Krisenunternehmen im Spannungsfeld von Sanierung und Veräußerung

Die Krisen in mittelständischen Unternehmen nehmen zu. Kreditfinanzierer und Aufsichtsorgane beauflagen Sanierungsgutachten inkl. Umsetzungsplanungen. Ein parallel beauftragter M&A-Prozess entwickelt sich oft als hohes Risiko der eigentlichen Sanierung.

Sanierung und Verkauf - Dokumente auf dem Schreibtisch

Ausgangslage

Mittelständische Unternehmen in Deutschland befinden sich derzeit zunehmend in einer Krise, welche nicht mehr nur durch punktuelle Anpassungen oder eine Restrukturierung der defizitär wirkenden Unternehmensbereiche oder gezielte Veränderung von Prozessen möglich ist. Stakeholder – insbesondere Fremdfinanzierer oder Aufsichtsorgane – fordern eine Begutachtung des Unternehmensstatus gemäß IDW S6 in Verbindung mit einer umfangreichen Sanierungsplanung und -reporting, sowie einer professionellen und gezielten - durch erfahrene Krisen-/ Interim Manager begleiteten - Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen.  

In dieser schwierigen Phase kommt es bei familiengeführten Unternehmen häufig zu dem Entschluss durch die Eigentümer, das Unternehmen zu veräußern. In Frage kommen hierbei meist strategische Investoren oder Finanzinvestoren, für die Suche bzw. den gesamten Verkaufsprozess wird eine erfahrene M&A-Beratungsgesellschaft eingebunden.

Bedrohliche Krisenmerkmale vs. starke Zahlen im Datenraum benötigt

Anzutreffende und für die Existenz des Unternehmens meist parallel wirkende Krisenmerkmale sind:  starker Kapitalverzehr – negatives Eigenkapital, angespannte Liquidität – hoher Bestand an (überfälligen) Verbindlichkeiten L+L, schwaches und in Krisen unerfahrenes Management, einbrechende Marktstellung mit schwacher Produktnachfrage, der Vertrieb zu neuen Anforderungen an margenstarke Aufträge/ neue Marktanteile überfordert und ohne Strategie.

Den Fremdkapitalfinanzierern wurden im Zuge hoher Kreditbereitstellungen bereits (sämtliche) werthaltige Sicherheiten übertragen. Eine Freigabe dieser Sicherheiten kann nur durch Ablösung der gesicherten Kredite erfolgen, ggf. dienen diese sämtlichen Krediten.

Dem gegenüber baut der M&A-Berater einen Teaser (sowie den Datenraum) für potenzielle Investoren auf, der das Unternehmen als wertvolles Investment mit Entwicklungspotenzial und starkem USP darstellt. Die Zahlen werden oft um aufgezeigte „belastende, aber bereinigte Einmal-Effekte“ bereinigt oder relativiert, so dass das Kerngeschäft weiterhin ertragreich und stabil erscheint. Auf die eigentlich von Stakeholdern beauflagte und parallel laufende, strenge Sanierung wird selten hingewiesen oder im Detail eingegangen.

Auseinanderdriftende Interessenlagen

  • Der M&A-Berater hat ganz wesentlich im Fokus, dass der Verkauf der Anteile/ des Unternehmens rasch und reibungsarm verläuft, die Verkaufsprovision erzielt wird und der hohe Aufwand des M&A-Prozesses sich lohnt. 

  • Die Eigentümer interessiert, sich so rasch wie möglich von den hohen unternehmerischen Risiken, aber auch von eingetretenen Haftungsrisiken zu trennen.

  • Die Mitarbeiter und Führungskräfte setzen – meist unter professioneller Anleitung eines krisenerfahrenen Interim Managers – all ihre Kraft und Zeit ein, um die begonnene Sanierung in der Planung und Umsetzung zu unterstützen. Ihr Arbeitsplatz ist in Gefahr – ein hoher Motivator dafür.

  • Das Aufsichtsorgan sitzt meist zwischen den Stühlen:  auf der einen Seite gilt die Interessenvertretung (Verkaufserfolg) der Eigentümer, auf der anderen Seite die Überwachung und Beratung des Managements, auch im Hinblick auf eine Umsetzung der strengen Sanierung. 

