Mitarbeiterverlust bei Unternehmensnachfolge:

Warum Mitarbeiter plötzlich kündigen?


Frage: Wie kommt es zu Kündigungen von langjährigen Mitarbeitern, die auch bei geplanten Nachfolgen keine Seltenheit sind? Und was können wir für geplante Nachfolgen lernen, um solche Kündigungen zu vermeiden? Darum soll es in diesem Beitrag gehen.Mitarbeiterverlust bei Unternehmensnachfolge: Warum Mitarbeiter plötzlich kündigen?

Rolf R. Rehbold (Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk an der Universität zu Köln (FBH) & Gründer Klarheitswerkstatt )

Vor ein paar Wochen habe ich eine Unternehmerin kennen gelernt, die mir von ihrer Nachfolge erzählt hat. Als ihr Vater gestorben ist, und sie mit ihren Geschwistern den elterlichen Betrieb übernommen hat, lagen gleich am nächsten Tag 3 Kündigungen von langjährigen Mitarbeitern auf ihrem Schreibtisch.

Frage: Wie kommt es zu solchen Kündigungen, die auch bei geplanten Nachfolgen keine Seltenheit sind? Und was können wir für geplante Nachfolgen lernen, um solche Kündigungen zu vermeiden? Darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Learning 1: Verstehen der Mitarbeiterperspektive

Wenn wir als Betriebsinhaber verhindern möchten, dass Mitarbeiter einen Betrieb verlassen, müssen wir verstehen, wie diese subjektive Entscheidung zustande kommt.

Je nach Persönlichkeit und persönlicher Situation sind persönliche Motive wie z.B. Sicherheit, Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Status, Anerkennung, Eigenständigkeit, persönliches Wachstum usw. mit unterschiedlicher Gewichtung Treiber für die Entscheidung, in einem Betrieb zu bleiben oder diesen zu verlassen. Je nachdem, welche alternative Möglichkeiten aktuell bestehen, die eine bessere Erfüllung der Motive erwarten lassen, wird die Kündigung wahrscheinlicher.

Sind z.B. persönliches Wachstum und Eigenständigkeit starke Motive bei einem Mitarbeiter und ein Betriebsinhaber ignoriert diese Motive, indem er Weiterentwicklungswünsche nicht erfüllt und durch Mikromanagement dem Mitarbeiter genau vorschreibt, was er wie zu tun hat, wird die Motivation des Mitarbeiters in dem Betrieb zu bleiben drastisch sinken.

Besonders relevante Motive von Mitarbeitern in Handwerksbetrieben sind Eigenständigkeit und Sicherheit. Sicherheit bedeutet gerade bei einer Betriebsnachfolge, insbesondere Klarheit darüber zu haben,

o wie es mit dem Betrieb zukünftig weitergeht,

o ob der Mitarbeiter mit seinen Fertigkeiten dort auch weiterhin seinen Platz hat,

o ob das Gehalt bzw. der Lohn auch künftig gezahlt werden kann,

o ob der Nachfolger überhaupt in der Lage ist, den Betrieb zu führen.

Das bedeutet, dass mit einer Nachfolge ein hohes Maß an Unsicherheit und Ängsten bei den Mitarbeitern verbunden ist. Nicht zu unterschätzen ist insbesondere der letzte Punkt: Ist dem Nachfolger überhaupt zuzutrauen, dass Unternehmen zu führen und damit eine sichere Perspektive für die Zukunft zu geben?

Diese Ängste, Unsicherheiten und Unklarheiten können dazu führen, dass sich Mitarbeiter nach aus ihrer Sicht sichereren Alternativen umschauen.

Bei der Nachfolge in der Familie kommt noch ein Aspekt dazu: Möglicherweise kennen die Mitarbeiter den Nachfolger oder die Nachfolgerin aus früheren Zeiten. Da war das Kind vielleicht im Betrieb und hat bei den Mitarbeitern ein gewisses Bild hinterlassen. Wenn sich dann der Nachfolger nicht schon als Führungskraft bereits etablieren konnte, sehen Mitarbeiter möglicherweise unbewusst noch dieses Kind vor sich, was eben die Unsicherheit über die Kompetenz des Nachfolgers als Unternehmer nach sich zieht.

