Auf das, was da noch kommt!

Vor 25 Jahren trat die Insolvenzordnung in Kraft. Die InsO bildet nach wie vor das rechtliche Fundament für Sanierungen. Die Arbeit von Saniererinnen und Sanierern umfasst aber noch viel mehr und wandelt sich weiter.

Auf das, was da noch kommt!

„25 Jahre InsO – wir können Krise“ – so lautete das Motto, unter dem Mitte März in Berlin der 21. Deutsche Insolvenzrechtstag stattfand. Bei der Fachveranstaltung geht es jedes Jahr in zahlreichen Vorträgen und Podiumsdiskussionen um Neuerungen und Entwicklungen rund um Insolvenzen und Unternehmenssanierungen – einer Branche, die sich in einer Phase des Wandels befindet.

Eine Sondersituation für alle Beteiligten

So spielt zum Beispiel der Umgang mit den Beteiligten in einer Sanierung abseits der rein rechtlichen Parameter eine immer größere Rolle. Fakt ist, dass eine Insolvenz – unabhängig davon, ob sie in einem Regelinsolvenzverfahren, einer Eigenverwaltung oder einem Schutzschirmverfahren abläuft – für alle Beteiligten eine Sondersituation darstellt. Das reicht vom Unternehmer, der sein berufliches Lebenswerk in Gefahr sieht, über die Arbeitnehmer, die sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen, bis zu den Kunden und Lieferanten, die wissen wollen, welche Auswirkungen die Insolvenz ihres Geschäftspartners auf ihr Unternehmen hat, oder den Finanzierern, die ihr Investment sichern wollen.

Um den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden und das zu ermöglichen, was im Normalfall das Beste für alle ist, nämlich die Fortführung des Unternehmens und der Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze, sollte eine Saniererin oder ein Sanierer die Beteiligten erreichen und mitnehmen. Das funktioniert mit einer gewissen Empathie und nicht einfach „kraft Amtes“.

Oder anders formuliert: Die Insolvenzordnung oder das StaRUG bilden nach wie vor den rechtlichen Rahmen. Saniererinnen und Sanierer brauchen natürlich die Fähigkeit, dieses Wissen anzuwenden. Hierneben sind in Unternehmenssanierungen aber auch Soft Skills nützlich– also die Interessen der Beteiligten immer im Blick zu behalten und auch einmal kreativ bei der Lösungsfindung zu sein.

Zu einem neuen Team zusammenwachsen

Zudem sind Empathie und ein offener und fairer zwischenmenschlichen Umgang wichtig. Denn auch die beste Saniererin oder der beste Sanierer kann ohne ein Team – und damit sind die eigenen Mitarbeitenden, aber auch die Führungskräfte und die Belegschaft im insolventen Unternehmen gemeint – nur wenig erreichen. Es geht in Sanierungen also immer auch darum, in dieser besonderen Situation zu einem neuen Team zusammenzuwachsen.

Um dieses Ziel zu erreichen, ist in der Regel gerade bei den Mitarbeitenden in insolventen Unternehmen immer noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Vielfach sind die Möglichkeiten, die in einem gerichtlichen Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahren bestehen, um ein Unternehmen wieder in die Spur zu bringen, überhaupt nicht bekannt. Eine Insolvenz wird deshalb immer noch zu oft mit dem automatischen Ende des Unternehmens in Verbindung gebracht.

Das führt mitunter dazu, dass Mitarbeitende oder Lieferanten – um zwei Beispiele zu nennen – oftmals den Sanierungsbemühungen zunächst ablehnend gegenüberstehen. Wenn die Saniererin oder der Sanierer aber authentisch und transparent vermitteln kann, dass es auf diesem Weg eine reelle Chance gibt, das Unternehmen, die Arbeitsplätze und die Geschäftsbeziehung zu erhalten, ändert sich das meist ziemlich schnell.

Ein wichtiger erster Schritt

Die Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit ist also immer noch essenziell, da sich die Sichtweise auf die Insolvenz auch 25 Jahre nach dem Inkrafttreten der InsO nur sehr langsam wandelt. In vielen insolventen Unternehmen herrscht bereits Endzeitstimmung, wenn der Insolvenzverwalter oder die Insolvenzverwalterin eintrifft. Da spielen Motivation, aber auch Offenheit und Transparenz eine große Rolle. Wenn die schwierige wirtschaftliche Situation und der Insolvenzantrag von der Geschäftsführung bereits gegenüber den Mitarbeitenden kommuniziert wurde – was immer ratsam ist – ist das ein wichtiger erster Schritt. Zudem müssen Ansatzpunkte für positive Botschaften und berechtigte Hoffnungen gefunden werden, um zu vermitteln, dass die Insolvenz und eine Sanierung zwar kein Selbstläufer ist, aber gleichwohl eine Chance auf einen Neuanfang darstellen kann.

Es ist für Saniererinnen und Sanierer also weitaus wichtiger geworden, den Mitarbeitenden realistisch und ehrlich die Perspektiven für ihr Unternehmen und ihre Arbeitsplätze aufzuzeigen und sie bei den Sanierungsbemühungen mitzunehmen. In der Regel sind die Mitarbeitenden dankbar für Offenheit und können sehr gut damit umgehen, wenn man ihnen gegenüber die Situation des Unternehmens realistisch darstellt, ohne zu beschönigen. Das bedeutet aber auch, dass man transparent informiert, wenn es trotz aller Anstrengungen keine Optionen mehr für eine wirtschaftliche Fortführung gibt.

