Nachhaltige und widerspruchsfreie Kapitalanlage von Unternehmen: Der Regulierung vorbeugen und Reputationsrisiken senken

Die Vorgaben der EU-Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung betreffen bereits einen großen Teil der Kapitalanlage von Unternehmen. Allerdings wurden bislang bestimmte Bereiche, wie das strategische Liquiditätsmanagement sowie Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen der betrieblichen Altersvorsorge, von der Regulierung ausgespart. Dies könnte sich ändern, wenn der Gesetzgeber widerspruchfrei und eindeutig Transparenz schaffen will. Denkbar wäre beispielsweise die Erweiterung des Vorschlages zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) um diese Bereiche. Um Reputationsrisiken und Abschläge auf den Unternehmenswert zu vermeiden, sollten Finanzvorstände daher die Außendarstellung mit der Aufstellung der Kapitalanlage in Einklang bringen. Wir erläutern, worauf hierbei zu achten ist und wie dies ökonomisch sinnvoll umgesetzt werden kann.

Europäische Unternehmen im Fokus der Regulierer

Die Regulierung der nachhaltigen Kapitalanlage zieht an, und nationale wie überregionale Gesetzgeber sind bestrebt, inhaltslose Versprechen, zum Beispiel Grünwaschen, zu unterbinden. Das soll ein höheres Maß an Transparenz und Verlässlichkeit im Hinblick auf den Vertrieb von Finanzprodukten und die Berichterstattung von Unternehmen fördern. Vorangetrieben wurde dies vor allem durch die EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten, die seit dem Jahr 2000 weltweit 60 % der Initiativen angestoßen haben (Abb. 1). Auslöser für den jüngsten Anstieg war der EU-Green-Deal von 2019, der die Ziele des Pariser Klimaabkommens von 2015 konkretisierte, um den EU-Mitgliedsstaaten bis 2050 den Weg in eine klimaneutrale Ökonomie zu ebnen.

Laut Principles for Responsible Investment, einer von der UN unterstützten Investoreninitiative (UN PRI), betreffen seit dem Jahr 2000 in der EU 60 % aller nachhaltigkeitsbezogenen Regelungen Unternehmen – lediglich ein Viertel betrifft Investoren. Jedoch führten die jüngsten Vorschläge zu Ergänzungen der Direktiven MiFID-II (Berücksichtigen von Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger) und UCITS (Berücksichtigen nachhaltigkeitsbezogener Risiken im Fondsmanagement) dazu, dass sich dieses seit 1995 relativ stabile Verhältnis ändert: 2020 stieg der Anteil nachhaltigkeitsbezogener Regelungen, die sich auf Investoren beziehen, auf 40 % – gegenüber 25 % im Vorjahr.

Wir erwarten, dass hierdurch vor allem der Druck auf börsennotierte Unternehmen steigt, widerspruchsfrei über Nachhaltigkeitsaspekte in der Kapitalanlage zu berichten und dies mit der Außendarstellung am Kapitalmarkt in Einklang zu bringen. Denn Intransparenz und Widersprüche könnten zu Reputationsrisiken führen, die sich negativ auf den Unternehmenswert auswirken und implizit die Refinanzierung über Kapitalmärkte verteuern. Stärker in den Fokus kritischer NGOs und der Medien werden Unternehmen geraten, die sich zum Beispiel zur Wahrung international anerkannter Werte- und Normenkonzepte bekennen, jedoch bei der eigenen Kapitalanlage in Titel investieren, die durch schwerste Kontroversen in diesen Themenfeldern belastet sind.

Die Kapitalanlage sollte im Einklang mit der Außendarstellung des Unternehmens stehen

Der Ausschluss von Einzeltiteln ist im Rahmen einer Portfoliokonstruktion nur bis zu einem bestimmten Maß ökonomisch sinnvoll, nämlich bis dahin, wo der ex-ante Tracking Error eines Portfolios gegenüber seinem Vergleichsindex nicht unverhältnismäßig strapaziert wird. Finanzvorstände sollten darüber hinaus auf eine fundierte ESG-Integration setzen. ESG-Integration bezieht bei der Analyse von Investitionsalternativen entlang der Themenkomplexe Ökologie, Soziales und gute Unternehmensführung gezielt finanziell-materielle Aspekte mit ein, um die Rendite-Risiko-Profile von Anlagestrategien zu stärken. Wichtig bei der ESG-Integration sind zwei Dinge: zum einen eine systematische, eng verzahnte und vor allem dokumentierte Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Anlageprozess. Und zum anderen ein effektives Risikomanagement, das Fehlstellungen erkennt und gegensteuert – ohne dabei Nachhaltigkeitskriterien zu verwässern.

