Das Gewährleistungsregime in Unternehmenskaufverträgen
Der Verkauf eines Unternehmens umfasst unterschiedliche Prozessphasen. Dies beginnt mit der Käufersuche, gefolgt von der Prüfung des Unternehmens durch den Käufer (Due Diligence) sowie die Kaufpreisfindung und mündet in der Verhandlung und dem Abschluss eines Unternehmenskaufvertrages. Neben dem Kaufpreis und flankierenden Absicherungsmechanismen sind Herzstück der meisten (professionellen) Unternehmenskaufverträge die Haftungsregelungen zwischen Verkäufer und Käufer.
Dabei kann der Verkauf eines Unternehmens grundsätzlich in zwei Varianten erfolgen: (1) Der Veräußerung der Anteile an einer Gesellschaft (sog. Share Deal) oder (2) der Veräußerung des gesamten oder eines großen Teils des Vermögens einer Gesellschaft (sog. Asset Deal). Dabei ist der Share Deal häufig die vorzugswürdigere Gestaltung, da hierbei „nur“ der Anteil verkauft und übertragen wird, wohingegen bei einem Asset Deal jeder einzelne Vermögensgegenstand und jeder einzelne Vertrag (unter Zustimmung des Vertragspartners) übertragen werden muss. Asset Deals kommen daher häufig in insolvenz-(nahen) Szenarien zur Anwendung, in denen die insolvente oder insolvenznahe Gesellschaft aufgrund der damit verbundenen Risiken gerade nicht übernommen werden soll. Im Folgenden konzentriert sich dieser Beitrag auf den Share Deal.
Gesetzliches Gewährleistungsregime
Rechtstechnisch ist der Kauf eines Gesellschaftsanteils der Erwerb eines Rechts. Auf den Rechtskauf finden grundsätzlich die allgemeinen Gewährleistungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches für den Kauf von Gegenständen (etwa eines Gebrauchswagens) Anwendung. Hier liegt das Problem: Die gesetzlichen Gewährleistungstegel passen nicht auf den Unternehmenskauf. Dies beginnt bereits mit dem Mangelbegriff. So ist eine Sache bzw. ein Recht unter Anderem dann frei von Mängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat oder eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist. Beim Verkauf eines Unternehmensanteils ist Kaufgegenstand indes der Anteil selbst und nicht das hybride (virtuelle) Gebilde des Unternehmens, das in dem Anteil verkörpert ist. Es stellt sich daher die Frage, was genau die Beschaffenheit des Anteils ist: Geht es lediglich darum, dass dieser frei von Rechten Dritter ist oder spielt etwa auch die Ertragskraft des Unternehmens eine Rolle? Daneben käme eine Mangelbewertung über die übliche Beschaffenheit des Anteils vielleicht noch in Betracht, allerdings nicht bezogen auf das Unternehmen selbst, denn diese sind zumeist völlig unterschiedlich (selbst bei Unternehmen aus der gleichen Branche).
Neben der Schwierigkeit, die Mangelfreiheit eines Unternehmens zu definieren, sind auch die gesetzlichen Rechtsfolgen zumeist nicht zielführend. Beispielhaft sei hier das Rücktrittsrecht genannt, welches in seinen Rechtsfolgen nicht ohne Weiteres herangezogen werden kann, da sich über einen längeren Zeitraum vollzogene Unternehmens-(Anteils)Übertragungen kaum rückabwickeln lassen.
Vertragliches Haftungsregime
Anstelle der gesetzlichen Gewährleistungsregeln hat sich in der Praxis daher ein vertragliches Haftungsregime entwickelt, das nach ausdrücklicher Abrede der Parteien die gesetzlichen Gewährleistungsregeln ersetzt. Dieses Regime enthält Standards, die in unterschiedlichen Unternehmenskaufverträgen entweder identisch oder zumindest vergleichbar sind.
Dabei bilden sogenannte Garantieversprechen des Käufers den Kern der vertraglichen Haftung. Hierbei gibt der Verkäufer (je nach Verhandlungsmacht und Art des Unternehmens) eine Reihe von Garantien über die Beschaffenheit des Unternehmens bzw. des Anteils ab, die teils in allen Unternehmenskaufverträgen identisch oder ähnlich (etwa Inhaberschaft des Anteils, keine Über- oder Verschuldung des Unternehmens, Einhaltung von Gesetzen) oder je nach Unternehmen sehr spezifisch sind (etwa Inhaberschaft bestimmter IP-Rechte, Kunden- und Lieferantenbeziehungen). Untechnisch formuliert: Über Art und Umfang der Garantien „schnitzen“ sich Verkäufer und Käufer die Sollbeschaffenheit des Unternehmens zurecht.
Erweist sich sodann im Nachhinein eine bestimmte Garantie als falsch, kommt das vertragliche Rechtsfolgenregime zum Tragen, dass in der Regel eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung vorsieht, welches grundsätzlich von vielfältigen Haftungsausschlüssen (etwa keine Haftung für bekannte oder im Rahmen der Due Diligence offengelegte Sachverhalte) und -beschränkungen (Haftungscaps, vertragliche Verjährungsfristen) flankiert wird.
Wird der Unternehmenskaufvertrag aus Verkäufersicht professionell umgesetzt, steht am Ende ein In-sich geschlossenes Haftungskonzept, das grundsätzlich keinerlei Angriffspunkte des Käufers außerhalb der vertraglichen Regelungen zulässt.
Exkurs: Vorsatzhaftung aufgrund einer Angabe ins Blaue hinein
Da das Haftungskonzept bei guter Umsetzung geschlossen ist, bleibt einem Käufer, möchte er den Verkäufer über die vertragliche Haftung (auch über vertragliche Haftungshöchstbeträge (Caps)) hinaus in Anspruch nehmen, nur der Weg über eine Vorsatzhaftung oder arglistige Täuschung, denn in diesen Fällen greifen aufgrund zwingender gesetzlicher Vorgaben die vertraglichen Haftungsbegrenzungen nicht. Der Verkäufer haftet vollumfänglich.
Nun mag man denken, dass Vorsatzhaftung nur das wissentliche oder willentliche Handeln (also etwa die absichtliche Täuschung) umfasst. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn der Vorsatz beinhaltet auch „das billigende Inkaufnehmen“ (Beispiel: Der Verkäufer will nicht täuschen, er weiß auch nicht sicher, dass er täuscht, er ist sich aber bewusst (nimmt in Kauf), dass etwa eine relevante Information, die er dem Verkäufer gibt, unrichtig sein könnte).
In diesem Fall besteht das Risiko einer unbegrenzten Haftung des Verkäufers. Dieses Beispiel zeigt, dass die Haftungsvermeidung bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses beginnt.