Zum Sinn und Zweck einer Familienverfassung

Die Regelung der familieninternen Nachfolge in ein Familienunternehmen ist oft komplex und bedarf eingehender rechtlicher, steuerlicher und wirtschaftlicher Beratung. Der Klärung bedarf vorab, wie der Unternehmer sich seine Nachfolge überhaupt vorstellt und ob ein geeigneter Nachfolger, der Interesse an der Unternehmensfortführung hat, besteht.
Zum Sinn und Zweck einer Familienverfassung Zugleich sind die Interessen der übrigen Familienmitglieder zu berücksichtigen. Neben wirtschaftlichen, familien- und erbrechtlichen Aspekten spielen hier häufig Fragen der Wertschätzung und Emotionen eine bedeutsame Rolle. Nicht selten erfordern diese neben der Einbindung von rechtlichen und steuerlichen Beratern bereits im Vorfeld für die Interessenklärung die Einbindung eines Moderators bzw. Mediators.

Je größer die Familie über die Generationen durch die Aufteilung und Vervielfältigung der Gesellschafterstämme wird, desto größer werden die Herausforderungen, innerhalb der Familie eine einheitliche Leitlinie für die Fortführung des Unternehmens zu finden und die Kontinuität zu wahren.

Hierbei geht es nicht nur um den rechtlichen Rahmen, welche Rechte und Pflichten die Gesellschafter und Geschäftsführer des Familienunternehmens haben sollen, die regelmäßig in dem Gesellschaftsvertrag sowie weiterer vertraglicher Dokumentation geregelt werden.

Vielmehr geht es um das Bedürfnis der Familie, ein gemeinsames Selbstverständnis als Unternehmerfamilie sowie ein Leitbild für die Kontrolle und Führung des Familienunternehmens in der Zukunft festzulegen.

Zum Zwecke der Erarbeitung und Dokumentation dieser gemeinsamen Wertvorstellungen erfreut sich in der Praxis der Familienunternehmen die sog. „Familienverfassung“ zunehmender Beliebtheit. Sinn und Zweck einer solchen Familienverfassung ist es regelmäßig, dass die Mitglieder der Familie einvernehmlich ihr Selbstverständnis sowie ihre Wertvorstellungen als Unternehmerfamilie – im Verhältnis zueinander wie auch zum Unternehmen – vereinbaren.

Hierbei sollen nicht nur diejenigen Familienmitglieder Berücksichtigung finden, die als Gesellschafter oder Geschäftsführer die Geschicke des Familienunternehmens leiten. Vielmehr soll die Familie insgesamt in Bezug auf die Festlegung gemeinsamer Werte und Vorstellungen einbezogen werden. Ziel ist es, den Familiensinn zu stärken, die Identifikation mit dem Unternehmen als Familienunternehmen zu erhöhen, Konfliktpotenzial zu minimieren, um letztlich den Fortbestand des Unternehmens als Familienunternehmen für die Zukunft zu sichern.

Der Inhalt einer Familienverfassung ist frei gestaltbar und folgt keinem zwingend vorgegebenem Muster.

Häufig behandelt eine Familienverfassung folgende Themenbereiche:

• Definition der Familie (und folglich der gegenwärtigen und zukünftigen Parteien der Familienverfassung)

• allgemeine Wertvorstellungen der Familie (auch im Verhältnis zueinander)

• Unternehmenswerte und Unternehmenskultur (z.B. Wahrung der Tradition, Erhalt des Unternehmens als Familienunternehmen, Bekenntnis zu sozialer Verantwortung, Fairness, Respekt und Unabhängigkeit)

• Grundsätze der Unternehmensführung und der Unternehmensziele (z.B. Charakteristika des Unternehmens und des Geschäftsbetriebs, Strategie, Innovationsbereitschaft, Standortsicherung, Finanzierung)

• Vorstellungen zu der Rolle, Einflussnahme und Bedeutung der Familie und einzelner Familienmitglieder für das Unternehmen

• Leitlinien für die Besetzung der Geschäftsführung einschließlich der Frage, ob und inwieweit die Geschäftsführung neben Familienmitgliedern auch von Fremdgeschäftsführern übernommen werden soll

