Alles im Umbruch: Digitale Transformation

Neue Technologien, neue Unternehmensstruktur und -kultur, neue Geschäftsfelder: Der Weg in die digitale Zukunft birgt viele Unbekannte. Doch er lohnt sich, wissen diejenigen, die ihn gegangen sind.

Neue Struktur: Unternehmen, die sich neu aufstellen, können zahlreiche innovative Geschäftsmodelle entwickeln (Foto: Fire Dept./Anika Dallmer)

Die meisten Unternehmen haben sich bereits auf die Reise ins digitale Neuland begeben, zumindest haben sie Investitionen getätigt, Neues ausprobiert – laut dem Beratungshaus Simon-Kucher & Partners bereits 81 Prozent weltweit. Andere wenige zögern jedoch noch. Ein möglicher Grund: Nur 23 Prozent – so das ernüchternde Ergebnis der Studie „Global Pricing & Sales Study 2017“ (GPSS) – waren auch erfolgreich, gemessen an einem spürbaren Umsatzeffekt.

Und lediglich 18 Prozent der Unternehmen weltweit dürfen sich laut der Untersuchung von Simon Kucher & Partners „digitale Helden“ nennen – also Unternehmen, deren Digitalisierungsinitiativen sich durch konsequenten Fokus auf Umsatzsteigerung auszeichnen. Neugeschäft, Marktbeherrschung, schnelle Innovationen – die Motivation für Unternehmer, in die Digitalisierung zu investieren, sind vielfältig, doch hinter allem steht diese messbare Größe. Umsatzsteigerung kann laut Dr. Georg Tacke, CEO bei Simon-Kucher & Partners, nur gelingen, wenn der Kundennutzen im Zentrum der Transformation steht: „77 Prozent der Unternehmen konnten trotz Investitionen in digitale Prozesse keine Umsatzsteigerung erzielen, weil sie sich zu sehr auf Technologie konzentriert und den Blick auf den Markt vergessen haben.“

Faktor Zeit und Faktor Geld

Dafür, dass Investitionen in die digitale Transformation Zeit brauchen, hat Dr. Daniel Holz, Managing Director beim Technologieunternehmen SAP, eine Erklärung. Diese liefert ihm eine Studie, für die SAP 3.900 Entscheidungsträger aus dem Mittelstand in neun Ländern befragt hat: „Die Unternehmen setzen im digitalen Wandel sehr auf durchdachte Lösungs-modelle, die auf langfristige und nachhaltige Effekte zielen. Solche Lösungen werden nicht an einem Tag umgesetzt und sind auch mit Blick auf Investitionen nicht unerheblich.“ Dass diese Investitionen dennoch notwendig seien, daran lässt auch Holz keinen Zweifel: „Wer sich heute einen Wettbewerbsvorteil erkämpfen will, der muss in die IT-Infrastruktur investieren.“

Doch gilt das für alle Branchen gleichermaßen? Für produzierendes Gewerbe genauso wie für Dienstleister? Wie weit Unternehmen auf diesem Weg vorangeschritten sind, hängt tatsächlich nicht in erster Linie von der Branche ab, sondern vom Sektor. „Es besteht ein nachvollziehbarer Zusammenhang zum Komplexitätsgrad des Produkts sowie zur Vielschichtigkeit der internen Struktur“, sagt Robert Grimm, Gründer und Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Multiversum. Je komplexer die Unternehmensstruktur und je produktionsnäher die Dienstleistung, desto sensibler sollte die digitale Transformation angegangen werden. Denn mit ihr geht häufig die Entwicklung ganz neuer Geschäftsmodelle einher, also tiefgreifende Innovationen.

„Der sinnvolle Grad der Digitalisierung hängt auch hier vom Unternehmen ab“, so Grimm. Im Zentrum, da ist sich Grimm mit Holz einig, muss der Kundennutzen stehen: „Gelingen kann die Transformation, indem das eigene und erweiterte Kundenumfeld analysiert und befragt wird. Das erlaubt langfristig nicht nur die Erfüllung von Kundenerwartungen, sondern auch die Antizipation zukünftiger Bedürfnisse.“ So geschehen bei E.ON. Karsten Wildberger, der seit zwei Jahren die Themen Innovation und Digitalisierung beim Energieriesen verantwortet, sagt: „Bei jedem neuen Produkt fragen wir uns: Welches Problem lösen wir? Schaffen wir relevanten Mehrwert?“

