Was uns antreibt

Der Begriff wird so inflationär gebraucht, wie er schwammig ist. Was motiviert uns und andere? Dr. Gabriele Wolff, Coach und Entrepreneurin, unternimmt einen Parforceritt durch die Theorie. Plus: Antworten aus der unternehmerischen Praxis.

Der Flurfunk läuft auf Hochtouren. Im Warenlager ist eine Neuorganisation geplant, das Kommissioniersystem soll umgestellt werden – was hat das zu bedeuten? Die Belegschaft ist neugierig, verunsichert und diskutiert. „Jetzt ist es wichtig, die Mitarbeiter bei der Stange zu halten, denn Verunsicherung und Desinformation treiben das Engagement in den Keller“, erklärt Michael Bauseler, Leiter Technik und Logistik beim Werkzeughersteller Wolfcraft. „In dieser Situation muss Vertrauen durch Transparenz und Ehrlichkeit hergestellt werden. Gute Kommunikation ist mehr als nur die halbe Miete – anspruchsvolle Projekte können nur mit motivierten Kollegen durchgezogen werden. Motivation lässt sich aber nicht verordnen und muss immer wieder nachhaltig unterstützt werden.“ Nur eines von zahllosen Beispielen: Motivation am Arbeitsplatz ist ein zentrales Thema im unternehmerischen Alltag und ein Dauerbrenner in der Managementliteratur sowie der Unternehmensberatung.

Antrieb als Daueraufgabe

Dabei zeichnet sich durchaus eine positive Entwicklung ab: Nach der aktuellen Gallup-Studie 2013 sind deutsche Arbeitnehmer mit ihrer Situation am Arbeitsplatz zufrieden wie nie. Der Anteil derjenigen, die innerlich bereits gekündigt haben, ist im Vergleich zum Vorjahr von 24 Prozent auf 17 Prozent geschrumpft. Und doch ist das kein Grund, sich zurückzulehnen. Denn wie die Befragung belegt, weist nur eine Minderheit eine hohe emotionale Bindung an den Arbeitgeber auf. „Lediglich 16 Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind bereit, sich freiwillig für die Ziele ihrer Firma einzusetzen. 67 Prozent leisten Dienst nach Vorschrift“, heißt es in der Studie. Mögliche Folgen: eine hohe Fluktuation, der Verlust von Know-how, erhöhte Kosten durch Krankenstand und im schlimmsten Fall eine schlechte Gesamtperformance am Markt. Grund genug, das Phänomen Motivation einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Immerhin setzt sich in vielen Unternehmen ein partizipativer Führungsstil durch, der Mitarbeitern mehr Verantwortung, Information und Mitbestimmung zubilligt. Das vom US- amerikanischen Arbeitswissenschaftler und Psychologen Frederick Herzberg geforderte „job enrichment“, das sich nachweislich positiv auf Mitarbeiterbindung, Engagement und Motivation auswirken soll, entfaltet hier seine Wirkung.

Ein Blick in die einschlägige Fachliteratur verdeutlicht die Komplexität des Themas. Motivation ist ein multifaktorielles Phänomen der menschlichen Psyche und entzieht sich der schnellen Analyse und eindeutigen Bestimmung. Entsprechend vielfältig sind die Handlungsanweisungen und Modelle zur Motivationsförderung durch Personalführung und Organisationsgestaltung. Was also ist unter Motivation zu verstehen? Der Begriff leitet sich von dem lateinischen Verb „movere“, bewegen, antreiben, und dem Nomen „Motivum“, Motiv, Beweggrund, ab. Die Psychologie geht davon aus, dass jeder Mensch durch genetische Disposition und individuelle Sozialisation mit einem Set an Verhaltensbereitschaft ausgestattet ist, der seine Disposition zu zielgerichtetem Handeln beeinflusst. Diese Bündel von Motiven können durch situative Anreize positiv wie negativ aktiviert und somit verhaltenswirksam werden: Wir handeln zur Erlangung eines bestimmten, erwünschten Ziels.

Motivation aus Unternehmersicht 

Aus Managementsicht sind dabei zwei Aspekte von besonderer Bedeutung: Zum einen stellt sich die Frage, was Mitarbeiter zu bestimmten Verhaltensweisen veranlasst, und zum anderen, wie diese Motivation im Sinne des erwünschten Erfolgs gezielt unterstützt werden kann. Die Motivationsforschung hat vor dem Hintergrund mutmaßlicher Menschenbilder (zum Beispiel homo oeconomicus, homo sociologicus) und aus verschiedenen Perspektiven (zum Beispiel psychologisch, soziologisch, ökonomisch) eine Vielzahl von Erklärungsmodellen entwickelt, die sich dieser Fragestellung widmen.

Seit den Forschungen von Frederick Herzberg ist die Unterscheidung von intrinsischer, also aus sich selbst erzeugter, und extrinsischer, das heißt durch äußere Faktoren bewirkte, Motivation ein Thema der Personalführung. Zusätzlich kommen die sogenannten Hygienefaktoren in den Blick, die zur Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Mitarbeiter beitragen. Diese sind vor allem in den Bereichen Achtung, Wertschätzung und soziale Anerkennung verortet. Gekoppelt mit dem Modell der „job dimensions“ von Hackmann und Oldham, das fünf relevante Arbeitsmerkmale als Motivatoren identifiziert, scheint es im Theoriedschungel der Motivationsmodelle ein handhabbares Verfahren für den beruflichen Alltag zu geben. Gezielte Intervention und Verstärkung der als relevant erkannten Bedürfnisse durch Belohnungssysteme sollen, im Sinne von Input gleich Output, zu einer motivierten und engagierten Belegschaft führen.