Eine konsequente ESG-Integration nach diesen Grundsätzen sollte auch für all die Bereiche der Kapitalanlage eines Unternehmens gelten, die bisher zwar noch von der Regulierung ausgespart werden, in absehbarer Zeit aber unter die Offenlegungsverordnungen fallen könnten. Das betrifft insbesondere das strategische Liquiditätsmanagement sowie die Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (Abb. 2). In Deutschland machten laut der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (aba) 2018 beispielsweise Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen über 50 % aller Vorsorgeaufwendungen von Unternehmen aus – das entsprach 10 % des Bruttoinlandsproduktes der deutschen Ökonomie.

Die strategische Liquidität umfasst jene Gelder, die nicht unmittelbar für das Tagesgeschäft benötigt werden. Vorwiegend angelegt werden diese beispielsweise in Multi-Asset-Strategien, die auf der Grundlage fundamentaler Analyse gemanagt werden. Abhängig von der Risikotoleranz und der Ertragserwartung des Anlegers leitet sich daraus die Allokation in die Anlageklassen ab. Da bei der Konstruktion von Portfolios unseres Erachtens nur ein gewisses Maß an Ausschlüssen von Einzeltiteln ökonomisch sinnvoll ist, sollten darüber hinaus finanziell-materielle Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden, um Rendite-Risiko-Profile gezielt zu stärken.

Insbesondere bei der Bestückung der verschiedenen Anlageklassen im Rahmen von Multi-Asset-Strategien entfaltet eine professionelle ESG-Integration ihr volle Wirkung. Neben einem Fokus auf Renditetreiber ist ein an Nachhaltigkeitskriterien angepasstes Risikomanagement unabdingbar. Nur so können die unabsichtlich durch Nachhaltigkeitspräferenzen erzeugte Neigungen zu bestimmten Risikoprämien, Branchen oder Regionen ausgeglichen werden, ohne dabei individuelle Nachhaltigkeitsziele des Anlegers zu verwässern.

Die Direktzusage ist eine von fünf Durchführungswegen zur betrieblichen Altersvorsorge, bei der sich Unternehmen freiwillig verpflichten, dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall einen festgelegten Betrag direkt aus dem Betriebsvermögen auszuzahlen. Direktzusagen können mithilfe von Treuhandkonstruktionen (Contractual Trust Arrangements – CTAs) in der Bilanz mit Pensionsrückstellungen saldiert werden. Durch eine solche Bilanzverkürzung können drei Dinge erreicht werden:

1. Stärken von Ertragsgrößen wie Eigenkapitalrentabilität,
2. Verbesserung von Finanzierungskonditionen durch einen niedrigeren Verschuldungsgrad und
3. Reduktion des Verwaltungsaufwands und der damit verbundenen Kosten.

Wenn das Unternehmen allerdings im Anhang des Jahresabschlusses nicht über Nachhaltigkeitsaspekte der ausgegliederten Mittel aufgeklärt, können Investoren die Konsistenz der Außendarstellung des Unternehmens auch nicht prüfen. Je höher der Anteil jener Mittel ist, die im Rahmen einer ertragsorientierten Kapitalanlage ausfinanziert werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich der Regulator dieses Sachverhaltes annimmt.

► Für Deckungsmittel der pauschaldotierten Unterstützungskassen (knapp 6 % der Deckungsmittel), bei denen anders als bei rückgedeckten Unterstützungskassen nicht der Produktgeber, sondern das Unternehmen über die Kapitalanlage entscheidet, gilt dies ebenfalls. Zulässige Anlagemöglichkeiten reichen von Edelmetallen, Wertpapieren, Aktien oder Fonds bis hin zu Immobilien im Einzelfall. Folglich bergen auch diese Mittel potenzielle Reputationsrisiken, über die Stakeholder wie Mitarbeiter oder Investoren aufzuklären sind.

