Mit welchem Bewertungsverfahren wird der Wert vom KMU ermittelt?

Ein Überblick über gängige Bewertungsverfahren für KMU
Für viele Inhaberinnen und Inhaber kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) stellt sich früher oder später die zentrale Frage: Was ist mein Unternehmen wert? Die Anlässe dafür sind vielfältig – sei es die geplante Übergabe des Unternehmens an die nächste Generation, der Einstieg externer Investoren oder ein vollständiger oder teilweiser Unternehmensverkauf. In all diesen Fällen spielt die fundierte Wertermittlung eine zentrale Rolle – nicht nur als Verhandlungsgrundlage, sondern auch zur realistischen Einschätzung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.
Doch wie lässt sich der Unternehmenswert überhaupt bestimmen? Die Praxis kennt verschiedene Bewertungsmethoden, von denen jede spezifische Stärken, Grenzen und Anwendungsbereiche aufweist. Die Wahl des geeigneten Verfahrens hängt stark von der individuellen Zielsetzung, der Unternehmensstruktur sowie den verfügbaren Daten und Ressourcen ab. Im Folgenden stellen wir Ihnen die vier gängigsten Verfahren vor – zugeschnitten auf die Anforderungen und Möglichkeiten im Mittelstand.
1. Das Ertragswertverfahren – Zukunft im Fokus
Das Ertragswertverfahren ist eine der am weitesten verbreiteten Bewertungsmethoden im Mittelstand. Im Zentrum dieses Ansatzes steht die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens: Es wird ermittelt, welche Gewinne das Unternehmen in den kommenden Jahren realistischerweise erwirtschaften kann. Diese künftigen Erträge werden auf den heutigen Bewertungszeitpunkt abgezinst, um den sogenannten Barwert zu berechnen – das ist der Ertragswert des Unternehmens.
Typische Anwendungsbereiche sind insbesondere Unternehmensnachfolgen – etwa bei der Übergabe an Kinder oder beim Verkauf an externe Käufer – sowie die Bewertung von Anteilen im Rahmen von Beteiligungen oder Gesprächen mit Banken und Finanzbehörden. Der große Vorteil dieser Methode liegt in ihrer Zukunftsorientierung und der Möglichkeit, individuelle Stärken eines Unternehmens zu berücksichtigen.
Gleichzeitig ist die Methode anerkannt bei Finanzbehörden und Gutachtern.
Allerdings verlangt das Ertragswertverfahren eine belastbare und nachvollziehbare Planungsrechnung. Wer stark schwankende Umsätze oder ein wenig strukturiertes Rechnungswesen aufweist, kann Schwierigkeiten haben, valide Zahlen zu liefern.
Schwächen in der Planung wirken sich unmittelbar auf das Bewertungsergebnis aus.
2. Das Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF) – Internationaler Standard mit Tiefe
Das DCF-Verfahren ist eine Weiterentwicklung des Ertragswertansatzes und insbesondere im internationalen Umfeld weit verbreitet. Es berücksichtigt nicht nur Gewinne, sondern auch Investitionen, Steuern und die Finanzierung des Unternehmens. Im Fokus steht dabei der sogenannte freie Cashflow – also das Geld, das dem Unternehmen tatsächlich zur Verfügung steht.
Für wachstumsorientierte KMU, die sich auf den Einstieg von Business Angels, Private-Equity-Gesellschaften oder institutionellen Investoren vorbereiten, ist das DCF-Verfahren besonders geeignet. Es bietet ein umfassendes und detailliertes Bild der zukünftigen finanziellen Entwicklung und hilft, Kapitalbedarfe realistisch abzuschätzen.
Der Nachteil: Die Methode ist komplex, setzt tiefgehende Finanzplanungen voraus und erfordert in der Regel professionelle Unterstützung durch Berater oder spezialisierte Bewertungsdienstleister. Für kleinere Unternehmen mit überschaubaren Ressourcen ist das DCF-Verfahren deshalb oft schwer eigenständig umzusetzen.
