Gelungene Unternehmensnachfolge – große Herausforderung in schwierigen Zeiten
Hoher Nachfolgedruck im Mittelstand – 28 Prozent erwägen die Schließung
Die Lage zur Unternehmensnachfolge in Deutschland wird schwieriger. Zur demografischen Entwicklung kommen eine krisenhafte konjunkturelle Lage und strukturelle Hemmnisse am hiesigen Standort[1].
Das erschwert unternehmerisches Engagement. Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer wollen ihren Betrieb abgeben oder auch aufgeben. So viele Unternehmen wie noch nie ließen sich hierzu zuletzt von den Industrie- und Handelskammern (IHKs) beraten. Für das Jahr 2023 vermelden die IHKs insgesamt 8.276 Beratungen.
Diesen standen 2.760 Beratene gegenüber, die sich für die Übernahme eines Unternehmens interessierten. Damit überstieg im Jahr 2023 die Zahl der angebotenen Unternehmen die der Nachfragen um das Dreifache. Sehr eng ist die Situation in den "klassischen" Nachfolgebranchen, in denen besonders viele Unternehmen zur Nachfolge anstehen: Im Gastgewerbe übersteigen die Angebote die Nachfragen um mehr als das Fünffache, im Handel und in der Verkehrsbranche um das Vierfache[2].
28 Prozent der beratenen Alt-Eigentümerinnen und -Eigentümer erwägen, ihren Betrieb zu schließen. Im Jahr zuvor betrug dieser Anteil noch 25 Prozent. Hochgerechnet stehen deswegen in den nächsten fünf Jahren über eine Viertel Million Unternehmen vor dem Aus - mit deutlichen negativen Konsequenzen für Innovationen und Pioniertum hierzulande.
Von allen beratenen Unternehmen geben nur zwölf Prozent wirtschaftliche Gründe dafür an, das Unternehmen weiterzugeben zu wollen. Dies deutet darauf hin, dass viele der zur Nachfolge anstehenden Unternehmen sich zumindest nicht in existenziellen wirtschaftlichen Nöten befinden und eigentlich auch für Nachfolgen interessant sein sollten.
Bild: DIHK
Demografie und Mangel an Fachkräften machen Unternehmen zu schaffen
Aus den mehr über 48.000 persönlichen Kontakten allein im Jahr 2023 mit Unternehmen auf Nachfolgesuche sowie mit Übernahmeinteressierten verfügen die IHKs über einen vielfältigen Erfahrungsschatz. 96 Prozent der IHKs sehen den Mangel an Nachfolgerinnen und Nachfolgern als größte Hürde zur Weiterführung des Betriebes an (Jahr 2022: 94 Prozent). Die ungünstige demografische Entwicklung in Deutschland wirkt sich aus. Gerade im Alter zwischen 18 und 40 Jahren entscheidet sich, ob man unternehmerische Verantwortung übernehmen will und kann. Doch diese Jahrgänge sind von Jahr zu Jahr schwächer besetzt. Gleichzeitig erreichen immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer das Ruhestandsalter.
Hinzu kommt der wachsende Mangel an Fachkräften (72 Prozent der IHKs, nach 61 Prozent im Vorjahr). Dieser schwächt die Marktposition der abzugebenden Unternehmen und schmälert damit deren Attraktivität für Nachfolgelösungen. Der Mangel an Fachkräften führt zudem dazu, dass gut qualifizierte Personen immer häufiger lukrativere Angebote für abhängige Beschäftigungsverhältnisse erhalten und sich daher gegen das Unternehmertum entscheiden.
Steigende Verunsicherung
Mit 59 Prozent konstatieren deutlich mehr IHKs als im Vorjahr (44 Prozent), dass für die von ihnen beratenen Unternehmen die Unsicherheit über die Zukunft des Geschäfts in den letzten Monaten stark zugenommen habe.
Auch stetig gewachsene Regulierung und absehbare Mehrbelastungen (etwa durch das EU-Lieferkettengesetz oder die EU-Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung) verunsichern die Unternehmen zusehends (37 Prozent der IHK-Nennungen nach 27 Prozent im Jahr 2022).
Langwierige und kostspielig zu erfüllende bürokratische Pflichten mindern die Bereitschaft zur Übernahme von Unternehmen. Im Gastgewerbe etwa müssen Neuinhaberinnen und -inhaber oft viel in das übernommene Gebäude zur Erfüllung staatlicher Auflagen investieren (z. B. Sanierungen etwa zur Energieeffizienz, Brandschutz, Gebäudesicherheit, die oftmals mit anderen Vorgaben in Konflikt geraten, wie etwa Denkmalschutz etc.), was das Übernahmeinteresse hemmen kann.