Teil 2: Deutscher Digitalisierungsgrad

Herausgekommen ist eine Vielzahl neuer Dienstleistungen, die auf digitalen Techniken beruhen. Der Versorger nimmt eine Vorreiterrolle ein. Denn aufs Ganze gesehen haben deutsche Unternehmen ihr Digitalisierungspotenzial erst zu zehn Prozent ausgeschöpft, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Beratungsgesellschaft McKinsey. Als Benchmark dient die IT-Branche in den USA, im Kern das Silicon Valley, das zu 100 Prozent digitalisiert ist. Die USA insgesamt sind nach diesen Berechnungen zu 18 Prozent digitalisiert. Der vergleichsweise geringe Digitalisierungsgrad der deutschen Wirtschaft hängt mit dem Branchenmix zusammen: Deutschland ist führend im Automobil- und Maschinenbau sowie in der Chemie- und Pharmaindustrie – alles Sektoren, die noch nicht so stark transformiert sind, wie sie es sein könnten.

Regler: Die Transformation ist eine Frage der langfristigen Unternehmensstrategie

Regler: Die Transformation ist eine Frage der langfristigen Unternehmensstrategie (Foto: Getty Images/Olivier Le Moal)

Anders verhält es sich im Handel, bei Banken und Versicherungen, Medien und der IT – also Branchen im Dienstleistungsbereich, die insgesamt deutlich stärker digitalisiert und zudem in den USA oder Großbritannien (17 Prozent Digitalisierungsgrad) besonders stark vertreten sind.

Eine Frage der Unternehmensstruktur

Dass in erfolgreichen Traditionsunternehmen die Transformation nur zögerlich voranschreitet, hat seinen Grund. Sie zwingt Unternehmen nicht nur dazu, vor dem Hintergrund innovativer Technologien über neue Geschäftsmodelle nachzudenken. Mitunter müssen Unternehmen mit der Transformation die komplette innere Unternehmensstruktur verändern. Und die sei hierzulande noch stark geprägt von „hierarchischer Führung bis hin zu einem ausgeprägten Senioritätsprinzip“, sagt Henning Vöpel, Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts. Eine Transformation ist Chefsache und muss von oben initiiert werden. Dem kommt eine hierarchisch geprägte Unternehmensstruktur entgegen. Auf der anderen Seite erfordert die Digitalisierung eine veränderte Mentalität, um mit den neuen Chancen und Risiken umzugehen. Das funktioniert wiederum besser in flachen Hierarchien oder gar in einer Holokratie – also in einer gleichberechtigten, führerlosen Unternehmensstruktur. Die findet sich aktuell noch in den wenigsten Unternehmen wieder.

Bis zu 15 Prozentpunkte höhere Marge

Dass sich die Transformation für Unternehmen lohnt, ergibt sich aus der McKinsey-Studie: „Firmen, die damit begonnen haben, Künstliche Intelligenz konsequent und strategisch einzuführen, ernten schon jetzt erste Früchte und melden Gewinnmargen, die drei bis 15 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der meisten Branchen liegen“, heißt es dort. Das erfordert Investitionen, die etwa die Postbank bereitstellt – ein schwieriges Unterfangen, da bei solchen Projekten keine Maschinen oder Immobilien als Sicherheiten zur Verfügung stehen. „Uns ist wichtig, dass wir das Geschäftsmodell des Kunden als nachhaltig erfolgreich ansehen“, erklärt Ralph Müller, Postbank-Vorstand, die Entscheidungsmatrix. Und Nachhaltigkeit sollte für alle unternehmerischen Vorhaben das Kriterium sein – ganz besonders für den digitalen Wandel.

Es ist abzusehen, dass Technologie eine überragende Rolle im Berufsleben spielen wird. Sie lässt die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit gänzlich verschwimmen, aber braucht Regeln, damit sie den Nerv trifft.


Gesteigerte Produktivität

Deutsche Mittelständler könnten bis 2025 eine zusätzliche Wertschöpfung von 127 Milliarden Euro generieren, wenn sie den Weg in die digitale Welt weitergehen.
Die Studie „Das digitale Wirtschaftswunder“ der Beratung McKinsey vergleicht die Digitalisierung einzelner Länder und Branchen weltweit. Das Potenzial hierzulande entspricht knapp einem Drittel des Bundeshaushalts von 338,5 Milliarden Euro.


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