Zahlungsunfähig oder nicht? Darauf müssen Unternehmer bei der Insolvenzantragstellung achten
In der Praxis ist zu beobachten, dass Unternehmen oft ein falsches Verständnis vom Begriff der Zahlungsunfähigkeit haben und von ihrer Zahlungsfähigkeit ausgehen, solange sie noch über Liquidität verfügen. Welche Auswirkungen hat der erneute Lockdown darauf und wie kann die Krise gemeistert werden?
Lockdown II: Viele Unternehmer stehen vor einer gewaltigen Herausforderung
Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben sich aufgrund der steigenden Corona-Fallzahlen am 28.10.2020 auf einen temporären „Lockdown Light“ für die Dauer vom 02.11.2020 bis voraussichtlich Ende November 2020 geeinigt. Insbesondere die Branchen Gastronomie, Hotellerie, Kultur und Freizeit werden hiervon massiv betroffen. Auch der Einzelhandel wird erhebliche wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen.
Zwar sollen die Belastungen durch weitreichende Hilfsmittel gemindert werden. Aber wird das ausreichen, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch einer Vielzahl von Unternehmen und Betrieben zu verhindern?
Die Hürde ist hoch. Der Lockdown fällt zeitlich zusammen mit dem Wegfall einer Corona-Hilfe, die offensichtlich aktuell aus dem Blickfeld gefallen ist: seit dem 01.10.2020 besteht wieder die Insolvenzantragspflicht bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit.
Das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) wurde mit Wirkung zum 01.03.2020 zunächst befristet bis zum 30.09.2020 eingeführt und befreite die Geschäftsführer von nach § 15a InsO antragspflichtiger Gesellschaften grundsätzlich von der Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Ausgenommen waren Fälle, bei denen die Insolvenzreife nicht Corona-bedingt war oder keine Aussicht bestand, eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Zugunsten der betroffenen Gesellschaften wurde vermutet, dass diese Ausnahmen nicht greifen und die Antragspflicht aufgehoben ist, wenn sie jedenfalls per 31.12.2019 zahlungsfähig waren.
Zwar wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach dem COVInsAG von der Bundesregierung bis zum 31.12.2020 verlängert, aber eben nur für die Überschuldung! Wer ab dem 01.10.2020 zahlungsunfähig wird, muss wieder spätestens binnen 3 Wochen Insolvenzantrag stellen. Andernfalls machen sich die Geschäftsführer strafbar und riskieren eine persönliche Haftung für nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit noch geleistete Zahlungen der Gesellschaft.
Die maximale Antragsfrist von 3 Wochen besteht zudem nur, wenn man zum Stichtag noch erfolgversprechende Aussichten hat, durch Sanierungsmaßnahmen binnen dieser Frist die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Ist dies nicht der Fall, muss unverzüglich der Insolvenzantrag gestellt werden.
In der Praxis ist zu beobachten, dass Unternehmen oft ein falsches Verständnis vom Begriff der Zahlungsunfähigkeit haben und von ihrer Zahlungsfähigkeit ausgehen, solange sie noch über Liquidität verfügen. Ein Trugschluss! Die vorhandene Liquidität muss vielmehr ausreichen, um mehr als 90 % der fälligen Verbindlichkeiten zu bezahlen. Ist dies nicht der Fall, ist eine Planung aufzustellen, ob jedenfalls in den nächsten 3 Wochen mehr als 90 % der bestehenden und in dieser Zeit fällig werdenden Verbindlichkeiten durch die vorhandene und in dieser Zeit durch Zahlungseingänge hinzukommende Liquidität bezahlt werden können.
Die erforderliche Liquidität kann natürlich auch aus den Überbrückungshilfen des Bundes und der Länder erlangt werden. Nur müssen diese Gelder dann auch in dieser kurzen Zeit beantragt und ausgezahlt werden.
Der Gesetzgeber ist zwar bemüht, die Härten des aktuellen Lockdowns aufzufangen. Die Geschäftsführer der betroffenen Unternehmen müssen aber genau aufpassen, dass sie nicht wegen unterlassener oder verspäteter Insolvenzantragstellung in die persönliche Haftung geraten.
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