Grenzen von Zuckerbrot und Peitsche

Ganz so einfach ist es allerdings nicht, wie die Praxis täglich beweist. Spätestens seit Reinhard Sprengers Bestseller „Mythos Motivation“ ist der Verstärkungsansatz als zynische Manipulationsstrategie in Verruf geraten und wird in der Literatur und Forschung kontrovers diskutiert. Denn irgendwann greift bei anhaltender Demotivation auch die externe Belohnung durch Geld, Firmenwagen, Geschenke und Ähnliches nicht mehr. Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma Manipulation oder Menschenwürde, Freude statt Fremdsteuerung? Einen sinnvollen Weg aus der Motivationsfalle bietet ein ganzheitliches Menschenbild, das nicht auf einzelne Verhaltensmerkmale fokussiert, sondern den Menschen als Ganzes in den Blick nimmt. Wir sind nicht als Fragmente unseres Selbst unterwegs und geben unsere Werte und Überzeugungen nicht am Firmentor ab. Schon gar nicht möchten wir auf betriebswirtschaftliche Formeln reduziert werden:

Spätestens jetzt gibt der Praktiker entnervt auf und verlässt sich auf seine Intuition. Das gilt insbesondere für Unternehmer und Manager, die keine Zeit haben, über komplizierten Theoriegebäuden zu brüten. Auch Familienunternehmer sind Individualisten, die sich oft mehr auf Intuition als auf Bücherwissen verlassen. Das direkte Gespräch ersetzt die Aktennotiz, im Negativen wie im Positiven sind die Kommunikationswege direkter. „Das ist oft gut, aber nicht immer zielführend“, sagt Thomas Wolff, Geschäftsführer von Wolfcraft. „Ein anwendungsorientiertes Grundwissen in Humanpsychologie, Soziologie und Managementlehre ist wichtig, um eigene Entscheidungen auf ihre Realitätsnähe zu überprüfen. Nur so entsteht eine Feedbackschleife von Intuition und Ratio, die oftmals übereilte Aktionen verhindert. Man zieht sozusagen eine Dekompressionszeit ein, bevor man aktiv wird.“ Zudem bietet sich in kleinen und mittleren Unternehmen sowie Familienunternehmen durch die individuelle Unternehmensgeschichte und -führung die Chance, mit der Belegschaft in direkten Kontakt zu kommen. Individuelle Bedürfnisse und Dispositionen lassen sich so erkennen. Dafür ist es nicht nötig, in die Untiefen motivationstheoretischer Modelle hinabzusteigen. Ein Grundverständnis der conditio humana reicht völlig aus.  

Motivationsbedürfnisse der Moderne 

Das Menschenbild des 21. Jahrhunderts ist vor allem durch die neurobiologische Forschung geprägt, die wesentlich zum Verständnis der menschlichen Psyche beigetragen hat. Forscher wie die US-Amerikaner David Rock und Jeffrey Schwartz sehen fünf entscheidende Parameter, die menschliches Empfinden beeinflussen:

• Stellung/Ansehen
• Sicherheit
• Eigenständigkeit
• Verbundenheit
• Gerechtigkeit

Wenn diese Grundbedürfnisse in individuell ausgeprägtem Maße positiv erlebt werden, ist eine gute Voraussetzung für emotionales Wohlbefinden und damit für Motivation gelegt. Das auf die Maslowsche Bedürfnispyramide reduzierte Individuum ist im 21. Jahrhundert nicht mehr das angemessene Modell für den Umgang mit Mitarbeitern. Wir sind beziehungsorientierte Wesen, die zwar ein gewisses Maß an Autonomie brauchen, aber nur in Beziehungen gut miteinander leben und arbeiten können. Hier bietet sich für Unternehmen ein sinnvoller, maßgeschneiderter Mix aus Fortbildung, Coaching und Lehrgängen an, der die Belegschaft fit in Führungsaufgaben und Personalverantwortung macht. Persönlickeitsentwicklung gehört ebenso dazu wie das Wissen um Methoden und Theorie der Mitarbeiterführung. Unternehmer und Manager müssen nicht beraten werden sie kennen ihr Unternehmen und wissen, wie der Laden läuft. Ein Dialog auf Augenhöhe mit externen Profis kann jedoch blinde Flecken identifizieren und sinnvolle Interventionsszenarien generieren. Keines der expliziten Motivationsmodelle trägt den unterschiedlichen Zielgruppen, die in einem Unternehmen versammelt sind, umfassend Rechnung. Nur ein ganzheitlicher Ansatz, der auf die vielfältigen Lebens- und Karriereziele der Mitarbeiter eingehen kann, wird für realitätsnahe Maßnahmen sorgen, die nachhaltig ein gutes Betriebsklima schaffen. Die Werkzeuge aus dem Inventar von „Job Enrichment“ und Ähnlichem sind bekannt und bewährt: Es kommt auf den rechten Einsatz an und auf das Wissen, was möglich ist. Wir müssen nicht jeden Tag mit der olympischen Flamme am Arbeitsplatz erscheinen. Aber gemeinsam in Bewegung – motiviert – zu bleiben: Das ist schon viel.

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