Champagner, Chefin, Chancengleichheit – Wie Frauen die Unternehmensnachfolge erobern

Champagner, Chefin, Chancengleichheit – Wie Frauen die Unternehmensnachfolge erobern. Frauen übernehmen noch viel zu selten Unternehmen. Warum das so ist und was sich ändern muss.

Unternehmensnachfolge
Zwei Unternehmerinnen mit Champagner

Bei besonderen Anlässen wird gerne eine Flasche Champagner geöffnet. Das kann ein Vertragsabschluss sein oder vielleicht eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge. Wer dabei zu einer Flasche Veuve Clicquot greift, konsumiert nicht nur ein edles Getränk, sondern auch ein Stück Unternehmerinnentum.

Denn hinter der Marke steht die Geschichte einer bemerkenswerten Frau: Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin , besser bekannt als die Witwe (Veuve) Clicquot, übernahm Anfang des 19. Jahrhunderts nach dem Tod ihres Mannes das Unternehmen und führte es mit Innovationsgeist und Geschäftssinn an die Weltspitze.

Daran sollte eigentlich nichts verwundern. Und doch: Auch heute sind Unternehmensnachfolgen noch immer eine Männerdomäne. In der obersten Führungsebene von Unternehmen liegt der Frauenanteil bei nur etwa 25% – und das Wachstum ist verschwindend gering. In den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil weiblicher Chefs nur um 1% erhöht – wir sprechen nicht über das letzte Jahrhundert, sondern die 2000er Jahre!

Initiativen wie der „Girls’ Day“ fördern zwar das Interesse junger Frauen an technischen Berufen, doch sie verändern kaum das Geschlechterverhältnis auf den Chefetagen. Dieser Aktionstag (am 3. April 2025) findet in Deutschland jährlich statt und gibt Mädchen und jungen Frauen die Möglichkeit, Berufe in Technik, IT, Handwerk und Naturwissenschaften kennenzulernen – also in Bereichen, in denen Frauen traditionell unterrepräsentiert sind. Die Frage ist: Warum übernehmen Frauen so selten Unternehmen – und wie können wir das ändern?

Nachfolge als Karriereweg: Frauen, die es anders machen

Dass Frauen sehr wohl als Nachfolgerinnen erfolgreich sein können, zeigen einige inspirierende Beispiele. Eine von ihnen ist Lisa Stuhler, Gründerin von Tilia Nachfolgekapital. Sie verfolgt eine Strategie, die noch immer unüblich ist – nicht nur für Frauen, sondern insgesamt: Sie sucht gezielt Unternehmen für eine Nachfolgeregelung.

Während viele Unternehmerinnen oft nur über das bestehende Familienunternehmen einsteigen oder sich über eine Neugründung selbstständig machen, geht Stuhler einen dritten Weg: Die Münchnerin sucht ein etabliertes Unternehmen ab 5 Mio. € Firmenwert mit Branchenfokus, in denen sie bereits Erfahrung hat, um es komplett oder mit einer Mehrheitsbeteiligung zu übernehmen. Ihr Beispiel zeigt, dass Frauen nicht auf den „Zufall“ einer internen Nachfolge warten müssen – sie können aktiv Unternehmen erwerben und selbst gestalten.

Ein weiteres Beispiel ist Isatu Waag und Sarah-Jane Haab, Gründer der Immonu GmbH , die gemeinsam die Hausverwaltungsbranche digitalisieren. Einerseits sind sie Unternehmerinnen mit ihrem Startup, andererseits streben Sie Nachfolgen an: Es ist Teil des Geschäftsmodells, etablierte Hausverwaltungen im Nachfolgeprozess zu übernehmen, was sie bereits mehrfach erfolgreich durchführen konnten. Ihr Ansatz zeigt: Nachfolge bedeutet nicht nur, ein bestehendes Unternehmen zu bewahren – sie kann auch der Schlüssel für Innovation und Wachstum sein. Besonders in traditionellen Branchen kann weibliche Führung neue Impulse setzen und den Wandel vorantreiben.

