MIT LUST UND LEIDENSCHAFT
Lea-Sophie Cramer ist Vorbild für Gründer, Business Angel und Mutter. Mit dem Online-Lifestyle-Shop Amorelie hat sie aus der anrüchigen Erotikbranche ein attraktives und gesellschaftsfähiges Geschäft gemacht und den Durchbruch geschafft. Ein Interview.
Der Wille, etwas verändern zu wollen, macht sie zu einem Unruhegeist. Ihre Fähigkeit zur Empathie zu einer Führungspersönlichkeit, ihr unternehmerischer Antrieb zu einer Inspiration – es geht um Lea-Sophie Cramer. Viel Lob für die 29-jährige Berlinerin. Offenbar nicht unverdient, angesichts der Erfolgsgeschichte ihres Erotikversands Amorelie. Das DUB-UNTERNEHMER-Magazin wollte es genau wissen. Ein Gespräch über Toy-Partys, die „Droge“ Management-Bücher sowie den Spagat zwischen Unternehmertum und Mutterrolle.Ausgezeichnet erfolgreich: Das Magazin „Edition F“ und Experten wählten Cramer 2015 zu einer der 25 Frauen, die sie bis 2025 als Dax30-CEO sehen wollen (Foto: PR)
DUB UNTERNEHMER-Magazin: Sie haben 2013 das Start-up Amorelie gegründet und zum Erfolg geführt. Die Idee eines Erotikversandhandels an sich war nicht neu. Worin lag die Innovation?
Lea-Sophie Cramer: Direkt am Anfang stand für uns fest: Wir fangen da an, wo der Nichtkunde steht. Zum Beispiel bei der Erklärung, was der Unterschied zwischen einem Vibrator und einem Dildo ist. Wir holen die Kunden thematisch ab und schaffen es gleichzeitig, erotische Artikel aus der Schmuddelecke herauszuholen. Zudem haben wir die Zielgruppe neu definiert. Von den traditionellen Händlern wurden besonders Männer angesprochen, Amorelie zielt verstärkt auf Paare und Frauen ab. Außerdem setzen wir auf Produkte in sehr guter Qualität und hochwertigem Design. Amorelie verzichtet überdies bewusst auf Artikel, die Schmerzen erzeugen. Denn wir haben das Gefühl, dass sie den normalen Bürger eher verschrecken.
Sie haben Amorelie gemeinsam mit Sebastian Pollok gegründet. Das Gesicht der Marke sind aber Sie. Warum?
Cramer: Wir haben anfangs noch relativ viele Interviews zusammen gegeben. Sehr schnell haben wir gemerkt, dass das Interesse an einer Frau, die ein Unternehmen im Erotikbereich führt, wesentlich höher ist als an einem Mann. Die Gründerszene besteht zu 85 bis 90 Prozent aus Männern. Die Erotikbranche ist noch männerdominierter. Zudem fällt es Menschen – sowohl Frauen als auch Männern – leichter, über das Liebesleben und Sexualität mit einer Frau zu reden als mit einem Mann.
Amorelie hat einen Großinvestor. Als Mehrheitseigner hält ProSiebenSat.1 seit März vergangenen Jahres 75 Prozent am Unternehmen. Sie sind also jetzt angestellte Chefin. Hat sich Ihr Wirken dadurch verändert?
Cramer: Ich sehe mich gar nicht als Angestellte. Das wäre mit meinem Naturell nicht zu vereinbaren. Sebastian Pollok und ich halten noch einen Anteil von 25 Prozent, fühlen uns aber, als wären es 99 Prozent. Das Unternehmen ist unser Baby, das wir mit Herzblut aufgebaut haben und an dem wir unglaublich hängen. Wir fühlen uns immer noch als Vollblutunternehmer und nutzen die Chancen, die sich aus der starken Partnerschaft für uns ergeben. ProSiebenSat.1 kennt sich mit Start-up-Investments aus und möchte daher, dass Amorelie weiterhin so frei wie möglich agieren kann. Denn genau das hat uns ja erfolgreich gemacht. Dass wir Chancen erkennen, dass wir schnell reagieren können, uns dynamisch an den Markt anpassen – ohne langwierige Abstimmungsprozesse.
Neben Amorelie führen Sie Starstrike Ventures und unterstützen als Business Angel Gründer ...
