„Ich halte das für keine gute Idee“

Angela Merkel erteilt dem bedingungslosen Grundeinkommen eine klare Absage. Ein Gespräch über die Welt im Wandel. Die Bundeskanzlerin fordert, zugesagte Frauenquoten einzuhalten, in die Zukunft zu investieren und digital denken zu lernen.

Angela Merkel im Interview: Die Kanzlerin stellt sich den Fragen des DUB UNTERNEHMER-Magazins (Foto: dpa/ Kay Nietfeld)

Es ist die heiße Phase. Der Wahlkampf für die im Herbst anstehende Bundestagswahl spitzt sich zu. Das DUB UNTERNEHMER-Magazin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gebeten, zu Themen, die unsere Zukunft dominieren werden, Stellung zu beziehen. Ein Gespräch über den digitalen Wandel, Künstliche Intelligenz und deren Konsequenzen für den Arbeitsmarkt, über Frauenquoten, Führungsstil, Politikverdrossenheit und den Klassiker Steuerlast. Dem lauter werdenden Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommen erteilt die Kanzlerin im Interview eine klare Absage– und stellt sich damit gegen prominente Befürworter aus der Wirtschaft wie Siemens-Chef Joe Kaeser und dm-Gründer Götz Werner.

DUB UNTERNEHMER-Magazin: Zentrale Herausforderungen für die Wirtschaft sind neben der fortschreitenden Globalisierung die Digitalisierung, der Fachkräftemangel und hunderttausende Flüchtlinge, die in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Mit welchen Prioritäten sind diese Aufgaben zu bewältigen? Und welche Bringschuld sehen Sie diesbezüglich bei den Unternehmen, welche bei der Politik?
Angela Merkel: Weltwirtschaft, Innovation, Bildung, Bürokratie- und Steuerlasten, drohender Fachkräftemangel – das sind wichtige Themen, mit denen sich die Politik in besonderer Weise befassen muss. Unsere Aufgabe ist es, ständig die Rahmenbedingungen für Investitionen in die Zukunft zu überprüfen und zu verbessern. Dann ist die Wirtschaft am Zug, die den größeren Anteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben trägt. Für Unternehmerinnen und Unternehmer gilt: Wer ausreichend Geld in Forschung und Entwicklung, in neue Ausrüstung, in neue Maschinen ebenso wie in neue Ideen und Nachwuchskräfte steckt, der ist auch für die Zukunft gerüstet.

Die Deutschen tragen – auch im internationalen Vergleich – eine hohe Steuerlast. Viele Unternehmen wünschen sich, nicht zuletzt vor dem Hintergrund sprudelnder Steuereinnahmen, Entlastungen. Welche Pläne verfolgen Sie hier?
Merkel: In der nächsten Legislaturperiode wollen wir maßvolle Steuererleichterungen ins Auge fassen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreichen den Spitzensteuersatz sehr früh. Wenige Überstunden können schon dazu führen, dass man sich mit einem Einkommen, das nicht allzu hoch ist, plötzlich im Bereich des Spitzensteuersatzes befin-det. Das wollen wir ändern. 

Sie haben zuletzt kritisiert, dass die Bereitschaft von Dax-Unternehmen, aus eigenem Antrieb mehr Vorstandsposten mit Frauen zu besetzen, nicht die gewünschte Entwicklung genommen hat. Planen Sie wie bei Aufsichtsräten nun verpflichtende Maßnahmen?
Merkel: Um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, gilt seit Anfang 2016 eine feste Quote von 30 Prozent für neu zu besetzende Aufsichtsratsposten in etwa 100 börsennotierten und voll mitbestimmten Unternehmen. Und: Diese Quote wirkt. Alle Unternehmen, die unter diese Regelung fallen und 2016 neue Aufsichtsratsposten zu besetzen hatten, haben sich an die feste Quote gehalten. Für rund 3.500 Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind, gilt die Verpflichtung, Zielgrößen für Aufsichtsrat, Vorstand sowie erste und zweite Managementebene festzulegen. Leider gibt es hier immer wieder Unternehmen, die sich die Zielgröße Null setzen. Und dafür habe ich null Verständnis. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir auch bei den Zielgrößen Schritt für Schritt vorankommen werden.

