Finanzinvestoren & Familienunternehmen: Freund- oder Feindschaft?

Potenzielle Beweggründe für oder gegen den (Teil-)Verkauf eines Familienunternehmens an einen Finanzinvestor sowie maßgebliche Auswahlkriterien.

Finanzinvestoren & Familienunternehmen: Freund- oder Feindschaft?

Familienunternehmen im Überblick

Familienunternehmen stellen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft dar und gelten als wichtiger Motor für Beschäftigung und Wohlstand. Mehr als 60 Prozent aller Arbeitsplätze werden in Deutschland von Familienunternehmen gestellt. Diese erweisen sich insbesondere in konjunkturell schwierigen Zeiten als stabilisierender Faktor auf dem Arbeitsmarkt. Für Deutschland charakteristisch ist die hohe Anzahl an besonders großen und international tätigen Familienunternehmen. Viele von ihnen gehören zur weltweiten Spitzengruppe in ihrer technologischen Nische (insbesondere in den Bereichen Maschinenbau und Automobilindustrie). Eine Studie der Stiftung Familienunternehmen analysierte im Jahr 2019 die volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen in Deutschland: 90 % aller deutschen Unternehmen sind familienkontrolliert, 52 % der Umsätze in Deutschland werden durch Familienunternehmen generiert und 32 Millionen Beschäftigte arbeiten in deutschen Familienunternehmen.

Investoren und Familienunternehmen

Finanzinvestoren sind Intermediäre, die Beteiligungskapital von vermögenden Privatpersonen, institutionellen Investoren oder Stiftungen einsammeln und in Unternehmen investieren. Typische Finanzinvestoren sind Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, Family Offices, Hedge-Fonds, Venture Capital Fonds und Private Equity Fonds. Der Hauptunterschied zwischen Venture Capital und Private Equity ist, dass ersteres vor allem in junge Unternehmen investiert wird (in sogenannte Start-ups) und letzteres vor allem in reife, etablierte Unternehmen. Als Käufer von Familienunternehmen eignen sich vor allem Private Equity, da Familienunternehmen häufig reife und etablierte Unternehmen sind. Private Equity hat sich in Europa seit den 1960er-Jahren zu einer eigenen Branche entwickelt. Weltweit wird die Branche vor allem von amerikanischen und britischen Fonds angeführt, daneben bestehen zahlreiche nationale Beteiligungsfirmen. Die großen amerikanischen Private-Equity-Häuser sind in Europa fast vollständig mit einheimischen Tochterfirmen und lokalem Management vertreten. Der deutsche Private-Equity-Markt gewinnt stark an Bedeutung und verzeichnete in den letzten Jahren ein starkes Wachstum. Im Jahr 2019 konnte laut dem Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften das Gesamtvolumen der in Fundraisings eingeworbenen Mittel von Private Equity Fonds in Deutschland gegenüber 2018 um 24 % auf 5,22 Milliarden Euro gesteigert werden. Ein zweistelliges Wachstum gab es 2019 auch bei Investitionen in deutsche Portfoliounternehmen, die um 19 % auf 14,3 Milliarden Euro stiegen.

Potenzielle Gründe für oder gegen den (Teil-)Verkauf eines Familienunternehmens an einen Investor

Die Gründe für den (Teil-)Verkauf eines Familienunternehmens sind vielfältig. Neben unternehmerischen Gründen, wie beispielsweise der Bewältigung einer Unternehmenskrise oder der Realisierung einer Wachstumsstrategie, können auch persönliche Gründe der Gesellschafter:innen ausschlaggebend sein, zum Beispiel ein Konflikt zwischen Gesellschafter:innen oder das Fehlen von geeigneten Nachfolger:innen. Ist die Entscheidung getroffen worden, Unternehmensanteile zu verkaufen, stellt sich zunächst die Frage, ob es zu einem Teilverkauf (Minderheitsverkauf) oder zu einem Mehrheitsverkauf kommen soll. Zu beachten ist, dass bei einem Mehrheitsverkauf die Entscheidungsgewalt und ein großer Anteil des unternehmerischen Risikos von der ursprünglichen Eigentümerfamilie auf den neuen Investor übergeht. Viele Investoren bevorzugen eine Mehrheitsbeteiligung gegenüber einer Minderheitsbeteiligung, da sie dadurch wichtige strategische Entscheidungen in dem Unternehmen maßgeblich beeinflussen können. Ist auch diese Entscheidung getroffen worden, so stellt sich in einem letzten Schritt die Frage, an welchen Investorentyp das Unternehmen verkauft werden soll. Neben verschiedenen Typen von Finanzinvestoren kommen auf der anderen Seite auch strategische Investoren in Frage. Eine durch unser Institut in Zusammenarbeit mit der Rechtanwaltskanzlei POELLATH geführte Befragung hat ergeben, dass die Mehrheit der Familienunternehmer:innen Single Family Offices, Multi Family Offices oder den strategischen Investor als potenzielle Käuferkandidaten bevorzugt. Die Analyse zeigt deutlich, dass Familienunternehmer:innen insbesondere an Investorentypen verkaufen, die dem eigenen Unternehmen ähnlich sind. Sei es der strategische Investor oder aber ein Family Office – es wird oft darauf geschaut, ob sehr ähnliche Werte und Ansichten wie die der Eigentümerfamilie(n) vertreten werden.

