W&I-Policen: Worauf bei der Auswahl des W&I-Versicherers wirklich zu achten ist

Soft-stapled W&I als Standard-Fall
In der M&A-Praxis wird die überwiegende Mehrzahl der W&I-Prozesse als „soft-stapled“-Prozess geführt. Dies bedeutet, dass bereits die Verkäuferseite den W&I-Workstream aufgleist, indem sie einen spezialisierten Makler anspricht und mit der Einholung von Angeboten und der Erstellung eines die Angebote der Versicherer zusammenfassenden Berichts (sogenannter Non-Binding Indications Report oder NBI-Report) beauftragt. Wenn der NBI-Report vorliegt, „flippt“ der W&I-Workstream von der Verkäuferseite auf die Käuferseite und der Käufer (bzw. die verschiedenen Bieter) treiben den W&I-Workstream aktiv voran.
In diesem Szenario wählt der Käufer (bzw. jeder einzelne Bieter) den W&I-Versicherer aus; die Verhandlung der W&I-Police obliegt ebenfalls dem Käufer (bzw. jedem einzelnen Bieter). Die Verkäuferseite ist typischerweise im W&I-Workstream nur noch minimal involviert – da die endverhandelte Police häufig in Entwurfsform dem finalen SPA angeschlossen wird, bekommt der Verkäufer die finale Police ebenfalls zu Gesicht, sein Interesse finden aber in aller Regel nur die Bestimmungen zu „Subrogation Rights“ (d.h. Regressrechten des Versicherers gegenüber der Verkäuferseite). Da es absoluter Marktstandard ist, dass Subrogation Rights nur im Vorsatz- bzw. Arglistfall bestehen sollen, sind die entsprechenden Klauseln in der W&I-Police selten kontrovers.
Die Vorteile von soft-stapled Prozessen bestehen zum einen darin, dass sich der Verkäufer auf der Grundlage des NBI-Reports ein Bild von den wesentlichen Parametern (insbesondere der zu erwartenden Kosten und Ausschlüsse) des W&I-Workstreams machen und die Transaktion entsprechend strukturieren kann. Nach Durchsicht des NBI-Reports wird dem Verkäufer z.B. bewusst sein, dass mit einem Ausschluss für bekannte / offengelegte Risiken zu rechnen ist. Um Käuferseite-Forderungen nach Freistellungen oder Kaufpreisabzügen für diese Themen zu vermeiden, wird ein umsichtiger Verkäufer vom Makler prüfen lassen, inwiefern bekannte Risiken in Spezialpolicen versicherbar sind. Der Käufer, der im aktuellen Marktumfeld so gut wie immer auch der Versicherungsnehmer ist, wiederum kann die Police nach seinen Vorstellungen selbst verhandeln und seinem Risikoappetit entsprechend ausgestalten.
Sollte die Verkäuferseite den W&I-Workstream nicht vorbereitet haben, kann ein NBI-Report natürlich auch auf der Käuferseite erstellt werden. Die Vorbereitung auf der Verkäuferseite ist keine Voraussetzung für einen erfolgreichen W&I-Prozess.
Preparation is Key: Ein durchdachter NBI-Report ist die halbe Miete
Die Auswahl des Versicherers trifft der Käufer auf der Grundlage des NBI-Reports. Dieser sollte von einem erfahrenen W&I-Makler, der alle relevanten Aspekte im Blick hat und über Verhandlungsmacht gegenüber den Versicherern verfügt, erstellt werden.
Ein aussagekräftiger NBI-Report bzw. eine fundierte Empfehlung des Maklers sollte auf folgende Aspekte eingehen:
Kosten der W&I-Police auf einer „all-in basis“ für verschiedene, marktübliche Szenarien. Hier ist darauf zu achten, dass alle Kosten berücksichtigt sind (inkl. der Beraterkosten des Versicherers, Steuern, der Maklercourtage sowie der Prämienaufschläge für marktübliche Zusatzleistungen des Versicherers, die sogenannten „Enhancements“). Angesichts eines derzeit historisch niedrigen Prämien-Niveaus und häufig relativ geringer Unterschiede im Pricing zwischen den Versicherern sind die Kosten der Police für viele Versicherungsnehmer nicht das entscheidende Kriterium (zudem in Deutschland gute Gründe für eine steuerliche Absetzbarkeit der W&I-Versicherungsprämie sprechen).
