Family Office

Begriffsdefinition und Entwicklung

Unter einem Family Office versteht man eine Organisation, die sich vorrangig um die Verwaltung und Mehrung des Vermögens einer oder mehrerer Familien kümmert. Gemäß Schätzungen gibt es mehr als 10.000 Family Offices weltweit.

Die ersten Family Offices wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den USA gegründet; im deutschen und europäischen Raum wurden die Aufgaben des Family Offices traditionell von Privatbanken übernommen. Seit den 2000er Jahren erleben Family Offices weltweit einen Aufschwung. Gründe dafür sind insbesondere der Wunsch nach mehr Kontrolle über die eigenen Vermögensangelegenheiten sowie der Wunsch nach mehr Diversifikation zum Zweck der Risikominimierung. 

Gründung eines Family Offices

In einigen Fällen installieren Unternehmerfamilien ein Family Office nach einem Liquidationsereignis, d.h. einem (Teil-)Verkauf des Unternehmens. In anderen Fällen erreichen die kumulierten finanziellen Ergebnisse (Dividenden) eine Höhe, welche die Beteiligung eines Family Offices erlauben. Zu den Gründern von Family Offices gehören sowohl Gründer als auch Familienunternehmer späterer Generation sowie weitere wohlhabende Personen.

Family Offices sind oft aber nicht immer als GmbH organisiert; ein Family Office ist nicht an eine bestimmte Rechtsform gebunden. Familienmitglieder können Teil des Managements sein, müssen das aber nicht. Der Name des Family Offices lässt häufig keinen Rückschluss auf die Eigentümerfamilie zu. Je nach Umfang und Zielsetzung kann das Family Office aus einem kleinen Team – im Extremfall einer einzigen Person – oder aber einer größeren Organisation bestehen.

Arten von Family Offices

Man unterscheidet zwischen vier Arten von Family Offices. Das Single Family Office betreut das Vermögen einer einzigen Familie (mit typischerweise mehr als 300 Mio. EUR Vermögen). Das Multi Family Office betreut hingegen mehrere Unternehmerfamilien in ihrer Vermögensverwaltung. Ein Multi Family Office kann beispielsweise dadurch entstehen, dass ein Single Family Office seine Dienste für weitere Unternehmerfamilien ausweitet. Da der Begriff des Family Office insbesondere im europäischen Raum nicht geschützt ist, bezeichnen teilweise auch Banken und andere Finanzdienstleister ihre Divisionen als Multi Family Office.

Ein Embedded Family Office stellt keine eigene legale Entität da. Stattdessen übernehmen Teile des Familienunternehmens zusätzlich die Vermögensverwaltung der Eigentümerfamilie. Das Virtual Family Office ist hingegen eine Sonderform, bei der die Vermögensverwaltung einer Familie mit schlanken Strukturen und wenig Personalaufwand abgewickelt wird.

Aufgaben von Family Offices

Zu den wichtigsten Aufgaben von Family Offices gehört die Vermögensverwaltung der Unternehmerfamilien. Dies umfasst mehrere Assetklassen. Zu den typischen Anlageklassen von Family Offices gehören unter anderem: Immobilien, Rohstoffe, Liquide Mittel, Funds und Unternehmensbeteiligungen. Je nach Risikoprofil der Eigentümerfamilie liegt der Fokus auf dem Erhalten oder Mehren des Vermögens. Zudem spielen alternative Anlagen wie Impact Investment eine immer größere Rolle.

Zudem zeigten Family Offices in den letzten Jahren verstärktes Interesse an Startup-Investitionen. Sowohl das Alter des Family Offices (d.h., ob bereits eine Nachfolge im Family Office stattgefunden hat) als auch die Tatsache, ob die Familie noch im Besitz des Kernunternehmens ist, beeinflussen das Anlageverhalten des Family Offices. Neben diesen Vermögensbezogenen Aufgaben nehmen manche Family Offices auch noch Concierge-Aktivitäten für die Mitglieder der Unternehmerfamilie wahr. 

Unternehmerische Direktbeteiligungen von Family Offices

In einer Studie der WHU aus dem Jahr 2018 zeigte sich, dass etwa 50% der Single Family Offices in Direktbeteiligungen investieren. Damit stehen sie in direkter Konkurrenz zu Private Equity. Im Vergleich zu Private Equity zeichnen sich die Beteiligungen der Family Offices oft durch eine höhere angestrebte Haltedauer (oft unlimitiert im Sinne eines „Kaufen-Halten-selektiv Verkaufen“ Ansatzes), geringere Ticket-Größen sowie mehr Industriefokus aus. Zudem greifen Family Offices nach der Investition oft weniger stark operativ und strategisch in das akquirierte Unternehmen ein und verhalten sich vielmehr als passive Eigentümer.

Verwandte Begriffe sind Family Holding und Family Equity.
 

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Gastautorin

Prof. Dr. Nadine Kammerlander
Professor Kammerlander leitet das Institut für Familienunternehmen und Mittelstand (ifbm@WHU) sowie den Lehrstuhl für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Zudem hat sie die Rolle der Prorektorin für die Themen Diversität und Nachhaltigkeit inne. Zuvor war sie als Assistenzprofessorin an der Universität St. Gallen tätig, wo sie sich habilitierte. Prof. Dr. Kammerlander ist diplomierte Physikerin (TU München) und promovierte Betriebswirtschaftswissenschaftlerin (Otto-Friedrich-Universität Bamberg in Kooperation mit dem IMD, Lausanne). Sie arbeitete mehrere Jahre bei einer führenden Strategieberatung und arbeitete dort vor allem mit internationalen Unternehmen der Automobil- und Hightech-Branche zusammen. Neben der Schweiz und Deutschland lebte bzw. arbeitete Prof. Dr. Kammerlander auch in Schweden, Italien, den USA und Mexiko.

Prof. Dr. Kammerlander ist Mit-Herausgeberin der Zeitschriften Family Business Review, Journal of Management sowie Familienunternehmen und Strategie und im Gutachterboard mehrerer Zeitschriften. Die Forschungsergebnisse von Professorin Kammerlander wurden in hochrangigen internationalen Zeitschriften veröffentlicht und ihre Forschung wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Prof. Dr. Kammerlander ist zudem im Vorstand des Forschungsinstituts des Bundes Deutscher Volks- und Betriebswirte (bdvb e.V.), Mitglied des Innovationsbeirats des DESY und Mitglied der Kommission zur Überarbeitung des Governance Kodex für Familienunternehmen. Zudem ist sie Vorsitzende des Zukunftsrats für nachhaltige Entwicklung in Rheinland-Pfalz. Praktische Erfahrung bringt sie durch ihre eigene Gründungserfahrung sowie ihren Status als „Fellow“ bei der internationalen Vereinigung Family Firm Institute (FFI) mit. Seit dem Jahr 2018 ist sie zudem Mitglied des Fachbereits „Best of Consulting“ der Wirtschaftswoche. Prof. Kammerlander wurde im Jahr 2022 als Top 10 BWL-Forscherin durch die Wirtschaftswoche und als Top 100 Global Family Influencer durch Family Capital ausgezeichnet.