Eine Analyse der potenziellen Beweggründe, das Familienunternehmen an einen Finanzinvestor zu verkaufen, zeigt, dass vor allem die Nachfolgeregelung und das Lösen von familieninternen Konflikten die Hauptauslöser sind. Vor allem im Bereich der Nachfolgeregelung kommt den Finanzinvestoren eine Schlüsselrolle zu, denn eine(n) geeignete(n) Nachfolger:in zu finden wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Laut der Deutschen Unternehmerbörse kämpfen Mittelständler seit Jahren mit rückläufigen Zahlen bei den Personen, welche ein bestehendes Unternehmen fortführen wollen (sogenannte Übernahmegründer:innen). Während es vor rund 20 Jahren, im Jahr 2002, noch rund 200.000 solcher Übernahmegründer:innen gab, waren es vor rund 5 Jahren, im Jahr 2015, nur noch rund 62.000. Jedoch steigt die Anzahl der Unternehmen, welche einen Nachfolger suchen. Im Jahr 2018 suchten rund 620.000 Unternehmen in Deutschland einen Nachfolger, Tendenz steigend. Grund hierfür ist die voranschreitende Alterung in den Chefetagen.

Ebenfalls relevant ist, welche Eigenschaften von Finanzinvestoren für Familienunternehmen besonders wichtig sind. Unsere Auswertung hat ergeben, dass der Zeithorizont der Investitionen des Finanzinvestors (wichtigster Faktor), Jobgarantien für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (zweit wichtigster Faktor) und die Branchenspezifizierung (dritt wichtigster Faktor) dabei die drei wichtigsten Elemente abbilden. Der Fokus auf ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) des Finanzinvestors und weitere Familienunternehmen im Portfolio des Investors sowie der Investmentansatz des Investors bilden bei der Punkteverteilung die Mitte. Als am wenigsten wichtig bei dem Verkauf an einen Finanzinvestor schätzen unsere befragten Familienunternehmerinnen und Familienunternehmer die folgenden Elemente ein: Der finanzielle Return des Investors, weitere namhafte Unternehmen im Portfolio des Investors, die Bekanntheit des Investors und die Zugehörigkeit zu einer Banken- oder Versicherungsgruppe. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass auch bei der Entscheidung zum Verkauf an einen Finanzinvestor die familienunternehmensspezifischen Elemente eine überdurchschnittlich wichtige Rolle spielen. So wird besonderer Wert auf die Langfristigkeit der Investition gelegt sowie der Blick auf die Arbeitsplatzsicherung der Mitarbeiter:innen gerichtet. Des Weiteren ist zu beachten, dass auch ESG-Kriterien verstärkt in den Fokus der Familienunternehmen rücken. Wenig überraschend, aber dennoch nennenswert ist, dass für die befragten Familienunternehmen die finanzinvestorspezifischen Elemente nur eine untergeordnete Rolle spielen. Bei der Auswahl eines Finanzinvestors werden verstärkt die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen während der Halteperiode in Betracht gezogen. Diese Eindrücke sind gerade bei der Anbahnung von Gesprächen relevant, da die Gesprächspartner:innen erkennen müssen, welche Aspekte für Verkaufsgespräche wichtig sind und welche kaum Auswirkungen auf die Verhandlungen mit den Familienunternehmer:innen haben werden.

Fazit

Finanzinvestoren können für Familienunternehmen eine echte Finanzierungsalternative sein, die den unternehmerischen Handlungsspielraum signifikant erweitern und beiden Seiten einen deutlichen Mehrwert bieten. Entscheidend ist, dass sich beide Seiten auf ihre individuellen Stärken besinnen und eine gemeinsame Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schaffen. Der Finanzinvestor muss zum Familienunternehmen passen und die Rahmenbedingungen des (Teil-)Verkaufs müssen transparent gemacht werden. Durch Finanzinvestoren kann das Familienunternehmen wichtiges Wissen aufnehmen und damit sowohl schwierige Zeiten im Unternehmen durchstehen als auch Wachstum finanzieren und gegebenenfalls die (externe) Nachfolge regeln.

Unsere vollständige Studie Familienunternehmen und Finanzinvestoren: Freundschaft oder Feindschaft, inklusive aller Informationen zu den erhobenen Daten zu finden Sie auf der Seite des Instituts für Familienunternehmen und Mittelstand der WHU – Otto Beisheim School of Management.

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Gastautor

Christopher Khoury
Christopher Khoury
MSc Doktorand | WHU

Prof. Dr. Nadine Kammerlander
Co-Institutsleiterin | WHU

Elias Kurta
MSc Doktorand | WHU

Dr. Tim Junginger
LL. M. Rechtsanwalt, Dipl.-Kfm. | POELLATH

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