Auch die Wissenschaft beschäftigt sich mit der Rolle von Frauen in der Unternehmensnachfolge. Prof. Dr. Birgit Felden, Expertin für Unternehmensnachfolge in Berlin, betont, dass Frauen Unternehmen oft nachhaltiger und mitarbeiterorientierter führen. Dennoch werden Töchter in Familienunternehmen seltener als Nachfolgerinnen vorgesehen, und externe Nachfolgen durch Frauen sind nach wie vor die Ausnahme . Dennoch gibt es spezialisierte Angebote für angehende Unternehmerinnen und Nachfolgerinnen wie die bundesweite gründerinnenagentur (bga) Kampagne „Nachfolge ist weiblich!“ oder den Wirtschaftsverband Verband deutscher Unternehmerinnen mit dem Projekt für mehr weibliche Nachfolge.

Warum übernehmen Frauen so selten Unternehmen?

Trotz inspirierender Vorbilder gibt es noch viele Hürden:

  • Fehlende Vorbilder & Netzwerke
    Während Männer oft früh in unternehmerische Netzwerke eingebunden werden, fehlen Frauen oft die passenden Mentoren und Kontakte, um eine Nachfolgeoption überhaupt in Betracht zu ziehen.
  • Finanzielle Hürden
    Frauen haben oft einen erschwerten Zugang zu Risikokapital oder Krediten. Studien zeigen, dass weibliche Gründerinnen seltener Investoren finden – bei Nachfolgen sieht es ähnlich aus. Dr. Prüver von EY spricht von einer „Gender Investment Gap“.
  • Kulturelle Erwartungen
    Auch heute noch gibt es das unbewusste Vorurteil, dass Männer als „natürliche“ Unternehmer gelten , während Frauen sich eher für sicherere, weniger kapitalintensive Karrierewege entscheiden.
  • Selbstbild & Risikobereitschaft
    Untersuchungen zeigen, dass Frauen bei gleichen Qualifikationen oft vorsichtiger agieren und sich selbst kritischer einschätzen als Männer. Das kann dazu führen, dass sie Chancen gar nicht erst ergreifen.

Was muss sich ändern?

Es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht genauso selbstverständlich Unternehmen übernehmen sollten wie Männer. Um das zu fördern, braucht es:

  • Mehr Sichtbarkeit für weibliche Nachfolgerinnen
    Erfolgreiche Unternehmerinnen wie Lisa Stuhler oder Isatu Waag müssen bekannter werden, um anderen Frauen Mut zu machen.
  • Besseren Zugang zu Finanzierung
    Banken und Investoren sollten gezielter Nachfolgen durch Frauen unterstützen.
  • Frühzeitige Förderung & Netzwerke
    Programme, die Frauen aktiv auf Nachfolgeoptionen vorbereiten und sie mit den richtigen Kontakten ausstatten, sind essenziell.
  • Bewusstseinswandel in Familienunternehmen
    Eltern sollten ihre Töchter genauso selbstverständlich als mögliche Nachfolgerinnen sehen wie ihre Söhne.

Fazit: Frauen müssen die Nachfolge für sich entdecken

Unternehmensnachfolge ist eine Chance – und zwar eine große. Sie bietet einen direkten Weg in die unternehmerische Verantwortung, ohne die Unsicherheiten einer Neugründung. Erfolgreiche Beispiele zeigen, dass Frauen diesen Weg gehen können und sollten. Doch sie brauchen mehr Sichtbarkeit, Unterstützung und die richtige Förderung.

Es wird Zeit, dass mehr Frauen auf den „Chefinsessel“ rücken. Vielleicht stoßen wir bald nicht nur bei besonderen Anlässen mit Veuve Clicquot an – sondern auf den nächsten erfolgreichen Generationenwechsel durch eine Unternehmerin.

Gastautor

  • Christian Winter, Euroconsil