„Digitales Denken ist Basiskompetenz“

Abwägen: Ein bedächtiger Führungsstil ist für Merkel auch in dynamischen Zeiten eine Maßgabe. (Foto: dpa/ Kay Nietfeld)

Erst in den USA, jetzt in Frankreich: Auch mit Emmanuel Macron ist jemand ins höchste Amt gewählt worden, der beruflich Manager-Erfahrungen mit sich bringt. Der neue Präsident gehört keiner etablierten Partei an. In der Wirtschaft würde man von disruptiven Angreifern auf die Berufspolitik sprechen. Warum ist die Sehnsucht der Menschen nach Persönlichkeiten außerhalb des Politikbetriebes so groß?
Merkel: Ich teile Ihre These so nicht. Präsident Macron ist nicht das richtige Beispiel dafür, denn er ist bereits seit mehreren Jahren Politiker, und zwar ein sehr erfolgreicher.

Digitalisierung, Robotertechnik, Künstliche Intelligenz: Die nächsten zehn Jahre werden nach Einschätzung von US-Experten mehr Veränderungen mit sich bringen als die vergangenen 30 Jahre zusammen. Viele Jobs dürften im Zuge der Transformation verschwinden, neu entstehende Tätigkeitsprofile hingegen benötigen andere Ausbildungshintergründe. Brauchen wir beispielsweise das bedingungslose Grundeinkommen, um soziale Unruhen zu vermeiden und Populismus den Nährboden entziehen zu können?
Merkel: Die Digitalisierung eröffnet viele neue Chancen. Dazu gehören zukunftsfähige, gut bezahlte Arbeitsplätze. Die Digitalisierung bedeutet aber auch, dass wir viel Mühe in die Ausbildung und lebenslange Weiterbildung der Bürger stecken müssen. Das System eines bedingungslosen Grundeinkommens halte ich für keine gute Idee, weil es eine Abkehr vom bisherigen Bedarfsprinzip eines solidarischen Sozialstaates bedeutete, der dann hilft, wenn Not besteht. Es wäre zudem eine Abkehr vom bewährten Prinzip der Arbeitslosen- und der Rentenversicherung.

Wird in dynamischen Zeiten des globalen Wandels mit einem extrem hohen Digitalisierungstempo ein eher bedächtiger Führungsstil wie der Ihre der Entwicklung gerecht?
Merkel: Solche Bewertungen überlasse ich Ihnen und anderen. Ich versuche, meine Arbeit ganz einfach so gut wie irgend möglich zu machen. Es geht in meinem Verständnis für uns Politiker dabei darum, die Probleme zu lösen und verlässlich zu sein. Das erwarten die Menschen zu Recht.

Wie bewerten Sie als Physikerin die Einschätzung vieler Experten, dass die Künstliche Intelligenz (KI) das Zeug dazu hat, die nächste technische Revolution auszulösen? KI stünde demnach in einer Reihe mit dem Buchdruck, der Dampfmaschine oder der Elektrifizierung. Welches Potenzial hat KI Ihrer Meinung nach? Wird sie die Menschheit verändern?
Merkel: Das Phänomen der Künstlichen Intelligenz ist hochspannend. Nicht nur, dass schon vor 20 Jahren ein Computer gegen Garri Kasparow im Schachspiel gewann. Wir sehen auch heute bei den Robotern oder bei den „cobots“, also bei den mit den Menschen arbeitenden Robotern, eine beachtliche Präzision und Ausdauer. Insofern ist ihr Einsatz natürlich Erleichterung und Fortschritt zugleich. Nichts Technisches aber kann auch in Zukunft so gut sein wie die menschliche Kommunikation, Kreativität und Emotionalität.

Wie halten Sie sich selbst digital auf dem Laufendem? Über Devices, die Sie selbst ausprobieren?
Merkel:
Ich bin sehr gern bereit, von Jüngeren zu lernen, Dinge aufzunehmen und mich beraten zu lassen. Denn souverän und selbstbestimmt mit digitalen Medien und neuen Technologien umgehen zu können – das gehört heute einfach dazu. Das ist eine Basiskompetenz wie Lesen, Rechnen oder Schreiben.

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