  • Die Finanzierer des Fremdkapitals (meist ja die Kreditinstitute oder Versicherungen als Avalgeber) haben die Kreditausfallvermeidung im Fokus, sehen sich in der Pflicht, die vom Gesetzgeber vorgegebene Einleitung/Umsetzung der Sanierung zu fordern, andererseits sehen sie ihr schnellstes Streben nach Kredit-Ausfallvermeidung in der Kreditablösung durch einen neuen Investor. 

  • Den Investor interessiert ein sinnvoller und preisgerechter Unternehmenskauf. Kaufanreize können vielfältig sein, dies fließt in seine Bewertung der Due Dilligence ein. So kann er durchaus die Risiken erkennen, sieht diese aber durch Einbindung des Unternehmens in seine laufende Unternehmung als nicht bedrohlich an oder ordnet den festgestellten, notwendigen Sanierungsansatz des zu erwerbenden Unternehmens seinem bisherigen Unternehmererfolg unter.

M&A-Prozess zwischen Signing und Closing – die Phase wird sehr kritisch

Die größte Gefahr des Scheiterns und damit Eintritt des Unternehmens in die Insolvenz besteht in der Phase zwischen Signing und Closing des Kaufvertrages. 

  • Die Euphorie eines gelingenden Verkaufs ist auf allen Seiten gestiegen, die eigentliche Sanierung wird – trotz starker Intervention des Interim Managers – oft vernachlässigt und auch nicht mehr durch das Aufsichtsorgan gefordert/ unterstützt.

  • Die Kommunikation zwischen dem Käufer und den Fremdkapitalfinanzierern wird zwar aufgenommen, aber gelingt wegen falscher Erwartungen auf beiden Seiten schlecht. 

  • Die vom Käufer bereit gestellten Gelder (Kaufpreis + freie Liquidiät für das Unternehmen) reichen häufig nicht aus, beide Seiten ausreichend zu bedienen. Die Forderung der Finanzierer nach (vollständiger) Ablösung ist sehr vehement und von der Verweigerung einer Freigabe der Sicherheiten geprägt. Diese Freigabe der Sicherheiten ist aber fast immer notwendig und Bedingung des Kaufvertrages, da der Käufer mit dem Vollzug des Kaufes eine Bereinigung der Passiva (Fremdverbindlichkeiten), hierfür (oder für seine eigene KP-Finanzierung) die bisher für diese Verbindlichkeiten haftenden Aktiva benötigt. Der Kaufvertrag droht zu platzen.

  • Das starke Instrument eines zu verhandelnden Forderungsverzichts gegenüber den Gläubigern wird selten genutzt. Dieser ist in der Vorbereitung auch aufwändig, da eine Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO) nicht eintreten darf. 

    Exkurs: Hierzu nutzen inzwischen Unternehmen zunehmend das etablierte Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gemäß § 270a InsO, da ein bereits im Vorfeld erarbeiteter InsO-Plan direkt in der Eröffnungsphase eingebracht wird und das Verfahren nach rd. 6-8 Monaten durch Beschluss der Gläubigerversammlung geschlossen werden kann. Die Bilanz des betreffenden Unternehmens ist dann saniert.

  • Der Käufer möchte jedoch die Forderungen der Finanzierer erfüllen und löst die (besicherten) Kredite ab, oft zu Lasten der freien Liquidität, die für das Unternehmen vorgesehen war. Gefahr: sie stehen danach nicht mehr für neue Kredite zur Verfügung.

  • Das Unternehmen kann die (überfälligen) Verbindlichkeiten nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang abbauen, da die erwartete freie Liquidität nicht ausreichend ins Unternehmen fließt. Der Erwerber hat sich hierüber im Vorfeld des Signing nicht ausreichend und im Detail erkundigt, kennt die daraus auch insolvenzrechtlich entstehende Bedrohungslage (eine über die gesetzliche 3-Wochenfrist einer Zahlungsstockung hinausgehende antragspflichtige Illiquidität nach § 17 II InsO) nicht. 

Auch wenn ein Closing durch die Zustimmung der Finanzierer gelingt, die Zukunft des Unternehmens ist nicht gesichert. Die (inzwischen ggf. vernachlässigte) strikte Sanierung ist mindestens der Hebel, ob auch die tatsächlichen Krisenursachen nach dem Closing professionell angegangen und beseitigt werden können. Erst dann kann es dem Unternehmen gelingen, wieder nachhaltig ertragreich zu agieren, auch zur Freude des neuen Eigentümers.

Gastautoren

  • Prof. Dr. theol. Karsten Bredemeier