• Definition nachfolgeberechtigter Personen in die Gesellschafter- bzw. Geschäftsführerposition

• Vereinbarungen zu Transparenz, Kommunikation, Verhaltensregeln sowie Streitschlichtungsmechanismen zwischen den Familienmitgliedern

• Laufzeitregelung der Familienverfassung und Verfahrensregelungen (z.B. zu regelmäßigen Treffen der Familienmitglieder)

Die einvernehmlich verabschiedete Familienverfassung soll in erster Linie eine moralische Bindung der Familienmitglieder bewirken, die durch die schriftliche Niederlegung der Familienverfassung dokumentiert wird. Inwieweit eine solche Familienverfassung darüber hinaus auch rechtlich bindenden Charakter hat oder haben kann, wird in der rechtlichen Literatur kontrovers diskutiert und ist nicht zuletzt abhängig von der konkreten Ausgestaltung der Familienverfassung.

Selbst für den Fall, dass die Familienverfassung - etwa in der Form einer unverbindlichen Absichtserklärung - lediglich als moralische Verpflichtung dienen sollte, ist zu beachten, dass ihr bspw. für die Auslegung vertraglicher Regelungen (z.B. des Gesellschaftsvertrages) oder bei der Bestimmung der gesellschafterlichen Treuepflicht rechtliche Bedeutung zukommen kann.

Generell resultiert die Bedeutung der Familienverfassung nicht nur aus ihrer abschließenden schriftlichen Niederlegung. Vielmehr ermöglicht gerade der Prozess der Erarbeitung – und fortlaufenden Aktualisierung und Modernisierung – der Familienverfassung durch die eingehende Beschäftigung der Familienmitglieder mit ihren Inhalten, dem Unternehmen sowie den anderen Familienmitgliedern eine Annäherung und Bindung aneinander und an das Unternehmen.

Die Akzeptanz der gemeinsam festgelegten Werte und Vorstellungen fördert dauerhaften Konsens – zumindest in der Grundausrichtung – und dient der Streitvermeidung. Durch die Einbindung sämtlicher Familienmitglieder und nicht nur der Gesellschafter oder Geschäftsführer des Familienunternehmens vermag die Familienverfassung über den Gesellschaftsvertrag und das sonstige zugehörige Regelwerk hinaus die Akzeptanz innerhalb der gesamten Familie zu stärken.

Um den Konsens auch für die Zukunft zu erhalten und nachfolgende Generationen einzubinden, ist die Familienverfassung von Zeit zu Zeit an die konkreten Umstände anzupassen. Durch den hierdurch veranlassten Austausch der Familienmitglieder wird auch auf längere Sicht das Miteinander gestärkt. Als feste Institution kann hierbei etwa auch ein alljährlicher Familientag dienen, der zugleich in der Familienverfassung festgelegt werden kann.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass auch eine Familienverfassung je nach Ausgestaltung ganz oder teilweise Rechtsverbindlichkeit erlangen oder zumindest mittelbar Auswirkungen auf rechtliche Sachverhalte entfalten kann, sollte die Errichtung und Überarbeitung einer Familienverfassung stets durch einen qualifizierten Rechtsberater begleitet werden.

Es ist zudem darauf zu achten, dass die Familienverfassung sich in den rechtlichen Regelungsrahmen des Familienunternehmens, insbesondere den Gesellschaftsvertrag und sonstige Vereinbarungen, einfügen sollte bzw. sogar deren Anpassung erfordert, um einen Widerspruch der Vereinbarungen, der unvorhersehbare rechtliche Risiken mit sich bringen kann, zu vermeiden.

Nach oben

Gastautor


Dr. Daniel Mundhenke
Rechtsanwalt und Mediator
BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN

DUB-Themennewsletter ✉

Mit dem Themennewsletter der Deutschen Unternehmerbörse erhalten Sie alle wichtigen Informationen aus der Welt der Unternehmensnachfolge regelmäßig per E-Mail. Einmal pro Monat senden wir Ihnen Fachbeiträge, Informationen zu aktuellen Veranstaltungen sowie ausgewählte Verkaufs- und Franchiseangebote.

Jetzt abonnieren!