Enhancements und Verzahnung mit dem SPA. Enhancements können – häufig gegen äußerst moderate Prämienaufschläge – einen erheblichen Mehrwert in der Transaktionsstrukturierung schaffen und so die Verhandlungen zwischen den Prinzipalen erheblich beschleunigen. Ist der Verkäufer beispielsweise nur bereit, im SPA einen engen Schadensbegriff anzubieten, der Versicherer bietet aber gegen einen geringen Aufschlag eine Ausdehnung des Schadensbegriffs in der Police an, muss dieser Streitpunkt die Verhandlungen nicht mehr belasten. Der NBI-Report sollte alle Optionen aufzeigen, die im Versicherermarkt angeboten werden und insbesondere Enhancements diskutieren, die angesichts der Positionen der Prinzipale besonders relevant sind. Ist der Verkäufer beispielsweise nicht bereit, Garantien auch zum Closing abzugeben, kann das Enhancement „Synthetic Cover as per Closing“ für den Käufer besonders attraktiv sein. Unglücklich ist es, wenn in den SPA-Verhandlungen ein Thema, für das im Markt passgenau ein entsprechendes Enhancement angeboten wird, zum entscheidenden Streitpunkt wird – und der mandatierte Versicherer dieses Enhancement eben nicht anbieten kann.
Ausschlüsse und Cover Position. Aus dem NBI-Report sollten nicht nur die detaillierten Kommentare der Versicherer zum Garantiekatalog, sondern auch alle Standardausschlüsse und dealspezifischen Ausschlüsse der Versicherer hervorgehen. Wird etwa ein Finanzdienstleister verkauft, sollte im NBI-Report erwähnt sein, ob ein Ausschluss zum Thema „Capital Inadequacy“ zu erwarten ist, wird ein Pharma-Unternehmen verkauft, sollte der NBI-Bericht darauf eingehen, unter welchen Bedingungen eine Deckung für Produkthaftungsrisiken denkbar ist.
Underwriting Style and Track Record. W&I-Versicherer, aber auch einzelne Sachbearbeiter bei den Versicherern, pflegen unterschiedliche Stile in ihrer Risikoprüfung („Underwriting“): Ein erfahrener Makler kann einschätzen, wie viele Ressourcen der Underwriting-Prozess voraussichtlich käuferseitig binden wird (etwa, wie viele schriftliche Fragen des Versicherers zu erwarten sind und ob eine Telefonkonferenz zur Klärung von Follow-Up-Fragen erforderlich sein wird), wie detailverliebt oder aber kommerziell bzw. „geländegängig“ Versicherer typischerweise im Underwriting auftreten und wie schnell Versicherer typischerweise im Underwriting-Prozess auf geänderte Transaktionsdokumente oder Due Diligence-Berichte reagieren. Da der W&I-Markt sehr dynamisch ist und Sachbearbeiter häufig zwischen W&I-Versicherteams wechseln, sollte die Versichererauswahl stets von einer aktuellen Empfehlung eines spezialisierten Maklers begleitet sein.
DD-Erfordernisse. Die Versicherungsdeckung in W&I-Policen spiegelt in der Regel weitgehend den Umfang der Due Diligence wider. Mit anderen Worten: Es ist grundsätzlich nur schwer möglich, Themen vom Versicherungsschutz umfassen zu lassen, die nicht in der Due Diligence geprüft worden sind. Es macht daher Sinn, den begleitenden W&I-Makler in der Konzeption der Due Diligence einzubinden und den Arbeitsumfang der Due Diligence Teams kommentieren zu lassen. Ein erfahrener Makler wird auch kritische Aspekte der angedachten Due Diligence mit den Versicherern diskutieren und die diesbezüglichen Positionen der Versicherer in seine Empfehlung einfließen lassen. So sind etwa W&I-Versicherer in unterschiedlichem Ausmaß bereit, mit vom Käufer selbst (intern) erstellten Due Diligence-Berichten zu arbeiten und Tochtergesellschaften der Zielgesellschaft in Jurisdiktionen von (äußerst) geringer Bedeutung auch ohne Due Diligence in dem betreffenden Land zu versichern (sogenannter „blind spot cover“). Wird eine Vielzahl von Gesellschaften verkauft oder eine Zielgesellschaft mit einer unübersichtlichen Vertragslandschaft, wird der Käufer ggf. auch einen „Sampling-Approach“ in seiner Due Diligence in Auge fassen (d.h., er wird ein für die Risikofaktoren repräsentatives Sample definieren und seine Risikoeinschätzung auf der Basis des Samples treffen). Der Sampling-Approach sollte mit den in Frage kommenden Versicherern frühzeitig diskutiert werden, um negative Überraschungen später im Prozess zu vermeiden.