Die restlichen Anteile der Altersvorsorge eines Unternehmens werden darüber hinaus von EbAV-II- (Pensionskassen mit 28 % und Pensionsfonds mit 7 %) sowie Solvency-II-Richtlinien (Direktversicherungen mit 11 % und indirekt auch für rückgedeckte Unterstützungskassen) in Sachen Nachhaltigkeit abgedeckt.

Transparente Unternehmen können Wettbewerber unter Zugzwang setzten

Wir erwarten nicht, dass Initiativen zur höheren Transparenz von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen ausgehen. Diese und ähnliche Organisationen waren laut den UN PRI seit 2000 weltweit für nur 2 % aller nachhaltigkeitsbezogenen Regularien der Kapitalanlage verantwortlich. Hingegen gibt es zahlreiche Beispiele dafür, dass einzelne, vorbildlich nachhaltig geführte Unternehmen, die sehr transparent berichten, Wettbewerber unter Zugzwang setzten. Konkret lässt sich das an den Initiativen einiger Wertpapierbörsen veranschaulichen, die durch die Herausgabe von ‚best-practice‘-Konzepten Standortvorteile herausbilden. Dies zeigt, dass differenzierende Initiativen komparative Wettbewerbsvorteile begründen, was sich positiv auf Unternehmenswerte auswirken kann.

Wichtige Initiativen, die eine transparente Berichterstattung fördern, gehen von Investoren aus

Auch wenn Unternehmen zur vollständigen Offenlegung ihrer Kapitalanlagen verpflichtet werden, sind Asset-Manager in ihrer Treuhandfunktion gegenüber Anlegern weiterhin dazu angehalten, Investitionen auf Inkonsistenzen in puncto nachhaltiger Grundsätze zu prüfen. Proklamiert ein börsennotiertes Unternehmen beispielsweise die Einhaltung von Menschenrechten in seinen Lieferketten, investiert jedoch in solche Titel, die diese missachten, ließe sich ein Ausschluss dieses Emittenten aus einem Anlageuniversum rechtfertigen.

Fazit

Das Nachhaltigkeitsversprechen eines Unternehmens sollte glaubhaft, nachvollziehbar und wirksam sein. Reflektieren sollte sich dies ebenfalls in dessen Kapitalanlage, die nicht zuletzt von den regulierenden Instanzen zukünftig noch stärker auf Widersprüche geprüft werden wird. Im Zuge einer immer stärkeren Differenzierung von Investoren zwischen vorbildlich nachhaltig geführten Unternehmen und deren Nachzüglern sind diejenigen Emittenten von Wertpapieren im Vorteil, die in Vorleistung treten.

Konkret bedeutet dies: Regularien antizipieren, Standards setzen, Reputationsrisiken ausschließen und Rendite-Risiko-Profile in Anlagestrategien optimieren. Dies hat nicht nur Vorteile bei der Refinanzierung des Geschäftsmodells; eine intrinsisch motivierte Initiative zu mehr Transparenz in der nachhaltigen Berichterstattung verringert auch die Implementierungskosten künftiger Regulierung. Expertise, die vorausschauend intern aufgebaut wird, muss nicht extern eingekauft werden.

 

Nach oben

Disclaimer

Diese Information richtet sich nicht an Privatanleger. Die Metzler Asset Management GmbH übernimmt keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Inhalte. Weitere Informationen entnehmen Sie unseren rechtlichen Hinweisen www.metzler.com/disclaimer-mam.

This information is not intended for private investors. Metzler Asset Management GmbH does not guarantee the accuracy or completeness of the information presented here. Please see our complete disclaimer at www.metzler.com/disclaimer-mam-en

Gastautor

Jan Rabe, Co-Head Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management GmbH
Jan Rabe
Co-Head Sustainable Investment Office
Metzler Asset Management GmbH

DUB-Themennewsletter ✉

Mit dem Themennewsletter der Deutschen Unternehmerbörse erhalten Sie alle wichtigen Informationen aus der Welt der Unternehmensnachfolge regelmäßig per E-Mail. Einmal pro Monat senden wir Ihnen Fachbeiträge, Informationen zu aktuellen Veranstaltungen sowie ausgewählte Verkaufs- und Franchiseangebote.

Jetzt abonnieren!