Gerade in solchen Situationen – aber natürlich auch grundsätzlich – ist es wichtig, Präsenz zu zeigen und zu vermitteln, dass Insolvenzverwalterinnen und Insolvenzverwalter zwar einen gerichtlichen Auftrag im Interesse der Gläubiger zu erfüllen haben, aber auch Ansprechpartner für die Beteiligten sind und ein offenes Ohr haben. Insolvenzen gehören zum Wirtschaftsleben genauso dazu, wie Unternehmensgründungen oder -nachfolgen. Aber man muss sich immer bewusst machen, dass es in jeder Insolvenz um Fragen geht, die von existenzieller Bedeutung sind. Und da macht es keinen Unterschied, ob es sich um größeres Unternehmen, einen selbstständig Tätigen oder eine Privatperson handelt.

Das W in Wandel steht für weiblich

Ein weiterer Aspekt des Wandels in der Sanierungsbranche vollzieht sich bei den über viele Jahre und Jahrzehnte gewachsenen Strukturen der „Besetzung“. Historisch bedingt ist die Branche immer noch männlich geprägt. Das führt dazu, dass gerade bei größeren Verfahren immer noch eher ein Verwalter als eine Verwalterin bestellt wird – und das auch, weil es mehr „altbewährte“ Verwalter als Verwalterinnen gibt, da früher nur wenige Frauen in der Insolvenzverwaltung und Sanierung tätig waren. Das Verhältnis der Geschlechter in der Sanierungsbranche zeigt sich auch bei der Verteilung der Vortragenden beim Deutschen Insolvenzrechtstag 2024, von denen rund drei Viertel Männer und nur ein Viertel Frauen waren.

Inzwischen gibt es aber weitaus mehr Insolvenzverwalterinnen und Saniererinnen als noch vor einigen Jahren. Und auch der Austausch untereinander ist viel intensiver geworden – etwa bei dem Distressed Ladies e.V., einem Netzwerk für Expertinnen in den Bereichen Unternehmensrestrukturierung, -sanierung und Insolvenz mit über 100 Mitgliedern. Zudem werden Verwalterinnen inzwischen immer öfter für Unternehmen aus Branchen bestellt, die gemeinhin eher männlich zugeordnet werden – etwa Speditionen oder Maschinenbauer. Es zeigt sich, dass eine Frau gerade in solchen Branchen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil haben könnte: Sie wird von der Geschäftsleitung weniger als Konkurrenz oder Bedrohung für die eigene Position gesehen, was auch am in der Regel weniger „hemdsärmeligen“ Auftreten liegen könnte. Daher ist die Hürde für eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle des Unternehmens oftmals niedriger.

Eine Sichtweise, in der es vermeintliche Frauenbranchen wie Schuhläden oder Kosmetikstudios und vermeintliche Männerbranchen wie die schon erwähnten Speditionen oder Bauunternehmen gibt, sollte nicht zuletzt deshalb der Vergangenheit angehören.

Wandel in allen Bereichen

Zusammengefasst kann man also durchaus sagen, dass sich die Sanierungsbranche wandelt und sich dieser Wandel fortsetzen wird. Jedoch wäre es wünschenswert, wenn der Wandel auch in der Wirtschaft einen größeren Einzug erhalten würde. Denn bei jeder Sanierung gilt: Je früher auf eine finanzielle Schieflage reagiert wird, desto größer sind die Sanierungschancen. Das erhält sanierungsfähige Unternehmen und rettet Arbeitsplätze!

Geschäftsleiter sollten daher eine notwendige Sanierung rechtzeitig angehen, wenn ihr Unternehmen noch Reserven hat. Lediglich abzuwarten und auf eine baldige Besserung der Konjunktur und der wirtschaftlichen Gesamtlage zu setzen, ist keine sinnvolle Strategie. Unternehmen, die sich in einer Krise befinden oder absehbar darauf zusteuern, sollten eine Neuaufstellung mit Hilfe des Sanierungsrechts, das unterschiedliche Verfahren und Instrumente bietet, zumindest als Option ansehen. Denn dann haben Saniererinnen und Sanierer eine bessere Ausgangslage, um ihre Aufgabe zu erfüllen: Unternehmen zu sanieren und sie in existenziellen Situationen zum dringend notwendigen Wandel zu führen.

 

Die Autorinnen: Dr. Elske Fehl-Weileder ist Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Kristin Winter ist Wirtschaftsjuristin (LL.M.). Beide sind unter anderem an den Standorten in Nürnberg, München, Braunschweig und Hannover der bundesweit vertretenen Kanzlei Schultze & Braun tätig und haben bereits viele Unternehmen durch Krisensituationen begleitet. Fehl-Weileder ist Sprecherin des Verwalterinnen-Chapters des Distressed Ladies e.V..

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Gastautorinnen

Dr. Elske Fehl-Weileder
Dr. Elske Fehl-Weileder
Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht
Kanzlei Schultze und Braun
Sprecherin des
Verwalterinnen-Chapters
des Distressed Ladies e.V.

Kristin Winter
Kristin Winter
Wirtschaftsjuristin (LL.M.)
Kanzlei Schultze und Braun

Bild: Schultze & Braun

 

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