Cramer: Als Unternehmer hat man viele Ideen, aber viel zu wenig Zeit. Deswegen machen Sebastian und ich mit zwei weiteren Unternehmern Angel-Investments. Wir sind Frühphasen-Investoren, im Durchschnitt haben wir eine Anfrage pro Tag. Pro Quartal versuchen wir, in ein bis zwei Unternehmen zu investieren. Dabei geht es um 10.000 bis 100.000 Euro pro Idee. Vor allem aber wollen wir Neugründern mit unseren Erfahrungen helfen. Wie baue ich eine Marke auf? Wie verhandele ich Einkaufskonditionen? Wir bei Amorelie hatten selbst anfangs Kontakt zu etwa 20 Angels, die uns ganz stark inhaltlich geholfen haben. Jetzt versuchen wir, etwas weiterzugeben.
Was unterscheidet Amorelie von den anderen Unternehmen der Branche?
Cramer: Wir setzen sehr stark auf Innovationen und investieren viel in Produktentwicklungen. Zum Beispiel gibt es bei Amorelie die „14 Days Sex Life Challenge“, bei der man als Paar zwei Wochen Herausforderungen fürs Liebesleben zelebriert. Oder die „Better Lover“-Box für neue Anregungen. Wir sind zudem viel auf Messen unterwegs, um die neuesten Trends nicht zu verpassen. Außerdem prüfen wir bei Themen wie Google Glass, Oculus Rift oder der Apple Watch, was diese Entwicklungen für unsere Branche und für Amorelie bedeuten und ob wir sie nutzen können.
Wie sehr hat das Produkt „Erotik“ geholfen, Aufmerksamkeit zu generieren?
Cramer: Es gibt ein großes mediales und gesellschaftliches Interesse am Erotikbereich. Das Thema Liebesleben ist intim, emotional und bewegt viele Menschen. Deshalb kam uns besonders in der Startphase viel Aufmerksamkeit zuteil. Wir haben festgestellt, dass wir mit Amorelie den Nerv der Zeit treffen. Dadurch kam unser Erfolg. Er war also eher nachgelagert. Wir versuchen außerdem, die Online-Anonymität mit Pop-up-Stores aufzubrechen. Dort können Kunden unsere Produkte ansehen, anfassen und sich beraten lassen. Daneben bieten wir bei Amorelie Toy-Partys an. 150 Beraterinnen gehen in die heimischen Wohnzimmer und erklären die Produkte, so wie bei den Tupper-Partys. Das wird unheimlich gut angenommen und ist ein Event, das zu unserem Multi-Channel-Ansatz gehört.
Wie haben Sie es geschafft, dass sich so viele Menschen von Amorelie angesprochen fühlen?
Cramer: Das Liebesleben ist ein Thema, das jeden bewegt, und ich liebe es, in einer Branche zu arbeiten, die Menschen glücklich macht. Uns war deshalb klar: Wir müssen und wollen dieses Thema so vermarkten, dass es akzeptabel wird, erotische Produkte zu nutzen, um diese so aus der Tabuzone rausholen. Deswegen haben wir uns darauf fokussiert, auf der Website keine nackten drallen Blondinen zu zeigen, sondern natürliche Menschen. Unsere Ansprache ist verführerisch und gleichzeitig ganz natürlich. Authentisch statt künstlich und übersexualisiert. Ich glaube, das hat viel ausgemacht, um auch Frauen und Paare für unser Thema zu öffnen.
Ältere Semester dürften angesichts von Amorelies Produktpalette erröten. Gibt es Artikel, die Ihnen peinlich sind?
Cramer: Ich hatte eine ganze Weile Schwierigkeiten damit, über viele Dinge zu sprechen, ohne rot zu werden, zum Beispiel über Penisringe. Mittlerweile habe ich aber so viel mit der Thematik zu tun, dass es jetzt nach dreieinhalb Jahren wirklich wenig gibt, das mich noch schockt. Und das ist ja auch das, was Amorelie schaffen will. Dieses Schamgefühl, das ja nur dadurch entsteht, weil dieses Thema so tabuisiert wird, zu beheben und unsere Produkte wirklich gesellschaftsfähig zu machen. Und zwar so, dass man nicht mehr über erotisches Spielzeug lachen muss, obwohl man mit den Produkten natürlich auch Spaß haben darf. Es sind tolle, witzige Artikel. Es gibt wenige Sachen, zumindest in unserem Produktsortiment, die mich noch erröten lassen.
Teil 1 - Mit Lust und Leidenschaft
Teil 2 - Bleib unzufrieden
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