Policy Front End. Alle W&I-Versicherer sind weiterhin bereit, das Vertragswerk der W&I-Policen transaktionsspezifisch zu verhandeln (dies ist zur Verzahnung des Kaufvertrags mit der W&I-Police auch unvermeidlich). Einige W&I-Versicherer legen hier jedoch erfahrungsgemäß mehr Flexibilität an den Tag als andere. Erfahrene W&I-Makler wissen, welche Versicherer besonders Versicherungsnehmer-freundliche Klauseln zu akzeptieren bereit sind (beispielsweise eine besonders enge Fassung des Ausschlusses für offengelegte Sachverhalte) und verfügen zudem über einen reichen Fundus von in früheren Transaktionen von dem betreffenden Versicherer platzierten, Versicherungsnehmer-freundlichen Policen, auf die in der Diskussion der Police aufgesetzt werden kann.
MGA vs. Versicherer und Strukturierung von „Towers“. Nicht alle Anbieter von W&I-Versicherungsschutz sind klassische Versicherer – einige treten auch als Assekuradeure / „Managing General Agents“ (MGAs) auf (d.h., sie sind nicht als Versicherer lizenziert, verfügen aber über Vollmachten von renommierten Versicherern, für diese Risiken zu zeichnen). Dieses Set-Up ist im W&I-Markt seit Jahrzehnten etabliert, kann aber je nach den Präferenzen des Versicherungsnehmers mehr oder weniger vorteilhaft sein. Im (äußerst unwahrscheinlichen) Fall einer streitigen Auseinandersetzung zwischen Versicherungsnehmer und MGA müsste der Versicherungsnehmer beispielsweise gegen die vom MGA vertretenen Versicherer vorgehen. Ist auf Grund der Größe oder Komplexität der Transaktion kein Versicherer alleine im Stande, die Transaktion zu versichern, sodass ein syndiziertes Versicherungsprogramm („Tower“) erforderlich ist, kann zudem eine möglichst einfache Strukturierung des Towers (d.h. Involvierung möglichst weniger Versicherer) für den Versicherungsnehmer wichtig sein. Für Konzerne kann auch eine bestehende Zusammenarbeit mit Versicherern im Hinblick auf andere Risiken ein relevantes Auswahlkriterium sein.
Claims Track Record. Einige W&I-Makler haben spezialisierte Claims Broker Teams aufgebaut, die Schadensfälle begleiten und daher über Erfahrungswerte im Hinblick auf das Agieren von Versicherern im Schadensfall verfügen. Auf Grund der steigenden Zahl von Schadensfällen kann man zwischen einigen Versicherern bereits aussagekräftige Vergleiche ziehen: So erweisen sich manche Versicherer insgesamt als kooperativer und schneller in ihrer Schadensprüfung, was z.T. auch daran liegt, dass sie über spezialisierte (deutschsprachige) in-house claims expertise verfügen. Bei MGAs ist zudem zu beachten, dass Assekuradeure die von ihnen vertretenen Versicherer in der Prüfung und Beurteilung von Schadensfällen unterschiedlich weitgehend einbinden müssen.
Rating. Ein hervorragendes Rating (bei Standard & Poor‘s zumindest „A-“) sollte für einen W&I-Versicherer selbstverständlich sein. Spezialisierte W&I-Makler behalten die Kreditwürdigkeit der Versicherer, mit denen sie zusammenarbeiten, ständig im Auge.
Zulassung in Nicht-EU-Staaten. Ist der Versicherungsnehmer keine EU-Einheit, ist bei der Versichererauswahl zu berücksichtigen, ob die in Frage kommenden Versicherer im Heimatstaat des Versicherungsnehmers zugelassen sind. Nicht alle W&I-Versicherer dürfen beispielsweise Schweizer oder US-amerikanische Versicherungsnehmer versichern.
Holding the Insurer Accountable: Verlässlichkeit der NBI-Indikationen
Ist der Versicherer ausgewählt und hat das Underwriting begonnen, kommt dem Makler die Aufgabe zu, etwaige Abweichungen in der finalen W&I-Police von den NBI-Indikationen zu „challengen“ und auf ein Minimum zu reduzieren.
Änderungen der kommerziellen Parameter (Prämie, angebotener Selbstbehalt, Höhe der Prämienaufschläge für Enhancements) sind in der Praxis äußerst selten und kommen in der Regel nur vor, wenn sich bestimmte Grundannahmen (v.a. Enterprise Value, Niveau der Offenlegung im Datenraum) als völlig falsch herausstellen.
Änderungen der angebotenen Deckungsposition (d.h. zusätzliche Ausschlüsse oder Garantiekommentare) sind häufiger. Solche Änderungen sollte der begleitende Makler im Detail nachvollziehen und auf Marktüblichkeit prüfen. Zusätzliche Ausschlüsse sollten etwa nur hingenommen werden, wenn sie durch erhebliche Lücken in der Offenlegung im Datenraum oder in der Due Diligence zu Tage getretene systemische Risiken gerechtfertigt sind.