51 Prozent der IHKs geben an, dass Unternehmen die gestiegenen Kosten etwa für Energie, Arbeitskräfte, Vorleistungen und Materialien nicht weitergeben können und der Weiterbetrieb dauerhaft Verluste einfahren könnte. Auch hier wird das Problem drängender – im Jahr 2022 nannten 37 Prozent der IHKs dieses Hemmnis.
Lichtblick - mehr Unternehmen sind sich der Herausforderung bewusst
Einen Lichtblick sehen die IHKs auf der Seite der Interessentinnen und Interessenten. Nach der schwierigen Coronazeit gibt es wieder vermehrt Nachfragen etwa in den Dienstleistungsbranchen. Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 ist der Rückgang des Interesses an der Weiterführung von Betrieben jedoch weiterhin sehr deutlich.
Ein Hoffnungsschimmer ist zudem, dass die IHKs mehr Teilnehmende auch bei breit zugänglichen Veranstaltungen wie etwa Nachfolge-Tagen verzeichnen. Offensichtlich gelingt es, mehr Unternehmerinnen und Unternehmer zur rechtzeitigen Vorbereitung auf die Unternehmensnachfolge zu sensibilisieren.
Politik ist gefordert: Unternehmen jetzt entlasten und Rahmenbedingungen verbessern
Damit es zu Verhandlungen zwischen Abgebenden und Übernehmenden kommt, müssen die geschäftlichen Perspektiven stimmen – für beide Parteien. Die Perspektiven werden allerdings zu einem großen Teil durch ungünstige und unsichere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen belastet.
An dieser Stelle hat die Politik es in der Hand, das Wirtschaften insgesamt und letztlich auch die Unternehmensnachfolgen zu unterstützen. Gefragt sind verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen, mehr unternehmerische Freiheiten durch weniger Regulierung, wettbewerbsfähige Steuerbelastungen und Energiekosten und weniger Bürokratie. Nicht zuletzt hat es die Politik auch in der Hand, mehr und intensiver für Unternehmertum als Berufsoption zu werben und zu sensibilisieren.
Unternehmen und Nachfolgekandidaten/innen müssen Weichen richtig stellen
Ebenso wichtig wie ein gutes wirtschaftspolitisches Umfeld sind die Weichenstellungen, die Unternehmen und Nachfolgeinteressenten selbst vornehmen. Aus ihrer Praxis beobachten die IHKs folgendes:
37 Prozent der beratenen Alt-Inhaberinnen und -Inhabern fordern den IHKs zufolge einen überhöhten Kaufpreis, 29 Prozent fällt es schwer, von ihrem Unternehmen emotional loszulassen. Diese beiden Sachverhalte bedingen sich häufig. Für die abgebenden Unternehmerinnen und Unternehmer geht es um ihr Lebenswerk, in das sie oft jahrzehntelange Mühen investiert haben. Diese Entbehrungen rechnen viele in den Kaufpreis mit ein.
41 Prozent der Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber haben sich zum Zeitpunkt der IHK-Beratung nicht rechtzeitig auf die Unternehmensnachfolge vorbereitet. Viele schieben die emotional herausfordernde und steuerlich-rechtlich komplizierte Materie auf die „lange Bank“.
Countdown Unternehmensnachfolge – Das empfehlen die IHKs:
- Vorbereitung ist alles. Etwa drei bis zehn Jahre vor der geplanten Übergabe sollte die Inhaberin/der Inhaber damit beginnen, das Unternehmen fit für die nächste Generation zu machen. Ist das Angebot zukunftsorientiert? Stimmen die Margen? Ist meine Produktion auf dem neuesten Stand? Muss ich neu investieren? Stimmt die Unternehmensorganisation? Habe ich die richtigen Zuliefer- und Finanzierungspartner?
- Nachfolge finden. Spätestens drei Jahre vorher mit der Suche nach einer Übernehmerin/einem Übernehmer beginnen.
- Unternehmen übergeben. Spätestens zwölf Monate vorher den Prozess der Übergabe beginnen.
- „Stunde Null“. Nach Übergabe des Unternehmens muss das Spannungsfeld der Interessen von Inhaber/in, Familie, Nachfolger/in und Unternehmen gelöst sein.
[1] Siehe auch DIHK-Konjunkturumfrage Herbst 2024.
[2] Detaillierte Zahlen im DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2024.