige, aber dafür vielversprechende Investoren stellt sicher, dass die begrenzten Ressourcen an der richtigen Stelle eingesetzt werden. So lässt sich der Prozess entscheidend verkürzen.

4. Komplexität managen

Die mit distressed M&A-Transaktionen verbundene Komplexität wird zu Beginn des Prozesses häufig unterschätzt. Neben den schon sehr herausfordernden Kaufvertragsverhandlungen mit mehreren potentiellen Käufern müssen in den meisten Fällen noch umfassende Nebenbedingungen verhandelt werden.

Von der Fokussierung auf nur einem Verhandlungspartner ist grundsätzlich abzuraten denn, sollte die Transaktion nicht Zustandekommen, zumeist eine Insolvenz die Folge ist, da die Zeit zur Wiederaufnahme und dem Abschluss der Verhandlungen mit einem neuen Partner fehlt.

Nebenbedingen sind u.a.: Kundenvereinbarungen über bspw. Preiserhöhungen, Zusatzaufträge, verkürzte Zahlungsziele oder Einmalzahlungen, Vereinbarungen mit den Mitarbeitenden über Sanierungstarifverträge und Transfergesellschaften, Finanzierungskonzepte unter Berücksichtigung bestehender Banken aber auch Leasinggesellschaften, der Abschluss einer W&I Versicherungen, die Abklärung eines Sanierungserlasses mit dem zuständigen Finanzamt oder die Bestätigung der Fortführungsprognose nach Umsetzung der Transaktion.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Vereinbarungen stets in Abhängigkeit zueinanderstehen und damit die Änderungen der einen auch immer Änderungen aller anderen nach sich zieht. Um diese Komplexität beherrschbar zu machen und den Überblick über die Details zu bewahren, ist es ratsam M&A-Berater, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Anwälte zu engagieren, die große Erfahrung in distressed M&A-relevanten Themenstellungen vorweisen können.

5. Stakeholder Kommunikation

Nicht zuletzt ist die durchgängige Kommunikation mit allen Stakeholdern über den gesamten Prozess und insbesondere in der finalen Verhandlungsphase sicherzustellen. Aufgrund der Komplexität sind die Auswirkungen auf jeden einzelnen für diese oft nur schwer nachvollziehbar.

Abhängigkeiten transparent zu machen sowie entsprechende Entscheidungsvorlagen zu erarbeiten und durchzusetzen, erfordert vom Transaktionsteam neben den entsprechenden Ressourcen auch eine gesunde Einschätzung für das Machbare und Taktgefühl im Umgang mit allen Parteien.

Erfahrung des Käufers und professioneller Prozess führen zum Erfolg

Der neue Investor von SNC hatte ein klares Marktverständnis, eine realistische Einschätzung zur Umsetzung der Maßnahmen sowie die notwendigen finanziellen Ressourcen, um in den Marktführer zu investieren.

Die richtige Auswahl des neuen Investors und der Abschluss der Transaktion konnte jedoch nur sichergestellt werden, indem die oben genannten Faktoren zu jeder Zeit beachtet wurden. In einem distressed M&A-Prozess ist Geschwindigkeit und die pragmatische Abschätzung von Chancen und Risiken Trumpf. Nur ein von einem erfahrenen Team professionell geführter Prozess kann dies sicherstellen und somit eine für alle beteiligten tragfähige und vor allem nachhaltige Lösung erzielen.

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Gastautoren

Thilo Herbertz
Thilo Herbertz
Director
Helbling Business Advisors GmbH

Jan-Erik Gürtner
Jan-Erik Gürtner
Geschäftsführer Helbling Business Advisors GmbH
Partner der Helbling Gruppe

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