3. Das Multiplikatorverfahren – Marktbezogen und praxisnah
Das Multiplikatorverfahren – oft auch Marktwertmethode genannt – orientiert sich an tatsächlichen Transaktionen vergleichbarer Unternehmen. Dafür wird z. B. geschaut, für wie viel das Vielfache des EBIT (operativer Gewinn) ähnliche Unternehmen in der gleichen Branche verkauft wurden. Dieses Vielfache – der sogenannte Multiplikator – wird dann auf das eigene Unternehmen übertragen.
Diese Methode ist vor allem dann hilfreich, wenn eine schnelle und marktorientierte Indikation über den Unternehmenswert benötigt wird. Typische Einsatzgebiete sind erste Verkaufsgespräche, Fusionen oder Übernahmen sowie die Ermittlung eines Preisrahmens bei Beteiligungsverhandlungen. Besonders in Branchen mit vielen verfügbaren Vergleichszahlen liefert das Verfahren plausible Ergebnisse.
Allerdings ist die Vergleichbarkeit bei kleinen und mittelständischen Unternehmen oft schwierig. Multiplikatoren können stark variieren – je nach Branche, Region oder Unternehmensgröße. Für viele KMU fehlen zudem passende Referenzwerte, insbesondere wenn das Geschäftsmodell stark spezialisiert ist.
4. Das Substanzwertverfahren – Was steckt wirklich im Unternehmen?
Beim Substanzwertverfahren steht nicht die Ertragskraft, sondern der tatsächliche Wert der vorhandenen Vermögensgegenstände im Mittelpunkt. Bewertet wird, was das Unternehmen bei einer Auflösung oder Zerschlagung wert wäre – also Maschinen, Gebäude, Vorräte und weiteres Betriebsvermögen abzüglich der Verbindlichkeiten.
Dieses Verfahren eignet sich vor allem für Unternehmen mit hohem Anlagevermögen, wie z. B. Produktionsbetriebe oder Händler mit umfangreichen Lagerbeständen. Auch in Fällen, in denen keine stabilen Gewinne erwirtschaftet werden oder das Unternehmen sich in einer Umbruchphase befindet, liefert der Substanzwert zumindest eine verlässliche Untergrenze.
Der größte Nachteil dieser Methode liegt in der Vernachlässigung immaterieller Werte. Kundenbeziehungen, Know-how, Marken oder Standorteinflüsse bleiben weitgehend unberücksichtigt – obwohl sie gerade im Mittelstand oft entscheidend für den Unternehmenserfolg sind. Daher dient das Substanzwertverfahren meist nur als Ergänzung zu anderen Methoden.
Fazit: Den einen „richtigen“ Unternehmenswert gibt es nicht
Die Ermittlung des Unternehmenswertes ist keine exakte Wissenschaft, sondern immer auch eine Frage der Perspektive und des Bewertungsanlasses. Gerade bei KMU ist es sinnvoll, verschiedene Verfahren zu kombinieren – etwa den zukunftsorientierten Ertragswert mit einem marktbezogenen Multiplikator oder einer Substanzwert-Untergrenze.
Unternehmen, die sich auf Nachfolge, Verkauf oder Investorenansprache vorbereiten, sollten sich frühzeitig mit dem Thema Unternehmensbewertung auseinandersetzen. Eine fundierte Bewertung schafft nicht nur Klarheit über den Unternehmenswert, sondern auch über die Stärken, Schwächen und Potenziale des eigenen Geschäftsmodells.
Unser Tipp für KMU
Holen Sie sich frühzeitig fachliche Unterstützung – zum Beispiel durch Steuerberater, Nachfolge- oder M&A-Berater mit Erfahrung im Mittelstand. Eine qualifizierte Bewertung liefert die Grundlage für erfolgreiche Verhandlungen, klare Entscheidungen und eine nachhaltige Unternehmensentwicklung.