Wenn hingegen der Nachfolger bereits mit seinem Führungsstil bekannt ist, besteht diese Unklarheit nicht. Wenn dann Mitarbeiter gehen, folgt die Bewertung auf der Basis der gemachten Erfahrungen. D.h. die Kompetenz, der Führungsstil und die verkörperten Werte passen dann ggf. nicht zu den Vorstellungen des Mitarbeiters.

Learning 2: Maßnahmen zur Vermeidung von Unsicherheit

Wenn Unsicherheit ein zentraler Faktor für Mitarbeiterkündigungen ist, dann gilt es, eben diese im Vorfeld aufzulösen. Anders als bei dem unerwarteten Ausscheiden im Eingangsbeispiel, ist bei einer geplanten Nachfolge ein längere Prozess möglich, in dem die Kommunikation mit den Mitarbeitern eine zentrale Rolle spielt.

Der neue Betriebsinhaber ist gefordert, seinen künftigen Mitarbeitern eine klare Vorstellung davon zu geben, wie es mit dem Betrieb weiter geht und welche Konsequenzen es für jeden einzelnen Mitarbeiter für die Position und die Arbeitsweise hat.

Dies Kommunikation muss frühzeitig im Rahmen der Unternehmensnachfolge erfolgen, damit unklare Vorstellungen nicht zu Gerüchten werden und damit die Unsicherheit noch verstärken. Der neue Betriebsinhaber muss - damit er überhaupt eine klare Vorstellung kommunizieren kann - zunächst selbst Klarheit darüber gewinnen, wie er sich die Unternehmensentwicklung in den nächsten 5, 10, 15 Jahren vorstellt. Die Vision und die strategischen Eckpunkte (Marktpostionierung, Wachstum, Preisstrategie, Digitalisierung der Abläufe…) mit den damit einhergehenden Konsequenzen für die Arbeitsweise und die Zusammenarbeit im Team müssen überlegt und ausgearbeitet werden - idealerweise mit Unterstützung.

Idealerweise spricht der Nachfolger zusätzlich zur Präsentation der Vorstellungen vor dem Team mit jedem Mitarbeiter einzeln, um die individuelle Sicht zu wertschätzen und als Führungskraft den Mitarbeiter ‚abzuholen‘. Dieses Mitarbeitergespräch eröffnet die Chance, bei jedem einzelnen Mitarbeiter eine Standort- und Potenzialbestimmung durchzuführen. Das heißt, es wird dem Nachfolger klar, welche Mitarbeiter mit welcher Motivlage und mit welchen Ängsten und Erwartungen in dem Betrieb arbeiten. Die Gespräche können auch zutage bringen, welche Unternehmenskultur bisher vorherrschend war, welche Dinge gut und welche weniger gut laufen. Zu guter Letzt bieten sie die Chance auf die individuellen persönlichen Ängste und Befürchtungen einzugehen. Frühzeitige tiefgründige Gespräche sind also ein wichtiger Baustein für die Mitarbeiterbindung - gerade auch bei der Betriebsnachfolge.

Aufruf

Sie sind entweder Betriebsinhaber:in oder Betriebsübernehmer:in im Handwerk und möchten mit mir über ihre erfolgreich abgeschlossene oder noch laufende Übergabe/Übernahme sprechen?

Aktuell erforschen wir im FBH in einem Forschungsprojekt Übergabeprozesse und suchen Interviewpartner, die ihre individuellen Entwicklungsprozesse und Unterstützungsbedarfe in einem Gespräch reflektieren möchten. Melden Sie sich gerne unter rolf.rehbold(at)uni-koeln.de.

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Gastautor

Rolf R. Rehbold
Forschungsinstitut für Berufsbildung im Handwerk
Universität zu Köln (FBH)
& Gründer Klarheitswerkstatt

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