Ist der deutsche Mittelstand M&A-tauglich?

Nachfolgewelle, Nachfolgelücke, Nachfolgeproblematik. Der Bedarf an Unternehmensnachfolge ist hoch und nimmt weiter zu. Bis 2025 werden laut KfW rund 600.000 Unternehmensnachfolgen im Mittelstand angestrebt. Das sind fabelhafte Nachrichten für jeden Investor. Oder?Ist der deutsche Mittelstand M&A-tauglich?

Der „kleinere“ Mittelstand ist nicht veräußerbar

Nachdem die Zukunftsplanungen vieler mittelständischer Unternehmen bedingt durch Corona pausieren mussten, gewinnt die Thematik Unternehmensnachfolge wieder an Geschwindigkeit. Hierbei geht es einerseits um den Fortbestand des Unternehmens, andererseits möchten viele Inhaberinnen und Inhaber den Staffelstab in gute Hände weitergeben und daneben die Früchte ihres langjährigen „Schaffens“ ernten.

Nach aktuellen Schätzungen der KfW werden bis 2025 rund 600.000 Unternehmensnachfolgen in Deutschland angestrebt. Davon beschäftigen 430.000 Unternehmen (71%) weniger als 5 Personen und weitere 85.000 (14%) weisen bis zu 9 Arbeitnehmer vor. Gemäß der deutschen Bundesbank liegt die durchschnittliche Umsatzrendite der Kleinstunternehmen bei 5,5% - somit beträgt - bei maximal € 2 Mio. Umsatz in dieser Größenkategorie - das maximale Jahresergebnis € 110.000!

Hier wird deutlich, dass Kleinstunternehmen aus Sicht eines klassischen Finanzinvestors wenig attraktiv sind. Dafür sind die Transaktionskosten unverhältnismäßig, die Abhängigkeit einzelner Personen – i.W. geschäftsführende Inhaber:in – zu hoch und die „wirtschaftliche Anziehungskraft“ zu niedrig. Auch aus Sicht strategischer Investoren (i.d.R. Wettbewerber) kostet die Akquisition mehr als sie bringt: Die Kundenbasis ist zu klein, Synergieeffekte sind im besten Falle nur begrenzt erzielbar und finanzwirtschaftlich lässt sich selten ein wirklicher Beitrag zum Equity Value ermitteln.

Als Nachfolgemöglichkeit verbleiben in dieser Größenklasse im Prinzip nur Übernahmen durch Unternehmensgründerpersönlichkeiten, sei es familien- oder unternehmensintern. Da diese Quelle in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend versiegte, planen inzwischen mehr als 50% eine Stilllegung ihres Unternehmens. Das „M&A“ im klassischen Sinne spielt in diesem Segment keine relevante Rolle und eine Änderung ist auch nicht absehbar.

Wie steht es um den „mittleren“ Mittelstand?

„Mittelstand“ verbinden viele mit Unternehmen, die Umsätze zwischen € 2 Mio. und € 10 Mio. aufweisen. Diese sind in der Regel erfolgreiche und gestandene gründer- bzw. familiengeführte Unternehmen. Auf der einen Seite sind diese zu klein, um die Aufmerksamkeit von Finanzinvestoren auf sich zu ziehen. Zugleich sind diese Unternehmen oft zu groß und damit “zu teuer”, um eine externe Nachfolge durch Gründerpersönlichkeiten zu ermöglichen. Dem „mittleren“ Mittelständler, der eine externe Nachfolge beabsichtigt, bleibt in der Regel nur die Veräußerung an einen strategisch agierenden Mitbewerber. Dessen Ziel: Kunden- und Umsatzbasis zu erweitern oder Technologie und Kompetenz zu akquirieren und integrieren. Durch Konsolidierung und Strukturoptimierung wird ein größeres, leistungsfähigeres Unternehmen geschaffen, das eine stärkere Marktpositionierung erreicht und damit Wert und Stabilität generiert.

Insofern zeigt sich auch an dieser Stelle: Nachfolgeplanung ist ein langlaufendes Projekt mit teilweise mehr als 5 Jahren Vorbereitung. Wer diesen längeren Planungshorizont einhält, kann einen “selbst initiierten Buy-and-Build-Ansatz" für die eigene Unternehmensnachfolge in Betracht ziehen. Durch gezielte Zukäufe von (kleineren) Mitbewerbern lässt sich rasch Umsatz - und somit Unternehmensgröße - generieren. Hierbei steigt die Attraktivität und der Kreis potenzieller Nachfolger erweitert sich – nicht nur aus dem Spektrum der Finanzinvestoren.

Buy-and-Build als Ansatz: Größere Unternehmen generieren höhere Bewertungen als Kleinere

Klassischerweise beginnt Buy-and-Build durch den Erwerb eines Marktführers oder anderweitig relevanten Players als Nukleus, dem Mitbewerber durch gezielten Zukauf („Add-On“) hinzugefügt werden. Aus Sicht eines Mittelständlers wäre das eigene Unternehmen selbst der Ausgangspunkt. Eine horizontale Integration, z.B. zur Ausweitung des Produktportfolios, der Vertriebsreichweite und der Realisierung von Skaleneffekten fällt hier oft leichter. Selbstverständlich sind Vor- und/oder Rückwärtsintegration zur Erweiterung der Wertschöpfungskette ökonomisch ebenso sinnvoll, aber eben auch komplexer.

Der Buy-and-Build-Ansatz hat seinen Ursprung im Private Equity-Umfeld und basiert auf den im sogenannten Multiple-Arbitrage und Multiple-Expansion finanzmathematisch begründeten Effekt: Transaktions¬multiples sind vielfach eng mit Unternehmensgröße verbunden; je kleiner das Unternehmen, desto kleiner sind in der Regel auch die Transaktionsmultiples – umgekehrt gehen steigende Umsatz- bzw. Unternehmensgrößen mit steigenden Transaktionsmultiples einher. Anders formuliert: Größere Unternehmen generieren höhere Bewertungen als Kleinere. In der Praxis bedeutet dies, dass die „Add-ons“ zu niedrigen (daher attraktiven) Multiples erworben werden. Bei einer erfolgreichen Integration und der späteren Veräußerung erfolgt diese zu einem nun gestiegenen Multiple. Hierbei wird überproportional Wert im Sinne von Unternehmens-bewertung geschaffen. In vielen Fällen entsteht hier erst überhaupt die Möglichkeit eines Verkaufes!

Aus Sicht eines (Finanz-)Investors gibt es nun zwei Anreize: Das Unternehmen hat mit der gewachsenen Marktpositionierung eine stärkere Plattform weiteren organischen Wachstums. Zudem hat sich das Unternehmen als erfolgreiche Buy-and-Build-Plattform bewiesen und einer Weiterführung dieser Strategie, mit weiterem (an)organischem Wachstum, steht nichts entgegen.

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Gastautoren

Ralf Jourdan Vorstand PEBCO Aktiengesellschaft precise.consulting
Ralf Jourdan
Vorstand
PEBCO Aktiengesellschaft
precise.consulting

Kristian Bredesen Senior Consultant PEBCO Aktiengesellschaft precise.consulting
Kristian Bredesen
Senior Consultant
PEBCO Aktiengesellschaft
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