Frische Ideen statt Lethargie
Start-up-Unternehmen wie Irida Labs erleben in der griechischen Krise einen überraschenden Boom.
Die Hafenstadt Patras auf der Halbinsel Peloponnes gilt seit Jahrhunderten als Griechenlands weltoffenes "Tor zum Westen". Seit 2004 hat die Stadt ein neues Wahrzeichen: Eine der längsten Schrägseilbrücken der Welt überspannt den Golf von Patras. Das Bauwerk symbolisiert die Aufbruchsstimmung, die Anfang der 2000er-Jahre in Griechenland herrschte. Die Brücke ist aber zugleich ein Mahnmal der Krise, denn die Autobahnen, die zu ihr führen, sind immer noch nicht fertig.
Mit Blick auf die gewaltigen Pylonen arbeiten junge Griechinnen und Griechen im Patras Science Park. Auch der Wissenschaftspark ist eine Art Brücke, die aus der Krise in die Zukunft führen soll: ein teils staatlich, teils von risikobereiten Investoren finanzierter "Brutkasten" für Start-up-Unternehmen im Bereich der Informatik, der Biotechnologie und der alternativen Energien.
Irida Labs ist eines dieser Unternehmen. "Als wir anfingen, hatten wir keine Ahnung, was auf uns zukommt", erzählt Vassilis Tsagaris. 2007 gründete der promovierte Informatiker mit Kommilitonen das Start-up. "Hätten wir die globale Finanzkrise erahnt, die zwei Jahre später das griechische Schuldendesaster nach sich zog, hätten wir uns vielleicht entmutigen lassen", sagt der 39-Jährige.
Das inzwischen zwölf Mitarbeiter zählende Team von Irida Labs hat sich auf Anwendungen für die Bildverarbeitung spezialisiert, wie sie vor allem in Smartphones Verwendung finden. Wichtigstes Produkt des Unternehmens ist die Video-Stabilisierungs-Software Iris-Vista.
Vassilis Tsagaris zeigt, wie das funktioniert. Er zieht sein Smartphone aus der Jacke und schaltet in den Video-Modus. Zu Demonstrationszwecken ist der Bildschirm zweigeteilt. Tsagaris beginnt, mit seiner Hand zu zittern. Das Bild in der linken Hälfte verschwimmt. Die mit Iris-Vista stabilisierte Darstellung rechts bleibt klar.
Ein weiteres Produkt von Irida Labs ist die Gesichtserkennung iFaRe. Mit ihr kann sich ein Smartphone zum Beispiel das Gesicht seines Besitzers merken und sich entsperren. Und dann ist da noch Iris-Enlight, eine Bildverarbeitungs-Software, die Videoaufnahmen unter besonders schwierigen Lichtverhältnissen ermöglicht.
Aktuell arbeitet Tsagaris an einer Anwendung, die es ermöglichen soll, mit einer Videokamera mehrere Fahrzeugkennzeichen gleichzeitig im laufenden Verkehrsstrom zu erkennen. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Mautsystemen bis zur Strafverfolgung.
Es sind Lösungen, wie man sie eigentlich von den Großen erwartet. Warum hat hier ein im Weltmaßstab winziges Unternehmen die Nase vorn? "Früher hätte ich geantwortet: Weil wir schlauer sind als die anderen Jungs", sagt Tsagaris: "Inzwischen weiß ich: Es ist der Teamgeist, es sind unsere Flexibilität und die Art, wie wir miteinander arbeiten." Es sei deshalb kein Zufall, dass die meisten echten Innovationen von Start-ups kommen, bemerkt Tsagaris. "Die großen Player übernehmen dann die Idee und machen ein reales Produkt daraus. Sie sehen oft Anwendungsmöglichkeiten, auf die das Start-up-Team gar nicht gekommen wäre."
Die griechische Krise hat Zehntausende Unternehmen in die Insolvenz getrieben. Zugleich aber erlebte das Land in den Krisenjahren einen unverhofften Start-up-Boom. "Die Krise hat große kreative Kräfte freigesetzt und für mehr Risikobereitschaft gesorgt", glaubt Vassilis Tsagaris. Unterstützung finden Existenzgründer etwa bei Endeavor Greece, einer Non-Profit-Organisation. Endeavor zählte noch 2010 nur 16 Start-up-Unternehmen in Griechenland. 2013 waren es bereits 114. Flossen 2010 noch Investitionen von 500 000 Euro in den griechischen Start-up-Sektor, waren es 2013 schon 42 Millionen.
"Vor allem die Kreditklemme hat uns anfangs gebremst, mit mehr Kapital hätten wir aggressiver wachsen können", sagt Tsagaris. Doch inzwischen hat Irida Labs in zwei Finanzierungsrunden 1,5 Millionen Euro von privaten Investoren einsammeln können.
Irida Labs will weiter expandieren. Von der Rezession in Griechenland ist das Unternehmen fast abgekoppelt, sein Markt ist global. "Wir suchen gegenwärtig Verkaufsrepräsentanten in China und Japan", erzählt Tsagaris. Aber mitunter holt die Krise auch Irida ein. "Aus Griechenland zu kommen ist zurzeit eher ein Handicap", sagt Tsagaris. Ein deutscher Gesprächspartner versuchte jüngst, witzig zu sein: "Ach, Sie sind Grieche? Dann zahlen Sie ja sicher keine Steuern und fahren einen Porsche Cayenne."
Vassilis Tsagaris hat daraus gelernt: "Wenn wir uns auf Messen präsentieren wie im Januar bei der Consumer Electronics Show in Las Vegas, dann hängen wir natürlich nicht die griechische Fahne an unserem Stand raus."
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